Abschied vom Opfertod

Der katholische Theologe Dr. Meinrad Limbeck 1934-2021 trennt in seinem Buch die Predigt Jesu vom Reich Gottes kategorisch von seiner Passion, wodurch notwendigerweise auch der transzendente Gedanke entfällt.

Eine Rezension zum Buch “Abschied vom Opfertod – Das Christentum neu denken” erschienen 2012 im Matthias-Grünewald- Verlag Ostfildern

Eine Theologie ohne Transzendenz

Der Autor Dr. Meinrad Limbeck bricht mit der urchristlichen Glaubensvorstellung, die in der Ablehnung, Verurteilung und Hinrichtung Jesu einen göttlichen Willen sieht. Dass Jesus seine Hinrichtung am Kreuz bewusst selbst verursacht und gewollt haben könnte, verneint er. Zur Untermauerung seiner These stellt er eine Vielzahl biblischer Bezüge her. Er vernachlässigt dabei jedoch, die zentrale Aussage der Evangelien, nach der Jesus seinen Leidensweg selbst für notwendig und für unumgänglich erachtete. Auch übersieht der Autor die bewusste Einwilligung Jesu in den Willen Gottes, den er in seiner Passion (für sich) so erkannt hatte. Dass diese Überzeugung Jesus letzlich dazu befähigte, selbst Unrecht, Leid und Tod auf sich zu nehmen, um diese Bereiche geistig zu überwinden, findet in der Theologie dieses Buches keine Entsprechung.

Von der Zeit an begann Jesus seinen Jüngern zu erklären, wie er müsste hin nach Jerusalem gehen und viel leiden von den Ältesten und Hohenpriestern und Schriftgelehrten und getötet werden und am dritten Tage auferstehen.

Matthäus 16, 22

Und ging hin ein wenig, fiel nieder auf sein Angesicht und betete und sprach: Mein Vater, ist’s möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber; doch nicht, wie ich will, sondern wie du willst!

Matthäus 26,39

Jetzt ist meine Seele betrübt. Und was soll ich sagen? Vater, hilf mir aus dieser Stunde! Doch darum bin ich in die Welt gekommen.

Johannes 12, 27

Der Autor verneint, dass in der Passion Jesu ein tiefer Sinn, ja, dass in ihr überhaupt irgendetwas Gutes liegt, wobei er auch hier zentrale Aussagen der Evangelien außer Acht lässt, in denen Jesus diesen Sachverhalt seinen Jüngern explizit in diesem Sinne verdeutlicht:

Amen, amen, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht.

Johannes 12, 24

Und wie Mose in der Wüste eine Schlange erhöht hat, also muss des Menschen Sohn erhöht werden, auf das alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.

Johannes 13, 14-15

Nun aber gehe ich hin zu dem, der mich gesandt hat; und niemand unter euch fragt mich: Wo gehst du hin? Sondern weil ich solches geredet habe, ist euer Herz voll Trauerns geworden. Aber ich sage euch die Wahrheit: es ist euch “gut”, dass ich hingehe. Denn so ich nicht hingehe, so kommt der Tröster nicht zu euch …

Johannes 16, 5-7

Der Autor verneint den Glauben, in welchem die Vergebung menschlicher Schuld ursächlich etwas mit der Passion Jesu zu tun hat. Diese Theologie führt er als unrichtig auf den Apostel Paulus zurück. Auch diese These untermauert er durch eine Vielzahl biblischer Verweise. Doch auch hier übergeht er die zentralen Aussagen der Evangelien, in denen Jesus selbst diesen Zusammenhang in dieser Weise erklärt und darlegt:

Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele.

Matthäus 20, 28

Dann nahm er den Kelch, sprach das Dankgebet und reichte ihn den Jüngern mit den Worten: Trinkt alle daraus; das ist mein Blut, das Blut des Bundes, das für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden.

Matthäus 26, 27-28

Der Autor verneint die Existenz eines allmächtigen Gottes. Die Erklärung Jesu in Joh. 10, 17-18, wonach göttliche Macht selbst im Zustand äußerster menschlicher Ohnmacht ihren Ausdruck findet, thematisiert der Autor nicht. Dadurch erfährt auch das allgemeine transzendente Verständnis, in welchem Jesus seine Passion auf sich nahm und welches er auch in seinen Predigten und Erklärungen verdeutlichte, in diesem Buch keinerlei Würdigung.

Deshalb liebt mich der Vater, weil ich mein Leben hingebe, um es wieder zu nehmen. Niemand entreißt es mir, sondern ich gebe es aus freiem Willen hin. Ich habe Macht, es hinzugeben, und ich habe Macht, es wieder zu nehmen. Diesen Auftrag habe ich von meinem Vater empfangen.

Johannes 10, 17-18

Auch jenen großartigen christlichen Gedanken, nach welchem die Macht der Wahrheit, selbst im Zustand menschlicher Ohnmacht niemals geschmälert werden kann, sucht man in der Theologie des Autors vergebens. Daher fehlt dieser Theologie auch der tröstliche Aspekt der Botschaft Jesu, wonach wir selbst in ungerechten, leidvollen und beschwerlichen Geschehnissen Förderung und Bestätigung erfahren müssen, wenn wir diese im Geist Jesu auf uns nehmen und bereitwillig tragen.

Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen und allerlei Böses gegen euch reden und dabei doch lügen.

Matthäus 10,22


… sehet zu und erschreckt euch nicht … Alsdann werden sie euch überantworten in Trübsal und werden euch töten. Und ihr müsst gehasst werden um meines Namens willen von allen Völkern.

Matthäus 24, 6 + 9-10

Die Vernachlässigung dieses doch zentralen Gedankens der Bergpredigt verwundert, ist es doch ebendieser Gedanke, der den Glauben an die Auferstehung Jesu und damit die Auferstehung aller zeitlosen Wahrheit bestätigt und rechtfertigt.

Der Autor trennt Jesu Predigt vom Reich Gottes kategorisch von seiner Passion, wodurch notwendigerweise auch der transzendente Gedanke entfällt. Insofern definiert der Autor den Begriff vom Reich Gottes auch eher diesseitig. Konkret wird diese Auffassung in seiner Aufzählung verschiedener erfolgreicher karitativer Projekte, die der Autor selbst erfahren oder begleitet hat und die, seiner Ansicht nach als eine Verwirklichung des Reiches Gottes betrachtet werden können.

Abgesehen von den oben genannten Ansichten des Autors, die ich für mich persönlich als eine Fehlinterpretation der Botschaft Jesu erachte, enthält das Buch aber auch interessante theologische Ansätze und wertvolle Informationen, sodass sich die Lektüre für mich persönlich dennoch etwas gelohnt hat.

Eine weitere, vertiefende Betrachtung zum Thema Opfertod Jesu finden Sie hier auf Christophilos auch in dem folgenden Blogbeitrag: Missverstandener Opfertod Jesu

Dresden am 6. März 2023

Die Überwindung der Welt

Angesichts seiner bevorstehenden Verhaftung und Hinrichtung spricht Jesus erstmals von der Überwindung der Welt. Aber was meinte er als er sagte, dass er den Namen des Vaters verherrlichen werde wenn er das Leid, das seine Feinde über ihn verhängt hatten, auf sich nehmen und am Kreuz sterben würde. Worin konkret bestand für ihn die Überwindung der Welt? Bestand sie im Scheitern seiner Mission am Kreuz?

Wie kann die Welt überhaupt überwunden werden, wenn sie doch augenscheinlich obsiegt? Erfreut sich Gott etwa am Leid des Menschen? Um diese Aspekte der Botschaft Jesu soll es in dem folgenden Beitrag gehen.

Was bedeutet Überwindung?

Unter Überwindung der Welt verstand Jesus einen Weg, das menschliche Schicksal zu meistern. In seiner Passion vermittelte er diesen Weg, den er nicht nur lehrte, sondern den er am Kreuz selbst beispielhaft gegangen ist.
Damit wurde er selbst zum Prinzip dessen was er zuvor verkündete und so konnte er von sich sagen:
„Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben.. Joh 14,6

In seiner Passion zeigte er auf wie der Mensch den beschwerlichen und leidvollen Seiten seines Menschseins begegnen soll, damit sie verstanden, getragen und letztlich geistig überwunden werden können. Dabei besteht der Weg Jesu in einer außerordentlichen, inneren Einstellung den ungerechten, beschwerlichen und leidvollen Geschehnissen gegenüber. Wir sehen in Jesus Christus den Allerersten, dem es durch unerschütterliches Vertrauen in alle Lebensumstände gegeben war, den Willen Gottes durch Unrecht, Leid und Tod hindurch zu erkennen. Diese Geisteshaltung hat ihn frei gemacht von Gedanken der Schuld, der Anklage und der Vergeltung gegenüber seinen Feinden. Durch sein unerschütterliches Vertrauen und sein Wissen um den Sinn (Gott) im Sinnlosen (Gottlosen) war er davor bewahrt, an den schicksalhaften Geschehnissen seines Leidens und Sterbens zu zerbrechen, sodass er sterbend am Kreuz rufen konnte:

„Vater vergib ihnen denn sie wissen nicht, was sie tun!“ Luk 23, 34

Leidend und sterbend am Kreuz machte Jesus deutlich, dass dieses neue Lebensverständnis, selbst von Geschehnissen, die äußerlichen Schaden und sogar den Tod bedeuten, unberührt und somit unzerstörbar bleibt.

Überwindung der Welt bedeutet im Sinne Jesu, die geistige Fähigkeit zu erlangen, frei von jeglicher, menschlicher Befangenheit, denken und handeln zu können. Auf dieser unbestechlichen Handlungsweise in vollkommener Freiheit, beruht die Verherrlichung Gottes – beruht die Verklärung des Geistes, wie Jesus es vor seiner Verhaftung gegenüber seinen Jüngern verdeutlichte:

„Ich habe dich (Vater) verherrlicht auf Erden und vollendet das Werk, das du mir gegeben hast, dass ich’s tun sollte. Und nun verkläre mich du, Vater, bei dir selbst mit der Klarheit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war.“  Joh 17,5

Eben, weil Jesus sich der transzendenten Bedeutung seines Lebens bewusst war, konnte er sein Leben bereitwillig hingeben und konnte in seiner Passion konsequent im Sinne seiner Botschaft handeln, die er zuvor lehrte: „Liebet eure Feinde…“ Mat 5, 44

Metanoia – Ändert euren Sinn

Ein weiterer, essentieller Gedanke liegt der Lehre von der Überwindung der Welt zu Grunde und dieser beruht auf der Änderung der Gesinnung unserem Leben gegenüber. Mit dem Aufruf zur Änderung unserer Sichtweise knüpfte Jesus nahtlos an die Predigt Johannes des Täufers an, der den Menschen zurief: Metanoia!  „Ändert euren Sinn!“ Ein Wort, das in den meisten Bibeln etwas einseitig mit „Tuet Buße“ wiedergegeben wird.

Metanoia bedeutet aber, dass wir unser gesamtes Leben auf völlig neue Weise betrachten und bewerten sollen, nicht dem äußeren Augenschein nach, sondern nach dem Verständnis der Lehre Jesu. Dieses Verständnis besagt folgendes:

Alles, was in dieser Welt mit uns und um uns geschieht hat das Potential, im Einklang mit dem Willen Gottes zu stehen, sofern wir bereit sind nach dem Sinn und der Bedeutung leidvoller Geschehnisse zu suchen – sofern wir bereit sind, den Willen Gottes darin zu suchen.

Denn der Wille Gottes ist untrennbar verbunden mit Geist und Sinn:

Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan. Denn wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan.… Mat 7,7

Was nicht im Einklang mit dem Willen Gottes steht, das muss unser Dasein  behindern, beschädigen und vernichten. Gott aber ist das Leben selbst. Würde das Leben sich selbst behindern, beschädigen oder vernichten, so könnte es nicht existieren. Leben ist aber geradezu ein Synonym für Existenz, Realität, Wirklichkeit und Wahrheit.

In der Natur und in Wahrheit existiert kein sinnloses Unterliegen, Niedergehen und Sterben; alles Sterben dient neuem Leben. Daher, indem unser eigenes Sterben Sinn erfährt, ist der Tod überwunden denn Leben ist ein Synonym für Sinn und Bedeutung.

In Christus und das bedeutet, in unserer Suche nach dem Sinn im Sinnlosen, werden Leid und Tod – wird die Welt überwunden.

Ob also im Ungerechten, Beschwerlichen und Leidvollen der Wille Gottes an uns geschieht oder nicht, das hängt durch Jesus Christus nun nicht mehr von den Geschehnissen an sich ab, sondern es hängt allein ab von unserer inneren Haltung diesen Geschehnissen gegenüber – es hängt ab von unserer Einwilligung in den Willen Gottes. In Jesus Christus offenbart sich Gott als jene universelle Kraft, die ihre Herrlichkeit mit jeder Kreatur teilt, die seinen Willen in allen Geschehnissen sucht und findet. So gelangen wir durch Jesus Christus zu dem tiefen Verständnis, dass der Wille Gottes, sofern er zu unserem Besten geschehen soll, vollkommen abhängig ist, von unserer persönlichen Einwilligung in den Willen Gottes. Diese Theologie steht in vollkommener Übereinstimmung mit der Auffassung Jesu, der vor seiner Verhaftung bat:

Und ging hin ein wenig, fiel nieder auf sein Angesicht und betete und sprach: Mein Vater, ist’s möglich, so gehe dieser Kelch von mir; doch nicht, wie ich will, sondern wie du willst!“  Mat 26,39

“Dein Reich komme. Dein Wille geschehe…” Mat 6,10

In Jesus Christus sind wir aufgefordert den Willen Gottes in allen Geschehnissen zu suchen, wodurch allein er gefunden werden kann und muss. In seiner Passion lehrte er die Überwindung der Welt durch die vertrauensvolle Erkenntnis des göttlichen Willens in ausnahmslos allen Geschehnissen.

In der Welt habt ihr Angstaber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.” Joh. 16, 33



Missverstandener Opfertod Jesu

Angeblich habe Gott eine Wiedergutmachung des einstigen Sündenfalls gefordert. Gemäß dem Prinzip von Schuld und Vergeltung habe Gott die Menschen bestrafen wollen. Jesus habe dann durch seine grausamen Hinrichtung am Kreuz, Gott endlich die gewünschte Genugtuung bereitet.
So oder ähnlich lautet die verkürzte, missverständliche und letztlich irrtümliche Lesart zur Bedeutung der Passion Jesu. In diesem Zusammenhang hört man auch die Meinung, dass durch den Opfertod Jesu bzw. durch seine Hingabe am Kreuz, automatisch menschliche Schuld vergeben sei. Dies sei einfach zu glauben, und nicht zu hinterfragen. Welcher Bedeutung der Hingabe Jesu – entsprechend seiner eigenen Lehre – für uns tatsächlich zukommt, das möchte ich in dem folgenden Beitrag aufzeigen. Einleitend sei dazu der folgende Gedanke vorangestellt:

Audiodatei: Missverstandener Opfertod Jesu

Gott überwindet das Leid der Welt in dem Moment, da er davon „berührt“ wird. Da Gott selbst nicht leiden kann, erreicht er durch Jesus Christus die notwendige Berührung mit dem Leid der Welt. Jesus bewirkt diese “Berührung” indem er sein Leid in der Gewissheit auf dessen Sinn und Bedeutung, auf sich nimmt und trägt – uns zum Vorbild. Dass Jesus durch seinen Opfertod am Kreuz unsere Schuld beglichen hat ist ausschließlich im Sinne seiner Botschaft zu verstehen. Der missverstandene Opfertod Jesu rührt aus einer wörtlichen Deutung der Passion Jesu, losgelöst von den Inhalten seiner Lehre.

Der schachernde Gott

Im Grunde genommen entspricht die eingangs beschriebene Auffassung der Praxis antiker Opferkulte; denn das Opferverständnis der Antike war ein mythologisches bzw. ein magisches. Dabei wurde göttliche Gnade als ein gerechter Ausgleich oder als eine Art Automatismus verstanden. Oder Gott wurde quasi als Händler in den Bereich des Käuflichen gerückt. So brachte der Mensch der Antike seine Opfer dar, um von Gott etwas ganz Konkretes zurückzuerwarten: Wohlstand, Gesundheit, Reichtum, Macht etc. Ein Gottesverständnis – gegen das Jesus, bei der Tempelreinigung mit äußerster Vehemenz vorging, wie uns die Schriften berichten:

Im Tempel fand er die Verkäufer von Rindern, Schafen und Tauben und die Geldwechsler, die dort saßen. Er machte eine Geißel aus Stricken und trieb sie alle aus dem Tempel hinaus, dazu die Schafe und Rinder; das Geld der Wechsler schüttete er aus, und ihre Tische stieß er um. Zu den Taubenhändlern sagte er: Schafft das hier weg, macht das Haus meines Vaters nicht zum Kaufhaus.

Joh. 2. 13,25

Und Jesus ging in den Tempel hinein und trieb hinaus alle Verkäufer und Käufer im Tempel und stieß die Tische der Geldwechsler um und die Stände der Taubenhändler und sprach zu ihnen: Es steht geschrieben (Jesaja 56,7): »Mein Haus soll ein Bethaus heißen«; ihr aber macht eine Räuberhöhle daraus.

Mt 21, 12-13

Das antike Opferverständnis basierte gewissermaßen auf der Logik eines Tauschgeschäfts oder eines magischen Aktes. Der christliche Glaube hingegen ist seinem Inhalt nach, das Gegenteil von Kalkül und Berechnung. Denn sowohl in seiner Lehre als auch in seiner Hingabe am Kreuz, zeigte Jesus, dass er absolut nichts für sich selbst wollte. Vielmehr war er bereit, all das bereitwillig auf- und hinzugeben, was der Mensch mit Glück und mit Wohlergehen verbindet.

Grund und Ursache der Hingabe Jesu

Zunächst möchte ich aufzeigen inwiefern die Passion Jesu und der Aspekt der Erlösung nicht als ein „Tauschgeschäft“ mit Gott, sondern entsprechend den Inhalten seiner Botschaft, als geistige Folgerichtigkeit zu verstehen ist. Tatsächlich vermittelt uns Jesus in seiner Lehre eine ganz bestimmte Geisteshaltung, die dem, der sie annimmt die Identität des Christus verleiht. Diese Identität nennt Jesus Gotteskindschaft. Kraft dieser Identität werden wir Christus gleich, werden wir vollkommen eins mit ihm. Im vertrauensvollen Annehmen dieser neuen Identität, liegt die Erlösung des Menschen begründet. In dieser Identität sind wir erlöst, weil diese Identität die einzige Existenzform darstellt, die frei ist von menschlicher Befangenheit.

Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun.

Joh 15, 5

Jesus spricht zu ihm: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich.

Joh 14,6

Das Unsagbare – was nur „getan“ werden konnte

In seiner Passion vermittelt Jesus auf nonverbale Weise den unaussprechlichen und essentiellsten Aspekt seiner Botschaft: den individuellen Umgang mit menschlicher Schwäche und Schuld. In seiner Hingabe an seine Feinde zeigt er eine Haltung vollkommener Unbestechlichkeit, angesichts äußerer Bedrohung durch Unrecht, Leid und Tod. All das, was er zuvor in Worten und Gleichnissen ausgedrückt hatte, das setzte er in seiner Passion konsequent um. Dabei ist seine Handlungsweise genau genommen ein tatenloses Handeln, es ist ein Geschehen lassen, in welchem Gott selbst zum Handelnden wird – zum Handelnden werden muss. Denn in einer Geisteshaltung grenzenloser Integration dem Ungerechten und Leidvollen gegenüber, macht Jesus Gott zum Urheber von Schuld, Unrecht, Leid und Tod.  Da aber in Gott weder Leid noch Unrecht existieren können, überwindet Gott in Jesus Christus diese Bereiche, indem er in diese Geschehnissen gewissermaßen Geist und Sinn hineinträgt. Was Sinn gefunden hat, das ist zu einem Teil Gottes geworden. Was aber ein Teil Gottes geworden ist, das ist auch lebendig geworden. Auf dieser Ursächlichkeit beruht das „Gesetz“ der Auferstehung Jesu.

Einwilligung in alle Geschehnisse – die Universalität des Geistes

Es ist dieses bewusste Einwilligen in das Geistlose und Böse, wodurch Christus die dunkle Wirklichkeit des Menschseins mit solcher Vehemenz auf Gott (den Urheber jeglicher Wirklichkeit) zurückwirft, dass dieser zum Schöpfer einer neuen, hellen und guten Wirklichkeit werden muss – einer Wirklichkeit, die über alles Vordergründige und Vergängliche hinausgeht. Ich sage, dass Gott zum Schöpfer werden muss, weil innerhalb Gottes weder Leid noch Tod existieren können. Die bewusste Hingabe an eine böse und feindliche Wirklichkeit, ist die Ursache für die Auferstehung Jesu, die als eine Auferstehung zeitloser und unvergänglicher Sphären verstanden werden muss. So hat uns Christus in seiner Passion einen Weg zu einem neuen, transzendenten Lebensverständnis aufgezeigt. Eben diese Ursächlichkeit verdeutlicht er vor seiner Gefangennahme seinen Jüngern mit den Worten:

Darum liebt mich mein Vater, weil ich mein Leben lasse, damit ich es wieder nehme. Niemand nimmt es von mir, sondern ich lasse es freiwillig. Ich habe Macht, es zu lassen, und habe Macht, es wieder zu nehmen. Dieses Gesetz habe ich empfangen von meinem Vater.

Joh 10, 17

Erlösung durch Vergebung und Vergebung durch Sinnfindung

Einen weiteren, grundlegenden Gedanken, der aus dieser Geisteshaltung Jesu folgt und den er im Zusammenhang mit seiner Passion lehrte, ist, dass durch seine Hingabe am Kreuz den Menschen Erlösung zuteil und Schuld vergeben wird:

Wer der Vornehmste unter euch sein will, der sei euer Knecht, gleichwie des Menschen Sohn nicht gekommen ist, um sich dienen zu lassen, sondern dass er diene und sein Leben gebe zu einer Erlösung für viele.

Mt 20, 27-28

Und er nahm den Kelch und dankte, gab ihnen den und sprach: Trinkt alle daraus; das ist mein Blut des neuen Testaments, welches vergossen wird für viele zur Vergebung der Sünden.

Mt 26, 27-28

Allmacht in äußerster Ohnmacht

Um eine zusammenhängende Betrachtung dieser beiden Gedanken geht es hier: so die bereitwillige Hinnahme von Leid und Tod auf der einen und die Vergebung von Schuld auf der anderen Seite, mit anderen Worten: Macht inmitten äußerster Ohnmacht und Schuldlosigkeit angesichts größter Verfehlung gegenüber der Wahrheit.

Der Zusammenhang dieser beiden Aspekte scheint nicht ohne weiteres erkennbar, und doch ist er folgerichtig und insofern grundlegend für die Botschaft Jesu. Im erstgenannten Gedanken vermittelt Jesus, dass er durch seine vertrauensvolle Hingabe an die ungerechte und leidvolle Wirklichkeit dieser Welt die Macht hat, sein hingegebenes Leben wieder zu nehmen.

Gott liebt jede Hingabe an die Wahrheit, insbesondere aber an jene, die uns wie das Ende oder das Gegenteil der Wahrheit erscheinen – eben weil Gott darin zum Schöpfer neuer Kreaturen und Welten werden kann. Denn dem Verständnis Jesu nach, wird uns jede harte Lebensgrenze, an die wir zuversichtlich und vertrauensvoll rühren, neue ungeahnte Lebensräume eröffnen:

Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan. Denn wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan.…

Mat 7,7-8

Die Immunität Gottes

Aber welche Gesetzmäßigkeit bzw. welches „Gesetz“ könnte dem zugrunde liegen, wie Jesus es hier darlegt?  Die Voraussetzung für das Verständnis dieses Gedankens, liegt in der Fähigkeit zu erkennen, dass Gott die Ursache jedweder Wirklichkeit ist und dass alle Wirklichkeit, die Gott wirkt, immer nur einem Zweck dient, nämlich unaufhörlich neues Leben hervorzubringen.

Das Wesen Gottes besteht in einem Hervorbringen seiner selbst, und was Gott hervorbringt, das kann nicht zum Schaden seiner selbst sein, sonst wäre er nicht Gott. Und da Gott ohnehin niemals irgendeinen Schaden erleiden kann, müssen ihm alle Geschehnisse zur Hervorbringung und zur Förderung seiner selbst dienen, selbst ungerechte, beschwerliche und leidvolle – also auch Geschehnisse, die wir Menschen mit dem Gegenteil von Wahrheit, Leben, Gerechtigkeit, Liebe und Freiheit verbinden. Dieses geistige Prinzip hat uns Jesus in seiner Passion verdeutlicht. In eben dieser Gewissheit handelte er, als er sein Leben für uns hingab. Am Kreuz vermittelt er eine Geisteshaltung, in welcherBestrafung, Vergeltung, Unrecht, Erniedrigung, Leid und Tod – keine Existenzberechtigung mehr haben, da in dieser Geisteshaltung alle Geschehnisse nun einer neuen Schöpfung dienen: dem der auf dieses universelle Gesetz vertraut. Der Auferstandene Christus, ist ein Bild der Unzerstörbarkeit der Wahrheit, eine völlig neue Kreatur – das erste neue Geschöpf einer gänzlich neuen Schöpfung, so wie es der Apostel Paulus beschreibt:

Darum, ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, es ist alles neu geworden!

2. Kor 5,17

Nun aber ist Christus von den Toten auferweckt, als Erstling derer die entschlafen sind.

1. Kor 15,20

Denn welche er zuvor erwählt hat, die hat er auch dazu bestimmt, dass sie gleich sein sollten dem Ebenbild seines Sohnes, auf dass derselbe der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern. 

Röm 8, 29

Das christliche Prinzip der Transzendenz des Bösen

Deshalb: Fassen wir unser eigenes Leid so auf, wie Jesus sein Leid auffasste, so leiden wir nicht mehr um unserer selbst willen, sondern wir leiden um Gottes, also um der Wahrheit willen. Leiden wir aber um der Wahrheit willen, so ist eben dieses Leid der Grund und Anlass für eine neue Schöpfung, da in Gott kein Leid existieren kann. Gott überwindet Leid, in dem Moment, wo er davon „berührt“ wird. Jesus Christus erreicht am Kreuz die Berührung Gottes mit dem Leid der Welt, da er es im Glauben an einen tiefen Sinn (Geist) auf sich nahm und trug. Gott kann nur von jenem Leid berührt werden, das als sinnstiftend erkannt und angenommen wird, eben darum, weil in Gott allen Geschehnissen Sinnstiftendes zukommt. Deshalb bat Jesus angesichts seiner Passion:

Mein Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber. Aber nicht wie ich will, sondern wie du willst.

Mat 26,39

Schöpfung bedeutet, dass allem unter Begrenzung Leidenden, neuer unbegrenzter Lebensraum zuteil wird. Allein das Vertrauen in dieses universelle Gesetz, verändert alle Wirklichkeit grundlegend. Leiden wir um Gottes willen, so erhält unser Leid eine Bedeutung und einen Sinn, da Gott ein Synonym für Geist und Sinn ist. Und so wie Jesus einen Sinn in seinem eigenen Leid erkannte, und es deshalb auf sich nahm und dadurch gedanklich überwand, so wird auch unser eigenes Leid einen Sinn erfahren können, wenn wir es im Geist Jesu auf uns nehmen und tragen.

Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen und reden allerlei Übles gegen euch, so sie daran lügen. Seid fröhlich und getrost; es wird euch im Himmel wohl belohnt werden. Denn also haben sie verfolgt die Propheten, die vor euch gewesen sind.

Mt 5, 11-12

Und er rief zu sich das Volk samt seinen Jüngern und sprach zu ihnen:Wer mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.Denn wer sein Leben erhalten will, der wird’s verlieren; und wer sein Leben verliert um meinetwillen und um des Evangeliums willen, der wird’s erhalten.  

Mk 8, 34-35

Der Sinn, den Jesus in seinem eigenen Kreuz sah, war -für ihn- die Erlösung des Menschen und die Vergebung von Schuld, und eben diese Einsicht machte seine Passion sinnvoll. Eine Erlösung, die all jenen zuteilwerden sollte, die seinem Beispiel gedanklich folgen wollen.

Damit berühre ich den zweiten Gedanken, der die Frage aufwirft: Wie kann das Leid eines Menschen für andere Menschen Erlösung sein, und wie ist es möglich, dass Schuld dort vergeben wird, wo Menschen einem unschuldigen Menschen Leid zufügen? Ein Widerspruch in sich, wie es scheint.

Die erste Antwort auf diese Frage findet sich bereits in dem oben Gesagten, dass alle Geschehnisse dem dienen, der Gott bedingungslos vertraut, so wie es der Apostel Paulus im Römerbrief beschreibt: 

Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen.

Röm 8,28

Selbsterkenntnis – die Grundlage echter Vergebung

Eine weitere Antwort, die konsequent an diesen Gedanken anknüpft, findet sich in der Aufforderung Jesu – Einsicht in die eigene Schuld und Schwäche zu üben, um dadurch gnädig und barmherzig mit den Schwächen anderer zu verfahren. Denn wenn uns jetzt tatsächlich alle Dinge zum Besten dienen, wie Paulus sagt, dann konsequenterweise auch Schwäche, Schuld, Leid und Tod. Und dabei ist es völlig unerheblich, woher diese Mangelhaftigkeit rührt, ob von uns selbst, von unserem Nächsten oder von widrigen Lebensumständen.


Darum vermittelt uns Jesus die Einsicht, dass wir durch Betrachtung unserer menschlichen Schwäche und Mangelhaftigkeit frei werden können von einer Verurteilung unseres Nächsten. Mit anderen Worten, das was bisher Sünde war, das ist in dieser neuen Betrachtungsweise überwunden, denn es ist in dieser Geisteshaltung gut geworden. Derart frei geworden vom Gedanken der Vergeltung, erreichen wir vor Gott „Nichtverurteilbarkeit“. Denn Gott (die Wahrheit) wird uns nur soweit verurteilen können, solange uns Gedanken von Schuld und Vergeltung anhaften. Daher gilt es, frei zu werden von einer Verurteilung anderer, wozu uns wiederum die Einsicht in die eigene menschliche Schwäche dienen und helfen soll. Wir sehen – eben dadurch erhält unsere menschliche Schwäche und Fehlbarkeit (Sünde) eine tiefe Bedeutung, indem sie uns dazu verhilft, uns selbst in unserer Mangelhaftigkeit zu erkennen:

Richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet. Denn mit welcherlei Gericht ihr richtet, werdet ihr gerichtet werden; und mit dem Maßstab, den ihr bei anderen anlegt, werdet ihr selbst gemessen werden. Warum starrst du auf den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht? Oder wie kannst du zu deinem Bruder sagen: Lass mich den Splitter aus deinem Auge herausziehen! – und siehe, in deinem Auge steckt ein Balken! Du Heuchler! Zieh zuerst den Balken aus deinem Auge, dann kannst du zusehen, den Splitter aus dem Auge deines Bruders herauszuziehen!

Mt 7, 1-5

Das Jüngstes Gericht – Ende allen Widerspruchs

Am jüngsten Tag wird Gott jegliche Verurteilung verurteilen, denn Gott wird dort allem Widerspruch ein Ende setzen. Eben darum, dass in Gott alles dient, ist in ihm kein Raum für Widerspruch und Verurteilung. Deshalb sollen wir bereits hier und jetzt alles daran setzen, frei zu werden von jeglicher Verurteilung. Bei allem was am Tag des Jüngsten Gerichts an Gedanken der Verurteilung gefunden wird, das wird verurteilt werden, um der Verurteilung willen, die ihm anhaftet. Denn nach dem Gesetz der Gnade Gottes, muss eines Tages alle Verurteilung ein Ende finden.

Dieser Ursächlichkeit nach sind alle Aussagen Jesu zu verstehen, in denen er darlegt, dass durch seine Hingabe am Kreuz vielen Menschen ihre Schuld vergeben werden wird, nämlich all denen, die seiner Botschaft Glauben schenken und die seinem Beispiel der Vergebung inhaltlich folgen wollen:

Ein Beispiel habe ich euch gegeben, dass ihr tut, wie ich euch getan habe.

Joh. 13, 15

Wir sehen, im Kreuzestod Jesu liegt kein Automatismus. Die Hingabe Jesu ist gewissermaßen eine Tür, eine enge Pforte, die uns gewiesen wurde; hindurchgehen kann nur jeder einzelne selbst.

Gehet ein durch die enge Pforte. Denn die Pforte ist weit, und der Weg ist breit, der hinab zur Verurteilung führt; und es sind viele, die darauf gehen. Und die Pforte ist eng, und der Weg ist schmal, der zum Leben führt; und wenige sind es, die ihn finden.

Mat 7, 13-14

Amen, Amen, ich sage euch: Wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, der hat das ewige Leben und kommt nicht in das Gericht, sondern er ist vom Tode zum Leben hindurchgedrungen.

Joh 5, 24

Vergebung durch Wissen – Nur der Wissende kann vergeben

Die Auffassung, mir sei meine Schuld vergeben, weil ja Jesus am Kreuz für mich gestorben sei, ist nicht vollständig, solange wir Sinn und Bedeutung – solange wir den Beweggrund für seine Hingabe am Kreuz nicht erkennen und verstehen wollen. Denn glauben wir den Worten Jesu, so endet Schuld dort, wo wir selbst aktiv vergeben, so wie Jesus seinen Feinden am Kreuz vergeben hat:

Jesus aber sprach: Vater, vergib ihnen, sie wissen nicht, was sie tun! Und sie teilten seine Kleider und warfen das Los um sein Gewand.

Luk 23,34

Erst wenn wir den Worten Jesu Glauben schenken, nämlich dass in allen Geschehnissen ein tiefer Sinn und eine Bedeutung verborgen liegt und wir seinem Beispiel folgen, werden wir die Welt (den Gedanken der Schuld und Vergeltung) grundlegend überwinden können. Nehmen wir diese Geisteshaltung Jesu nicht an, so bewirkt auch sein Tod am Kreuz für uns nichts. Das Bild vom Opfertod, wonach Gott durch das Sühneopfer seines Sohnes mit der Menschheit versöhnt wurde, kann daher nicht losgelöst von der Bereitschaft zur eigenen inneren Auseinandersetzung mit der Welt – der Sinnsuche und der Sinnfindung allen Geschehnissen gegenüber – verstanden werden.

Überwindung des Bösen durch Vertrauen in den Sinn (Gott)

In seiner Hingabe am Kreuz verdeutlichte Jesus die Notwendigkeit der menschlichen Schwäche: Was wir das Böse nennen, wird – in seinem Geist getragen – aufhören, unser Schaden zu sein – ausnahmslos dient nun alles, auch die Sünde und das Böse. Jesus lehrte und verkörperte durch sein Beispiel den einzig möglichen Weg, durch den objektive Vergebung, also Vergebung durch Gott möglich ist. Denn das, was Jesus Glaube nannte, ist jenes tiefe Vertrauen, dass demjenigen alle Dinge zum Besten dienen, welcher Gott bedingungslos vertraut. Wer dem Leben (Gott) misstraut, bleibt sterblich, denn der Tod ist nichts anderes als unser Misstrauen gegenüber dem Leben, das immer Förderung erfährt, selbst wenn es augenscheinlich scheitert und unterliegt. Also hat Jesus in seiner Geisteshaltung verdeutlicht, dass wir – so wie er – durch vertrauensvolle Preisgabe unserer menschlichen Existenz, neues, unvergängliches Leben annehmen werden.

Missverständnis und Bedeutung des Opfertodes Jesu

Damit uns diese Botschaft erreicht, dafür hat Jesus sein Leben am Kreuz hingegeben. Jede andere, von dieser Botschaft losgelöste Kreuzestheologie, geht am Geist und damit am Inhalt der Botschaft Jesu vorbei. Insbesondere betrifft dies verkürzte Lesarten wie: „Gott hätte nach einem Opfer für den einstigen Sündenfall verlangt.“ – Gott hätte die Menschen strafen wollen.“ und „Jesus habe durch Erduldung seiner grausamen Hinrichtung am Kreuz – Gott eine Genugtuung bereitet.“ Sündenvergebung meint jedoch, dass Sinn- und Geistloses unverhofft Sinn erfährt. Wer die tiefe Bedeutung dieser Lehre nicht versteht, dem wird das als zu wenig erscheinen, denn er meint, das Kreuzesopfer Jesu müsse die Vergebung von Schuld ganz unabhängig von uns leisten. Sündenvergebung durch die Hingabe Jesu besagt aber eben genau das, nämlich dass Sinn- und Geistloses (Sünde) unverhofft Sinn erfährt, sobald wir es wie er – im Vertrauen auf seinen Sinn – auf uns nehmen und tragen.

Es ist auch nicht so, dass Gott einer Laune folgt, dass er durch irgendein menschliches Tun oder Handeln um- oder milde gestimmt werden könnte. Gott ist die Gnade selbst, und dort wo er Gnade findet, da findet er sich selbst. Findet nun Gott sich selbst in uns, so macht er uns sich gleich. Das heißt er erkennt sich in uns und uns in sich. Das ist das Prinzip der Gnade, gegen welches Gott nicht handeln kann. Das heißt, Gott kann nicht anders, als demjenigen Gnade erweisen, der die Gnade schätzt, sucht, lebt und übt. Gott kann nicht gegen sich selbst handeln. Dort wo wir gnädig und barmherzig handeln, dort handelt Gott selbst durch, mit und in uns.

Sündenvergebung bedeutet, dass Jesus das Unrecht, das man ihm antat, aus der Hand Gottes entgegennahm. Indem er dieses Geschehen als einen Dienst an uns und als Anlass zu einer neuen Schöpfung auffasste, hat er das Böse durch das Gute (Geist und Sinn) überwunden.

Dieser Beitrag ist auch erschienen auf: ZEITENGEIST -Magazin für Kultur, Gesellschaft und Bewusstsein

Geburt aus Wasser und Geist

Unser Leben in dieser Welt gleicht einem Sinnbild des Untergangs im luftlosen, geistlosen Element, dem Wasser. Die Sehnsucht nach Geist treibt uns nach oben. Man muss hinauf gelangen, die Oberfläche durchbrechen, um neuen Atem – um Geist zu schöpfen.

Durch vertrauensvolles Eintauchen in das Spannungsfeld der Dualität dieser Welt geschieht unsere neue Geburt aus Wasser und Geist

Die tiefsinnigsten Reden Jesu finden sich zweifellos im Johannesevangelium. Eine davon in Form eines Zwiegesprächs, das Jesus dort mit dem jüdischen Geistlichen Nikodemus führt, einem Pharisäer. Nikodemus war offensichtlich ein heimlicher Bewunderer Jesu, doch öffentlich zu ihm bekennen wollte er sich nicht. Nikodemus kommt wohl aus diesem Grund in der Dunkelheit der Nacht zu Jesus und sucht das Gespräch mit ihm. Doch Jesus gibt sich distanziert. Auf die Äußerungen und Fragen des Geistlichen antwortete er ausschließlich in Sinnbildern, die um das Thema Geburt aus Wasser und Geist kreisen. Die Antworten, die Nikodemus sich von Jesus erhoffte, erhält er definitiv nicht und bleibt am Ende verwirrt zurück.

Ein Wort vorab

Im Folgenden werde ich auf den Sinngehalt der Antworten Jesu eingehen. Dazu gebe ich den Text aus dem Johannesevangelium abschnittsweise wieder. Nach jedem Abschnitt folgt zunächst ein kurzer Hinweis auf Besonderheiten zum Urtext und danach die entsprechende Auslegung.
Vorab sei noch darauf hingewiesen, dass der Symbolgehalt von Sinnbildern nie vollkommen und endgültig ausgeschöpft werden kann, da sie immer einen Bedeutungsüberschuss aufweisen. Dies betrifft im besonderen Maße sämtliche Sinnbilder und Gleichnisse, die Jesus verwendete, und das ist beabsichtigt. Seine Bilder und Gleichnisse sind gewissermaßen „Zeitkapseln“, die seine Botschaft unverändert durch die Zeiten hindurch transportieren. Durch jede, auf das jeweilige Zeitgeschehen bezugnehmende Interpretation, erwachen diese Sinnbilder zu neuem Leben und eröffnen uns ein Stück weit die zeitlosen Inhalte der Botschaft Jesu. 

„Ein Pharisäer namens Nikodemus, der zur jüdischen Führungsschicht gehörte, kam eines Nachts zu Jesus und bekannte: „Rabbi, wir wissen, dass du ein Lehrer bist, der von Gott kommt. Denn wer solche Wunder wirkt wie du, der muss schon mit Gott zu tun haben.
“Jesus antwortete: „Amen, amen, ich sage dir: Nur einer der noch einmal von oben her geboren wird, kann Gottes Reich sehen.“

Johannes 3, 1-3

Hinweis zum Urtext:
Das griechische Adverb ἄνωθεν, ánothen  (“von neuem”) fasst Nikodemus nicht als “von oben her” auf, obwohl das dem Wort nach möglich wäre, sondern er versteht es als erneute bzw. nochmalige Geburt, wie der nachfolgende Vers deutlich macht, da Nikodemus von der erneuten Rückkehr eines Menschen in den Mutterleib spricht. Aufgrund dieser Mehrdeutigkeit habe ich das Adverb im Text nach seinem doppelten Sinn wiedergegeben.

Vordergründiges und hintergründiges Sehen

Die Erklärung Jesu auf das freimütige Bekenntnis des Nikodemus wirkt im ersten Moment deplatziert, da dieser ihn ja gar nicht nach dem Reich Gottes gefragt hatte, doch das ist sie nicht. Nikodemus erklärt Jesus, man würde ihn wegen seiner Wunder, die er in der Öffentlichkeit wirkt, als von Gott gesandt anerkennen. Doch Jesus gibt ihm zu verstehen, dass das, was er gesehen hat (nämlich die Wunder), nicht das ist, was er gekommen ist offenbar zu machen. Er sei gekommen, um das Reich Gottes auf Erden sichtbar zu machen. Die Heilungen sind äußerliche Zeichen. Wer die Mission Jesu am äußerlich Sichtbaren festmacht, bleibt blind für das Eigentliche und hintergründige seiner Mission, das in seiner Botschaft vom Reich Gottes liegt. Insofern ist die Antwort Jesu auch Ausdruck einer gewissen Enttäuschung darüber, dass Nikodemus sein Bekenntnis an äußeren Erscheinungen festmacht – dass ein führender geistlicher Lehrer sich mehr von Wundertaten, als von den Worten seiner Lehre beeindruckt zeigt. Jesus war gekommen, eine Botschaft zu vermitteln, durch die der Mensch ein geistig Sehender wird, um das Reich Gottes in allen Geschehnissen sehen zu können. Die Enttäuschung darüber, dass die Aufmerksamkeit der Menschen auf das Vordergründige fixiert ist, bringt Jesus aber auch gegenüber seinen Jüngern unmissverständlich zum Ausdruck:

“Habt ihr denn keine Augen, um zu sehen und keine Ohren, um zu hören?“  Markus 8, 18

Daraufhin fragte Nikodemus: „Und wie kann jemand geboren werden, wenn er schon älter ist? Kann er etwa wieder in den Mutterleib zurückkehren und noch einmal geboren werden?“
Jesus antwortete: „Amen, amen, ich sage dir: Nur wer aus Wasser und Geist geboren wird, kann in das Reich Gottes hineingelangen. Fleischgeborene bringen Fleischgeborene hervor und Geist gebiert Geist. Sei nicht verwundert darüber, dass ich dir gesagt habe, ihr müsst von neuem geboren werden. Der Wind weht, wo er will, und du hörst sein Rauschen, aber du weißt nicht, woher er kommt und wo er hingeht. So ergeht es jedem, der aus dem Geist geboren ist. Nikodemus antwortete und sagte zu ihm: Wie ist so etwas möglich? 

Jesus antwortete und sprach zu ihm: Du bist der Lehrer des Volkes Israel und weißt das nicht? Amen, amen ich sage dir: Was (Johannes) der Täufer und ich wissen, das verkünden wir, und wir bezeugen, was wir geschaut haben. Ihr aber wollt unser Zeugnis nicht hören. Wenn ihr schon nicht glaubt, was ich über Irdisches sage, wieviel weniger werden ihr dann glauben, wenn ich euch vom Himmel sage.

Johannes 3, 4-12

Hinweis zum Urtext:
Das griechische Wort für “Geist” und “Wind” ist identisch: πνεῦμα, pneuma. Ebenso auch das hebräische und aramäische Wort רוח ruach bzw. ruch, das neben Wind auch Atem oder Hauch bedeuten kann. Der Begriff „Heiliger Geist“ beispielsweise, kann im Hebräischen auch als „Heiliger Atem“ oder „Atem Gottes“ gelesen werden.

Menschliche und göttliche Geburt

Auf die Frage von Nikodemus, was es mit dieser neuen Geburt von oben auf sich hat und ob der Begriff Geburt hier im wörtlichen Sinne zu verstehen sei, erklärt Jesus zunächst, welche Voraussetzung erfüllt sein muss, um in das Reich Gottes gelangen zu können. Damit lenkt er die Aufmerksamkeit von Nikodemus nochmals vom vordergründigen auf das hintergründige Geschehen um das Reich Gottes. Danach folgt der Hinweis Jesu auf zweierlei Geburten, unterschiedlicher Art, nämlich einer fleischlichen und einer geistigen.

Doch wenden wir uns zunächst der Bedingung zu, die Jesus nennt, ohne die kein Eingang in das Reich Gottes möglich ist – der Geburt aus Wasser und Geist. Bedenkt man allein die Mehrdeutigkeit und die Bedeutungsvielfalt des Begriffs Geist im Urtext, so drängt sich ein Sinngehalt sofort auf, und dieser liegt in der Gegensätzlichkeit der beiden Begriffe:

Auf der einen Seite ist da der Geist als Element der Luft, des Windes, des Atems und auf der anderen Seite das Wasser, als das geistlose bzw. das luftlose Element. Zugleich ist aber der Wind (Geist) auch ein Element des Himmels – der Höhe, das von oben kommt und dort wirkt. Sein Gegensatz ist das Wasser, das niedere, irdische und dunkle Element, das mit dem Abgründigen, also mit dem Begriff der Tiefe in Verbindung gebracht wird. Damit lässt sich nicht von ungefähr eine direkte Parallele zum alttestamentlichen Schöpfungsmythos ziehen, wo es heißt:

Und die Erde war wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser. 1. Mose 1,2

Vom Wesen der Geistgeborenen

Die erneute Geburt, von der Jesus hier spricht, beschreibt insofern einen neuen Schöpfungsakt. Es geht um die Geburt neuer Geschöpfe, die in eine neue Welt hineingeboren werden, nämlich in das Reich Gottes. Aus dem Element Wasser sind alle Menschen bereits geboren, entsprechend ihres fleischlichen Ursprungs von “unten”. Doch auch das Potential der hohen, geistigen Geburt ist in allen Menschen angelegt, die bereits „hören“, dass etwas Hintergründiges in dieser Welt vor sich geht. Diese Menschen sind jene, die „Ohren haben, um zu hören.“ Jesus verdeutlicht dieses Phänomen in dem Satz:

Der Wind weht, wo er will, und du hörst sein Rauschen, aber du weißt nicht, woher er kommt und wo er hingeht. So ergeht es jedem, der aus dem Geist geboren ist.“

Was heißt das?  Es besagt, dass all jene aus dem Geist Geborene sind, die nach dem Woher und dem Wohin des menschlichen Daseins fragen und suchen, die innerlich von der Frage bewegt werden; woher kommen wir, und wohin gehen wir? Diese Menschen sind es, die das Raunen des Geistes schon vernehmen, aber es nicht deuten können. Wegen dieser Menschen ist Jesus gekommen, um ihnen den Weg in das Reich Gottes zu weisen. Denn Christus ist jener, der von sich sagen kann:

Ich weiß, woher ich gekommen bin und wohin ich gehe; ihr aber wisst nicht, woher ich komme und wohin ich gehe.“ Johannes 8,14

Hier sind die beiden Beschaffenheiten, die notwendig sind und die uns fähig machen, in das Reich Gottes zu gelangen. Doch damit ist die Deutung der Sinnbilder „Wasser und Geist“ keineswegs ausgeschöpft. Bisher haben wir beide Sinnbilder getrennt betrachtet und gedeutet.  Von viel  grundlegenderer Bedeutung ist aber ihre Bedingtheit und Abhängigkeit zu einander. Jesus sagt ja nicht, dass man zuerst aus Wasser und danach aus Geist geboren werden müsse, um in das Reich Gottes zu gelangen, sondern er sagt:

Nur wer aus Wasser und Geist geboren wird, kann in das Reich Gottes gelangen.“

Das Sinnbild der Geburt

Um den tiefen Sinn, der in dieser Metaphorik liegt, zu verstehen, müssen wir uns zunächst dem Sinnbild der Geburt zuwenden und es deuten, damit sich uns die Bedeutung der Gegensätzlichkeit der Begriffe, Wasser und Geist erschließt. Was also ist in diesem Zusammenhang bezeichnend für den Vorgang der Geburt? Geburt ist ein schmerzvoller Akt und steht damit auch für einen Zustand der Ausweglosigkeit, der, wenn er zu einem guten Ende kommen soll, nur einen Ausgang kennt, nämlich das Geborenwerden eines neuen Menschen. Geburt wird von dem, der geboren werden muss, als lebensbedrohliche Einengung empfunden, wie es die sinkende Herzfrequenz des Kindes während einer Wehe bezeugt. Jesus verwendet eben dieses Sinnbild von der Geburt als beängstigenden und schmerzvollen Vorgang noch einmal an einer anderen Stelle:

„Wenn eine Frau gebiert, so hat sie Traurigkeit, weil ihre Stunde gekommen ist; wenn sie aber das Kind geboren hat, denkt sie nicht mehr an die Angst, um der Freude willen, dass ein Mensch in die Welt geboren ist.“  Johannes 16, 21

Aus der Dualität zur Einheit des Geistes

Das Leben in dieser Welt gleicht einem Sinnbild des Untergangs im luftlosen, geistlosen Element, dem Wasser. Die Sehnsucht nach Geist treibt uns nach oben. Man muss hinauf gelangen, die Oberfläche durchbrechen, um neuen Atem – um Geist zu schöpfen. Was heißt das? Im Spannungsfeld der Dualität dieser Welt geschieht jene neue Geburt aus Wasser und Geist, und in diesem Sinne müssen wir von neuem, d. h. von oben geboren werden. Unten im Alten, Vergänglichen ist für uns Geistgeborene kein Raum mehr. Für uns ist das Alte bereits vergangen, weil es als vergänglich erkannt wurde und aus geistiger Sicht nicht mehr erhaltbar ist. Das Neue, Unvergängliche und Zeitlose ist noch nicht offenbar, aber wir wissen darum und indem wir auf die Macht des Geistes vertrauen, werden wir aus den Tiefen des Wassers nach oben gezogen. Doch der Weg dorthin ist bedrohlich, beängstigend und nimmt uns den Atem. Das bedeutet, jede Einengung, jede Beschwerlichkeit, die wir in dieser Welt erfahren gleicht einer Wehe, die uns in das Reich Gottes hinein gebären will.

Geburt aus Wasser und Geist

Jede Erfahrung und Konfrontation mit Krankheit, Hass, Ungerechtigkeit, Schwäche (eigener wie fremder), Leid und Tod, gleicht unserem Untergang in abgründigen Tiefen dunkler Wasser.

Das Wasser als ein Symbol des luft- und geistlosen Elements versinnbildlicht jede Erfahrung in dieser Welt, die uns geistlos, sinnlos, böse und bedeutungslos erscheint.
Doch der Geist verharrt nicht in diesem Zustand, er strebt nach oben zu sich selbst: Geist sucht seinesgleichen – Geist gebiert Geist. Die Sehnsucht nach dem Geist, nach dem Atem, zieht uns nach oben. Und jedes Mal, wenn wir die Oberfläche – das Oberflächliche – durchbrechen, schöpfen wir neuen Atem, den Geist Gottes, der uns erkennend und zu neuen Kreaturen macht. Jede Überwindung durch den Geist ist ein Hindurchdringen vom Tod zum Leben, im Geist der Botschaft Jesu. Jedes neue Auftauchen aus dem Wasser und Aufnehmen von Geist – ist eine Geburt aus Wasser und Geist.

Geburt aus Wasser und Geist, ist insofern kein einmaliger oder ultimativer Akt, sondern ein immer wieder erneutes Handeln in einer bestimmten Geisteshaltung. Jener Geisteshaltung, in der auch Jesus Christus seine eigene Passion auf sich genommen hat. Indem er sie im Vertrauen auf den Geist auf sich genommen hat, hat er sie bedeutsam gemacht. Denn allein der Geist vermag das Sinnlose mit Sinn zu erfüllen, wodurch es gewandelt und überwunden ist.

In der Welt habt ihr Angst, aber seid getröstet, denn ich habe die Welt überwunden.” Johannes 16, 33

Metaphorik

Wenn ich sterbe, soll mein Sterben dienen,
Nahrung soll es sein zu neuem Leben.
Für das Starke möchte ich mich geben,
das mir im Verborgnen schon erschienen.

Wenn ich falle, soll mein Fall berühren,
einen Grund, der mein Sinken fruchtbar macht,
und Dunkles dort in neuem Licht erwacht,
Wege weisend, die nach oben führen.

Wenn zerteilt ist das Gewand der Erde,
und verkostet jedes Ding des Alten,
soll sich meine Seele umgestalten,
dass das Tiefste mir zum Höchsten werde. 

12. März 2022
Audiodatei: Metaphorik

Unser täglich Brot

Die Bettler gehen unerkannt,
da keiner ihren Schritten folgen will.
Gemächlich gehen sie dahin und still,
wie in ein fernes, fremdes Land.

Ihr Hunger hat sie arm gemacht
und finden sie auch keinen Wohlstand je,
beharrlich folgen sie dem innren Weh,
das an die Seele rühret sacht.

Sie betteln um ein täglich Brot,
das frei von Gärung, unverfälscht und leicht,
ein Brot, das ganz dem edlen Geber gleicht,
der selbst es buk in höchster Not.

Tief im Verborgnen essen sie's;
geblendet wäre jedes Auge dort.
Hier ist des Geistes Stärke und sein Hort,
und wer dort isst, den hungert nie.

Wenn uns die Armut so befällt
und uns zu Bettlern macht und Kranken,
würden wir solchem Schicksal danken,
wenn es uns dazu auserwählt?

Elmar Vogel 3. Mai 2020
Audiodatei: Unser täglich Brot

Von der Würde des Glaubens

Wäre der Wahrheitsgehalt einer Glaubensüberzeugung von Ehre, Anerkennung und Wohlergehenen abhängig, so wären Lehrmeister wie Sokrates, Jesus, Meister Eckhart, Jan Hus, Giordano Bruno, Baruch Spinoza usw. der Unglaubwürdigkeit überführt.

Der letzte, ultimative Vorstoß, um den Verkünder einer unerwünschten Lehrmeinung, zum Einlenken zu bewegen, für unglaubwürdig zu erklären oder ganz zum Schweigen zu bringen, geschieht durch Bedrohung seiner körperlichen Existenz. Über die menschliche Schwäche und körperliche Verletzbarkeit meint man selbst gültige Überzeugungen jederzeit schwächen, verletzen oder vernichten zu können.

Entwürdigung, oder: Die Schaffung von Unglaubwürdigkeit durch Entzug der Würde

Als man Jesus ans Kreuz schlug und er dort einen würdelosen Verbrechertod starb, schien damit für viele der Beweis erbracht, dass dieser Mensch ein Hochstapler gewesen sein muss. Kurz zuvor hatte sich eben dieser Jesus noch als König feiern lassen und war in der Vollmacht des Gottessohnes aufgetreten. Hier am Kreuz zeigte sich nun, dass er doch nur ein gewöhnlicher Sterblicher war. In welch offensichtlichem Widerspruch stand sein Privileg der Gotteskindschaft nun zu seinem kläglichen Scheitern am Kreuz? Insofern war die Kreuzigung für die Feinde Jesu die Stunde der Wahrheit. Hier zeigte sich für sie, was seine Lehre und sein Anspruch, mit dem er aufgetreten war wert waren. Dementsprechend waren auch die Kommentare der Pharisäer und der Schriftgelehrten während der Hinrichtung:

„Anderen hat er geholfen, aber sich selber kann er offenbar nicht helfen. Wenn er wirklich der König Israels wäre, so könnte er doch vom Kreuz heruntersteigen, und wir würden ihm glauben. Er hat Gott vertraut; der erlöse ihn nun, wenn er wirklich Interesse an ihm hat; denn er hat ja selbst gesagt: Ich bin Gottes Sohn.…“. 

Mt 27, 42

Warum führe ich diese Geschichte an? Weil sie als Beispiel für eine heuchlerische Beweisführung steht. Heuchlerisch deshalb, weil hier der Wahrheitsgehalt einer Aussage an Äußerlichkeiten und an menschlichen Schwächen einer Person gemessen wird. Als Beweis für die Unglaubwürdigkeit einer Überzeugung genügt dann der Entzug der Würde und der Hinweis auf das menschliche Scheitern. Unterliegt ein Mensch äußerlich, so wird dies auch als schlüssiger Beweis für die Haltlosigkeit seiner inneren Überzeugung verstanden.

Die Unveränderbarkeit des Wahren und Guten

Folgt man dieser Argumentation konsequent, so dürfte kein Mensch jemals irgendetwas Wahres äußern können, da kein Mensch frei ist von menschlichen Schwächen. Tatsächlich verhält es sich so, dass jeder Mensch – ganz unabhängig von seinen Schwächen –  in der Lage ist, Wahrheit von Unwahrheit zu unterscheiden. Mit anderen Worten, Wahrheit wird nicht zur Unwahrheit, indem eine Person, die sie ausspricht, offiziell zum Lügner oder Übeltäter erklärt wird, und Wahrheit endet auch nicht durch Bestrafung oder Vernichtung ihres Überbringers. Ein Gleichnis aus dem Philippus-Evangelium verdeutlicht diesen Sachverhalt bildhaft:

„Wenn die Perle in den Schmutz hinabgeworfen wird, wird sie dadurch nicht minderwertiger, noch wird sie wertvoller, wenn man sie mit Balsam salbt, vielmehr behält sie immer den gleichen Wert bei ihrem Besitzer.“

Philippus-Evangelium Spruch 48

Die Unerfüllbarkeit geistiger Ideale

Wie wir aus den Evangelienberichten wissen, verkündete Jesus kein System weltlicher Stärke oder äußerer Überlegenheit, sondern die Achtung und Wertschätzung geistiger Ideale. Gleichzeitig machte er deutlich, dass all jene, die ihm darin nachfolgen, in dieser Welt nicht siegen oder triumphieren werden, sondern scheitern und unterliegen. Der Sieg der Wahrheit stand für ihn im Gegensatz zum Sieg der Welt. Der Sieg der Welt ist ein scheinbarer, zeitgebundener und vergänglicher. Der Sieg der Wahrheit jedoch ist ein grundlegender, ideeller und zeitloser.

Wahrheit ist eine Größe, die unabhängig von unserer vergänglichen Existenz besteht. Dennoch ist jemand, der geistige Werte vertritt, nicht verloren in dieser Welt, nur weil er unterliegt. Der Trost, den Jesus seinen Nachfolgern vermittelt, beruht auf der Gewissheit, dass unsere innere Unversehrtheit grundlegend und von zeitloser Qualität ist, da Wahrheit als ein innerer und ideeller Wert unvergänglich ist.

Sterben wir um der Wahrheit willen, so werden wir auch leben um der Wahrheit willen.

Die äußere Unversehrtheit hingegen, ist scheinbar, zeitgebunden und vergänglich, wie Jesus verdeutlicht:

Will mir jemand nachfolgen, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir. Denn wer sein Leben erhalten will, der wird’s verlieren; wer aber sein Leben verliert um meinetwillen, der wird’s finden.

Mt 16, 25-26

Leben wir um der Äußerlichkeit willen, so werden wir auch sterben um der Äußerlichkeit willen.

Dennoch sind die Ansprüche, die Jesus an seine Jünger stellt so hoch, dass ihnen niemand vollkommen gerecht werden kann. Das bedeutet aber nicht, dass seine Lehre deshalb weltfremd oder lebensfern wäre. Im Gegenteil, die Kraft der christlichen Lehre besteht eben gerade in der Einsicht in die eigene menschliche Schwäche. Das mag paradox klingen, ist es aber nicht, wie im Beitrag “Schuld und Vergebung” ausführlich dargelegt. Da wir als Menschen der Vergänglichkeit unterworfen und unseren menschlichen Schwächen ausgeliefert sind, können wir der Lehre Jesu zwar nicht in allen äußeren Handlungen gerecht werden, aber auf eine innere Weise können wir sie erfüllen. Sie auf innere Weise erfüllen bedeutet, dass wir unsere Distanz zu ihr (der Lehre Jesu) erkennen, und diesen Zustand innerlich bedauern. Einerseits werden wir uns also immer wieder eingestehen müssen, dass wir an der Umsetzung der christlichen Ideale scheitern. Andererseits können wir die Inhalte dieser Botschaft dennoch für richtig und für wahr anerkennen, können sie wertschätzen und lieben. Diese innere „Wertschätzung“ bildet das Herz der christlichen Glaubenslehre.

Die Wertschätzung der christlichen Ideale ist das, was Jesus als den Begriff „Glaube“ vermittelt, der lebendig und gerecht macht.

Sind wir im Zustand dieser inneren Wertschätzung, kann uns die Entfernung zu unseren Idealen nicht hindern, an ihnen teilzuhaben. Ja mehr noch, durch diese innere Wertschätzung werden wir eins mit den Idealen, die wir lieben. In dieser Gesinnung sind wir bereits dort, wo wir uns innerlich hingezogen fühlen.

Der christliche Glaube – was ist das?

Zu glauben bedeutet, die Botschaft Jesu für wahr halten – es bedeutet, den Worten Jesu zu vertrauen. Ich werde mich im Rahmen dieses Beitrags lediglich auf solche Worte Jesu beschränken, die unsere äußere Existenz betreffen: Jesus lehrte beispielsweise, darauf zu vertrauen, dass Gott weiß, was wir zum täglichen Leben benötigen, noch bevor wir ihn darum bitten. (Mt 6,8) Er lehrte auch, dass wir uns nicht sorgen sollen um Essen, Trinken, Kleidung. (Mt 6,25), auch nicht um unsere Zukunft – nicht einmal um den morgigen Tag sollen wir uns sorgen. (Mt 6, 34) Und selbst wenn man uns verkauft und ausliefert wie Sperlinge, so sind wir vor Gott dennoch nicht verloren. (Mt 10,29) Auch sollen wir uns gewiss sein, dass selbst unsere Haare auf dem Kopf alle gezählt sind. (Mt 10, 30). Und hätten wir nur so viel Glauben wie ein Senfkorn, so könnten wir Berge versetzen. ( Lk 17, 20) Doch selbst wenn ich davon überzeugt bin, dass ich im Vertrauen auf die Worte Jesu niemals sterben kann, auch wenn man mich tötet, (Mt 10, 28 und Joh 11,25-26), so bleibe ich dennoch ein Mensch mit all meinen menschlichen Schwächen – ein kleingläubiger Mensch, der an dieser Botschaft doch immer wieder zweifelt.

Das Paradoxon: Obwohl ich einerseits den Worten Jesu glaube, ja ihnen sogar zutiefst vertraue, wird mein Glaube doch immer wieder erschüttert werden: Komme ich in eine Notsituation, so handle ich aus menschlicher Angst und Vertrauenslosigkeit. In meiner Befangenheit suche ich dann nach menschlichen Sicherheiten. Geht es um die Erfüllung meiner Ideale, klaffen Anspruch und Wirklichkeit weit auseinander: So verleugnete Petrus seinen Meister aus Angst vor der eigenen Verhaftung dreimal in derselben Nacht und weinte danach bitterlich über seine menschliche Schwäche. Doch eben diese Einsicht, dieses Bedauern der eigenen menschlichen Schwäche, ist ein wesentlicher und grundlegender Aspekt der Botschaft Jesu. Denn das, was ich als meine Schwäche erkannt habe, das versuche ich nicht vor mir selbst zu rechtfertigen und werde mich deshalb innerlich davon distanzieren. Nun könnte man hier einwenden: Ja, aber Jesus hatte doch keine menschlichen Schwächen, zumindest nicht in den Augen gläubiger Christen! Aber das stimmt nicht, im Gegenteil, die Verurteilung und Hinrichtung Jesu, zeigen uns ein sehr menschliches Bild von ihm. Er war schwach, verletzlich und sterblich, wie jeder andere Mensch auch. Stark war er in seiner Bereitschaft, die grausamen Konsequenzen seiner Geisteshaltung auf sich zu nehmen. Schwach war er als geborener Mensch. Ungeachtet seiner körperlichen Schwäche hat er an seinen Idealen festgehalten und war bereit, dafür die Schmach des äußersten menschlichen Scheiterns auf sich zu nehmen.

Der belächelte, kindliche Glaube

Nun gibt es Menschen, die ungeachtet ihrer menschlichen Zweifel und Schwächen, dennoch zuversichtlich in die Botschaft Jesu vertrauen. Auf geradezu kindliche Weise halten sie daran fest, dass ihnen nichts geschehen kann, was nicht im Willen Gottes liegt. Diese Menschen glauben unerschütterlich, dass Jesus Christus der Heiland ist, der alle Krankheit der Welt zu heilen vermag. Sie glauben, dass dieser Jesus der Christus ist, der durch seine Auferstehung selbst den Tod überwunden hat. Solche Menschen sind sogar bereit, für ihren „kindlichen“ Glauben Anfeindung, Hass und Ausgrenzung auf sich zu nehmen.

Auf der anderen Seite melden sich aktuell Kirchenvertreter zu Wort, die solch ein „naives Glaubensverständnis“ für falsch, verantwortungslos ja sogar für allgemeingefährlich halten. Sie verkünden Kraft ihres Amtes, dass diese oder jene Krankheit so gefährlich sei, dass hier weder Jesus, noch Gott und auch kein Beten helfen kann. Sie erklären daher, dass gerade Christen sich den offiziell verordneten Maßnahmen zu unterziehen hätten. Täten sie das nicht, so seien sie gar keine wirklichen Christen. Sie sind der Auffassung, dass selbst Jesus diese Maßnahmen befürworten würde – dass er sich ihnen selbstverständlich selbst unterzogen hätte, würde er heute leben.
Halten die kindlich Glaubenden hier dagegen, dass sie kein Vertrauen in die verordneten Maßnahmen haben und dass sie in dieser Sache lieber auf Gott vertrauen wollen, dann geben solche Kirchenvertreter ihnen zu verstehen, dass solch ein Verständnis von christlichem Glauben falsch, unhaltbar ja absurd sei.

Die Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit

Der letzte und ultimative Angriff, eine unliebsame Überzeugung zu diskreditieren, richtet sich immer gegen die Unversehrtheit des Körpers. Über die äußerliche Verletzbarkeit eines Menschen meint man auch die Wertlosigkeit seiner christlichen Überzeugung beweisen zu können. So scheint der Nachweis für die Absurdität einer Glaubensauffassung auch dann erbracht, wenn der Glaubende bei körperlichen Gebrechen einen Arzt aufsucht und nicht etwa auf Gott vertraut. Dann hält man ihm vor: „Siehst du, damit hast du dich als gewöhnlicher Mensch erwiesen. Das ist der Beweis dafür wie weltfremd, falsch und absurd deine Glaubensvorstellungen doch sind.“ Doch die so reden sind im Irrtum. Sie unterschlagen die Grundlage des christlichen Glaubens als eine aufrichtige, innere Wertschätzung von Idealen, unabhängig davon ob man diesen gerecht wird oder nicht.

Man kann Ideale glauben und wertschätzen, obwohl man ihnen als Mensch nicht gerecht zu werden vermag.

Fazit: Der aus tiefer innerer Überzeugung Glaubende wird den Ansprüchen dieser Welt nicht gerecht werden: Bleibt er standhaft, bleibt er seiner Überzeugung treu, so riskiert er Verfolgung, Ausgrenzung und Sanktionierung. Durch öffentlichen Entzug seiner Würde scheint der Beweis seines Irrtums erbracht.
Zeigt er sich hingegen menschlich, furchtsam und schwach, lenkt er aus Angst vor leidvollen Konsequenzen ein, so wird man seine Glaubensüberzeugung eben deshalb für abwegig und irrig erklären.

“Das Böse ist immer die Zerstörung sinnlicher Dinge, in denen das Gute wirklich gegenwärtig ist. Das Böse wird von denen verübt, die von dieser wirklichen Gegenwart keine Kenntnis haben.”

Simone Weil – Schwerkraft und Gnade

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Licht und Schatten

In allem Dunkel liegt ein Sehnen,
darin die Herzen klopfend schlagen.
und Schlag um Schlag ein stilles Nehmen,
und ein Verlangen und ein Fragen:
Wo sind die hohen hellen Stätten,
die uns die Führer einst verhießen,
wo wir die Leiber sicher betten,
wo sie des Nachts die Tore schließen?

Doch fällt ein Schatten all der Lasten,
die an mir haften Nacht für Nacht,
die stumm nach meinem Herzschlag tasten,
und mich berühren zart und sacht,
in jenen Grund, der ohne Gründe,
die Welt aus Dunkelheiten wirkt,
wo jeder Schatten, jede Sünde,
das Licht des Geistes in sich birgt.

In der Geburt der lichten Sphären,
in der Erkenntnis meines Grundes,
dort wird sich Licht von Licht ernähren
wo es berührt vom Saum des Mundes,
dessen, der vollbringt und der vollbracht.
Und Finsternisse werden fallen,
und was gebeugt von dunkler Macht,
wird aufrecht stehn in lichten Hallen.

Dresden 4. 9. 2020

Metanoia

Ändere den Sinn, der deine Welt erschuf,
Die hart, die ungerecht, traurig und fatal.
Lass fallen ein, des guten Geistes hellen Strahl.
Hebe dein Haupt, vernimm des Täufers Ruf.

Ändere die Welt und alles was verdorben;
Verleihe Sinn, dem Bösen und Gemeinen,
Dass Unflat wird zu Gutem und zu Reinem,
Und auferstehen kann, was einst gestorben.

Wirf die Netze aus in unbekannte Gründe,
Selbst wenn sie leer und dunkel dir erscheinen.
Schau und harre bis sich straffen Netz und Leinen;
Von reichem Fischzug singe dann und künde.

Achte nicht allein auf das, was vor den Augen,
Sondern blicke auf der Dinge tiefsten Grund
Vertraue auf den Geist der alles wandelt und
Durch dessen Zauber alle Dinge taugen.

Elmar Vogel 29.6.2020