Man kennt sie gut, die Ignoranten, da man sich selber oft als einer weiß. Als die *Genanten und Pedanten, geben sie selten etwas von sich preis. Doch wer es wagt, sein Herz zu zeigen, wer Einblick gibt in seinen tiefsten Grund, den bringt der Ignorant zum Schweigen, nennt sinnlos lallend ihn und Kindermund. Es ist die Tiefe der Gedanken, die dem missfällt, der niemals so gedacht, sie zeigt uns auf die eignen Schranken - der Ignorant indes darüber lacht. 6. Februar 2024 *genant spricht schenant
Kategorie: Lyrik
Gut und Böse
Ob etwas gut ist oder böse, das macht allein die Relation. Indem ich diese Fessel löse, -und scheint es auch wie blanker Hohn- schaffe ich eigene Regime und Böses findet neuen Raum. Damit fortan auch Arges diene, verfolge ich den hehren Traum, in welchem alle Dinge taugen; was gut mir scheint und was verhasst, dass trotz des Mangels meiner Augen, das Licht des Geistes mich umfasst.
Nach Epiktet: “Es sind nicht die Dinge selbst, die uns beunruhigen, sondern die Vorstellungen, die wir von den Dingen haben.”
Elmar Vogel 4. Oktober 2020
Ungeliebtes
Wie oft ist man zutiefst enttäuscht von sich und weiß mit dieser Einsicht wenig anzufangen. So hält man solches Sinnen schlicht für ärgerlich fühlt ausgeliefert sich dem Fragen und dem Bangen. Man kann die Fragen stellen oder nicht und selbst das Bangen lässt sich ignorieren, bis eines Tages etwas tief in uns zerbricht aus Angst, das Unerkannte zu verlieren. Das ungeliebte, mangelhafte Leben, das tief verborgen harrt in dunklen Räumen, stirbt unversehens einfach mal soeben, während wir andre, bessre Leben träumen. So unterschlägt man, dass das Ungeliebte, das man bereit war einfach aufzugeben, dereinst den Hochmut und den Stolz besiegte, um unsre Unbestechlichkeit zu heben. Was sind wir unsrem Wesen nach denn nun? Sind wir das Glatte, Schöne, Makellose? Hängt unser Wert tatsächlich ab vom Tun, von einer äuß‘ren Haltung oder Pose? Getäuschte sind wir und Beraubte, und doch gewinnen wir uns dabei neu Beständig spricht zu uns das Totgeglaubte und trennt in uns die Früchte von der Spreu.
Dresden am 5. Februar 2024
Wenn es spricht
Ich will nicht sprechen, wenn Es spricht. Wenn Es spricht, dann will ich schweigen. Da, wo es mir am Wort gebricht, wird und will sich Gutes zeigen. Ich will nicht tun noch handeln mehr, dort wo es handelnd schafft und wirkt. Was ich zu tun wünsch und begehr ist das, was diese Welt verbirgt. Fern hinter allem Scheine liegt der Grund der Welt und meines Seins. In einem Quell der nie versiegt ertönt dann auch mein Wort als Deins.
Elmar Wieland Vogel 21. Januar 2023
Frühlingserwachen
Du brichst den harten Frost, mit einer Geste tausend Händen gleich, und doch ist, was du aufgebrochen dem Tode fremd und fern. Was kläglich war und starr und alt, opfert dir willig die Gestalt, wird vor dir gern im neuen Kleide wieder jung und schön und reich. Das Mangelhafte hast du als dein Element erwählt und nimmst in Acht, was durch die Zeiten tief gezeichnet, was dem Verfall schon preisgegeben und verdorben. In deinem Schaffensrausch stehn Abfall, Dung und alles Todgeweihte dir zur Seite und was gestorben war, das schlummert bloß - durch deinen Ruf ist es erwacht. Voll Lust erhebt sich jede Stimme, die dein Mysterium jetzt schon leis erahnt, und was im Schoß der Finsternis verborgen seine Wege bahnt, strebt unbeirrt hinauf zum Licht. Das Fremde und das Unbekannte zieht zu sich das Alte, das Triviale - das Niedre und Banale - verwirft es aber nicht, hebt es vielmehr empor und trinkt mit ihm aus einer Schale. Wo ist nun Schöpfer und wo ist Kreatur wenn beides nur gemeinsam wirken kann? Wenn Gleichklang dein Geheimnis und tiefster Abgrund dir nicht tief genug? Wenn alles was bisher verloren und verworfen und getadelt nun unverhofft geadelt, schön und klug dann ist dort Einheit nur und Treue und allerhöchster Rang. Elmar Vogel /April 2019
Als die Zeit noch reichlich
Als die Zeit noch reichlich war keine Zeit zu denken. Jetzt, da sie unbegreiflich, will keiner sich versenken, in das Eventuelle, in das Bedeutungschwere. Nun atmet jede Zelle nackte Sinnesleere. Als der Sinn noch offen, da war er schwer beladen, mit Wünschen und mit Hoffen und ignoriertem Schaden, den er bereits genommen, doch ohne es zu wissen, vom Sinnensrausch benommen - das Gefäß gerissen. Als das Gefäß noch voll mit leichtem Spiel und Tand, da empfand man keinen Groll gegen Volk und Vaterland, gegen die verführte Welt, die noch jeden Sinn geglaubt, den man ihr vor Augen stellt und ihr den Zauber raubt. Elmar Vogel am 26.2.2023
Abgesang
Dem eignen Tod nicht zu entgehen, sind wir geworfen in die Welt. Und alles Trotzen, alles Flehen gleicht einer Welle, die zerschellt, am Fels der Brandung jener Lüge, die unsre Hybris ignoriert: Wähnt sich im Glauben es genüge, dass Tod zu keinem Ziele führt, -wiewohl ihm große Macht gebührt- In diesem Glauben will sie erben, was diese Welt ihr hinterlässt - wischt dröge fort den Tod, das Sterben und macht aus Totentanz ein Fest der Sinne, des Rausches und der Macht: Nehmt alles hin und lasst verglimmen, jenes Feuer, das in euch entfacht, als ihr noch Kinder wart mit Stimmen, -die sangen gegen dunkle Nacht- Noch sind die Lieder nicht verklungen, noch tönen sie durch Raum und Zeit, noch füllt der Geist die Kinderlungen, noch stehn sie im Gesang befreit. Doch wenn der letzte Ton geboren, und an kein Ohr gedrungen ist so ist auch jener Sinn verloren, der uns die schönsten Klänge misst. 20. Februar 2023
Biblische Bezüge zum Text:
1. Vers: Lehre uns bedenken, daß wir sterben müssen, auf daß wir klug werden. Psalm 90,12
Aber, JHWH, lehre mich doch, daß es ein Ende mit mir haben muß und mein Leben ein Ziel hat und ich davon muß. Psalm 39,4
2. Vers: Das Gleichnis vom verlorenen Sohn. Lk 15,11–32
3. Vers: Amen, ich sage euch: Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, werdet ihr nicht in das Himmelreich hineinkommen. Mat 18. 2
Mit wem soll ich diese Generation vergleichen? Sie gleicht Kindern, die auf den Marktplätzen sitzen und anderen zurufen: Wir haben für euch auf der Flöte gespielt und ihr habt nicht getanzt; wir haben die Totenklage angestimmt und ihr habt euch nicht an die Brust geschlagen. Matt 11, 17
Jenseits des Sinnes
Was jenseits allen Sinnes, darüber will ich sinnen, zugunsten des Gewinnes, der über allen Stimmen, und über allem Raunen, dem gilt, der wie ein Kind das Dasein kann bestaunen: Unfassbar wie der Wind. Scheint es uns nur zu streifen? Sucht es uns auszublasen? Wie möcht ich dich begreifen, in Maß und Übermaßen. Dann stünde alles offen, und selbst was fest verriegelt eröffnet‘ sich dem Hoffen, wodurch es ward besiegelt, schon lang vor allen Zeiten, wo alles einst begann, fernab von allem Streiten steh ich in deinem Bann.
Dresden 16. Februar 2020
Freier Wille
Der freie Wille ist ein Ideal, Ist weder Regel noch Gesetz in dieser Welt Denn jeder handelt wie es ihm gefällt; Beliebigkeit hat keine freie Wahl. Fest gebunden liegt der freie Wille, an dem Gebot der Liebe und Wahrhaftigkeit Und jenseits diesem liegt nur Krieg und Streit; Freiheit bleibt dort eine taube Hülle. Nur Einsicht in die tiefste Unfreiheit, Und Distanz zu eig‘nem Denken oder Handeln Wird befang‘nen Willen dort verwandeln, Wo er zum Abgang und zum Tod bereit. Dresden am 10. Juli 2020
Metaphorik
Wenn ich sterbe, soll mein Sterben dienen, Nahrung soll es sein zu neuem Leben. Für das Starke möchte ich mich geben, das mir im Verborgnen schon erschienen. Wenn ich falle, soll mein Fall berühren, einen Grund, der mein Sinken fruchtbar macht, und Dunkles dort in neuem Licht erwacht, Wege weisend, die nach oben führen. Wenn zerteilt ist das Gewand der Erde, und verkostet jedes Ding des Alten, soll sich meine Seele umgestalten, dass das Tiefste mir zum Höchsten werde. 12. März 2022
Unser täglich Brot
Die Bettler gehen unerkannt, da keiner ihren Schritten folgen will. Gemächlich gehen sie dahin und still, wie in ein fernes, fremdes Land. Ihr Hunger hat sie arm gemacht und finden sie auch keinen Wohlstand je, beharrlich folgen sie dem innren Weh, das an die Seele rühret sacht. Sie betteln um ein täglich Brot, das frei von Gärung, unverfälscht und leicht, ein Brot, das ganz dem edlen Geber gleicht, der selbst es buk in höchster Not. Tief im Verborgnen essen sie's; geblendet wäre jedes Auge dort. Hier ist des Geistes Stärke und sein Hort, und wer dort isst, den hungert nie. Wenn uns die Armut so befällt und uns zu Bettlern macht und Kranken, würden wir solchem Schicksal danken, wenn es uns dazu auserwählt? Elmar Vogel 3. Mai 2020
Hindurch zum Licht
Fürchte dich nicht. Die Dunkelheit der Erde ist ein Bild, myriadenfach bemüht den Geist zu kränken, der allzu Hartes bricht – den schwachen Schild; bereit, sich selbst in dunkle Tiefen zu versenken, der sich verloren gibt, um neu sich dort zu finden. So gleicht das Streben aus der Erde Schoß der Sehnsucht eines Blinden: Hindurch zum Licht. Elmar Vogel 5. Januar. 2022
Selbstreflexion
Ach, du unergründlich tiefer Brunnen, der mein Angesicht auf der Wasserfläche spiegelt, die der Sonne Strahlen bricht. Tief und dunkel scheint dein Wesen doch dein Wasser ist so klar, steter Blick in deinen Spiegel, macht mein Antlitz offenbar. Trinken möchte ich dein Wesen, ganz darinnen untergehn voller Zuversicht versinken, und im Lichte auferstehn. Dresden 6. August 2021
Der lebendige Tod
Der Tod verschlingt des Menschen Leben,
und speit es dennoch wieder aus:
Das Schwache sucht er zu beheben,
verschafft dem Geist ein neues Haus.
Der Tod lehrt lassen uns und gehen
was zeitlich und vergänglich ist:
Das Unsichtbare bleibt bestehen,
dem niemand großen Wert beimisst.
Der Tod zwingt stetig uns zur Suche,
nach Leben, über allem Schein,
das jenseits liegt von Streit und Fluche,
doch hält man dies für allzu klein.
25. Dezember 2021
Fatum
Der Schächer steht verklärt im Mondenschein,
er hat sein nächtlich Tagwerk schon vollbracht.
Ein schwarzes Auge fängt sein Lächeln ein
und speit es wieder aus vertausendfacht.
Der trübe Tau gerinnt zu Blut und Eis
und Monde stehen fahl und blass im Tageslicht.
Die künft‘gen Nächte sind jetzt kalt und weiß,
und blanke Stähle harren ihrer Pflicht.
Das Spinnrad treibt voran der Pferdefuß.
Aus jedem Halm und jeder Nadel Stroh,
schafft er gedieg‘nes Gold im Überfluss.
Des Zweifels Kerker liegt im Nirgendwo.
Ein neues Evangelium hat gekalbt,
millionenfach gelegt in Batterien,
und jeder Leichnam wird verzückt gesalbt,
um seiner eignen Marter zu entflieh‘n.
Elmar Vogel am 7. Mai 2020
Wert-Schöpfung
Das Leben ist nicht wiederholbar und doch beginnt es stets von Neuem. Indem wir seinen Abgang scheuen, gewinnt es, denn dieser macht es rar. So verleiht der Tod dem Leben Wert; ohne ihn wär alles eitel Tand. Doch verneint der zeitliche Verstand, dass uns unser Abgang solches lehrt. Und so verharrt er im Verneinen der Kraft, die doch das Leben hübe und opfert seine hehrsten Triebe, dem Namenlosen und dem Keinen. Elmar Vogel 25. April 2020
Notwendiges
In allem Scheitern liegt ein Sterben, und jede Krankheit atmet Tod. Doch alles irdische Verderben, birgt auch die Wendung unsrer Not. Wenn als notwendig ich erachte, auch meinen abgrundtiefsten Fall, und so im bittren Elend schmachte, durchmisst ein Ruf das Weltenall. Denn was notwendig ist geworden, durch mein Bejahen und Vertraun, das hat nun aufgehört zu morden und lässt mich neues Leben schaun. In der Notwendigkeit der Dinge, liegt auch der Wahrheit tiefster Grund, den ich von Herzen hier besinge, der immer neu zu jeder Stund. Und in der Wahrheit liegt das Leben, beschlossen in Notwendigkeit Wer bittet, dem wird hier gegeben, zu überwinden Zeit und Streit. Elmar Vogel 19. Oktober 2020
Dunkle Pforten
Was ich bin und was ich werde, liegt verborgen in der Zeit. Wie ein Baum in reicher Erde, treib ich meine Äste weit. Taste mich ins Unbekannte, da sich freie Räume dehnen. Was ich vormals Zweifel nannte, ward mir Hoffnung, Mut und Sehnen. Jeder bange Schritt ins Leere, jenseits altbekannter Orte, alles Grobe, alles Schwere, führt mich an die dunkle Pforte, dran ich klopfe, unverdrossen und um Einlass bitt‘ und dränge, bis sich auftut was verschlossen; lichter Raum in Breit und Länge. Überwunden ward die Enge, die der Zweifel nur gesetzt, und entledigt alter Zwänge, strahlt die Seele unverletzt. Elmar Vogel 1. März 2020
Paradoxon
Leben ist stete Suche nach Leben, Leben ist Finden in allen Dingen. In jeder Regung entschlossenes Streben, ahnendes Wissen zu großem Gelingen. Am Ende wird das Verworfene dienen, den Auftakt setzen zu neuem Beginn, und Tage, die uns als Bürden erschienen; wir leben sie neu in geläutertem Sinn. Sterben folgt der Suche nach Tod; Verlust des Lebens in allen Dingen, In jeder Regung verzweifelte Not, die drohende Fessel niederzuringen. Am Ende wird das Verworfne zertreten, nicht weil verwerflich, sondern weil verhasst. Wir werden empfangen, was wir erbeten: Erleuchtetes Dunkel - Bürde und Last. Elmar Vogel 13. April 2020
Reiseballade
wir gehen fort – wir gehen immer fort, fortgehen scheint der reise zweck und wille. so sind wir fort-getriebne aus der stille in des getriebes fernen, fremden ort. wir haben keine bleibe eh und je und können niemals sagen, da, und können niemals sagen, ja, da allerort ein stummes, fernes weh. wir brechen früh schon auf und gehn behände den unbekannten weg, die steilen pfade. was uns erschöpft, erscheint uns gnade, und spät gelangen wir ans jähe ende. wir suchen unverdrossen fremde stätten. das fremde lässt uns beben – zieht uns an, tun manche falschen tritte dann und wann und schlafen nachts in fremden betten. wir folgen sonderbaren, schweren spuren und zeichen über sonne, mond und sternen, und wetter zeichnen uns aus großen fernen. wir blicken bange nach dem gang der uhren. wir finden aufgehoben uns am ziel, und aufgehoben scheint uns dort das schwere, wir achten nicht auf das, was wäre, doch manche nacht fällt harsch und kühl. wir gehn dahin und schließen viele kreise und kehrn zurück und kehren wieder um. indes das letzte sichre ziel harrt stumm des pilgers, der gezeichnet von der reise. Elmar Vogel 1. Juni 2020
Welt der Gnade
Welt der Gnade, komm herbei, stille mein Verlangen. Böses wie auch Gutes sei liebevoll umfangen. Wandelbar ist alles dem, der fest auf dich vertraut, der, wenn harte Winde gehn, auf neue Sphären schaut. Darin harret alles Glück, in der Einsicht Stille, dass das ärgste Missgeschick, sich mit Sinn erfülle. Und wer sucht in Zuversicht, Geist und Sinn zu finden, das, woran es ihm gebricht, wie das Licht dem Blinden, wird nun sehend im Verstand, dass kein unnütz Treiben, und was hier noch unerkannt, kann es dort nicht bleiben. Seht, die Zeit steht stille nun, da der Grund gefunden. Dort wo alle Dinge ruhn, wird die Welt gesunden. 19. Juli 2020 Elmar Vogel
Zwei schwarze Schwäne
Rätselhafter Traum aus dem Jahr 1996
Zu meiner Rechten,
hoch am grauen Himmel fechten
im Flug zwei schwarze Schwäne.
Im Kampf die Hälse hart verschränkt,
gleich einem Wappentier verbunden –
vom Kampf geschunden und gekränkt.
Der eine löst sich, flieht zur mir auf festen Grund,
berührt den Weg, nimmt menschliche Gestalt an und
-in enger schwarzer Tracht und glänzendem Gewand-
hat mir den Rücken zugewandt,
setzt seinen Weg rasch fort –
der Weg, auf dem ich selber stehe.
Ich blicke ihm verwundert nach und sehe,
wie er am Rücken klaffend wund,
dort, wo der eine Flügel stand,
rinnt eine rote Träne.
Dresden am 3. Februar 2021
Im Zusammenhang mit der Coropandemie las ich 2021 einen Bericht über das Phänomen des schwarzen Schwanes. Ich erfuhr, dass man unter einem schwarzen Schwan ein unvorhersehbares Ereignis versteht, das über die Erwartungen an eine solche Situation hinausgeht und das potenziell schwerwiegende Folgen hat.
Angeregt von diesem konkreten Bezug inspirierte mich dieses Traumbild von 1996 zu dem obigen Gedicht und den beiden Illustrationen. Die Bilder wurden durch Midjourney generiert und teilweise mit Adobe Photoshop nachbearbeitet.
Schrödingers Katze
Als ich geboren wurde erwachte die Welt. Sie schließt ihre Augen mit mir. Jeder meiner Wimpernschläge eine Belichtung der Wirklichkeit. In der Dunkelkammer der Möglichkeiten schlummert, was das Licht nur enthüllt. Elmar Vogel am 27. März 2020
Black Hole
Weshalb könnt ihr sie nicht tragen? Alle Unvereinbarkeit werft auf mich in dunklen Tagen. Macht euch frei von allem Streit. Wer kann alles auf sich nehmen, ohne etwas preiszugeben: Allen Irrtum, alles Schämen, wer erweckt's zu neuem Leben? Weshalb setzt ihr eine Grenze, die der Kosmos doch nicht kennt? Seht der Sterne Kreiseltänze, um ein Zentrum, das verbrennt. Sein Gesetz ist die Verzehrung, steter Wandel sein Gebot. Selbst die finsterste Entbehrung wirft ein Licht auf Sturz und Tod. Abertausend Sonnenmassen speien in den Raum hinein. Doch das Auge kanns nicht fassen, unsichtbar sein Wiederschein. Engster Raum und dunkle Masse setzt den tiefsten Todespunkt. Dennoch schafft es eine Trasse, die hinausweist aus dem Schlund. Er, der alles lassen kann, der wird einst auch alles nehmen; und wer alles tragen kann, der wird alte Räume dehnen. Elmar Vogel am 23. März 2020
Baukunst – Lebenskunst
Den rauen Stein behauen sei unsre erste Pflicht. mit Lot und Winkel schauen, ob er dem Zweck entspricht. Der Zweck ist Harmonie, da fügt sich Stein an Stein. Denn es vermag nur sie, im Grossen ganz zu sein. Bleibt unbedacht der Zweck, ist alle Kunst vergebens. Denn fällt die Absicht weg, fällt auch der Bau des Lebens. Elmar Vogel Oktober 2019
Am offnen Fenster
Am offnen Fenster ging in kühler Abendstunde ein Frühlingshauch durch meine Kammer ein und aus. Betörend alle meine Sinne, brachte er stille Kunde und eine ungekannte Sehnsucht zog meine Seele weit in dunkle Feld und Flur hinaus. Elmar Vogel 10. Mai 2019
Einst
Wenn alle Sinne endlich ruhn und aller Tränenfluss versiegt, die Welt geeint wird in ein Nun und jeder Widerspruch besiegt, Wenn jeder Ruf nach Licht und Raum verhallt in einem Augenblick, wenn er zergeht wie Gischt und Schaum, wenn nur noch Hin und kein Zurück, Dann leg ich ab, was ich nicht bin und was ich bin, wird offenbar; Was ich nicht sein will, geht dahin und Unvergängliches wird klar. Wo jenes Licht, das in mich fällt, das mir die Maske offenbart, die ich stets trage vor der Welt, wo es mich trifft im Herzen hart, Wo es erleuchtet meinen Sinn, der dunkel, eitel und blasiert, wo mir bewusst wird, was ich bin, wenn sich das Scheinbare verliert, Dort leg ich ab, was ich nicht bin was zeitlich ist und arm und schwach; Was ich nicht sein will, geht dahin und was im Schlummer lag wird wach. Elmar Vogel 8. April 2020
Ein neuer Ablass
Ein neuer, starker Ablass muss jetzt her, denn seht, es geht um Tod und Leben! Und fegte er auch alle Kassen leer; Es darf nur eine Meinung geben! Die ist jetzt Dogma, heiliges Gesetz, ein Ketzer, wer es wagt zu zweifeln! Seht hin, das Heil liegt überall im Netz, es wird euch retten vor den Teufeln, - jenen, die so dreist und frech es wagen, laut ihre Stimmen zu erheben, die nicht nach starkem Ablass fragen, gefährden sie doch Leib und Leben. 13. Juli 2020 Elmar Vogel
Das alte Dogma
Die alten, ausgedienten Religionen,
sie haben wieder hohe Konjunktur
und wieder knechten sie akut Millionen
auf ihre alte Zwang- und Regeltour:
Wir fordern die totale Proskynese
denn unser Wort ist heiliges Gesetz,
und wir verdammen jede andre These
und strafen jeden der sich widersetzt.
So, wie du geschaffen wurdest bist du schlecht,
musst verändert und berichtigt werden.
Bist du berichtigt, so bist du auch gerecht
darfst wieder weiterziehen mit den Herden.
Doch dies auch nur für eine kurze Weile;
in deinem Innern lauert die Gefahr.
Damit dich das Verderben nicht ereile,
prüfen wir täglich dich – das sei dir klar!
Wir fordern regelmäßig deinen Zehnten,
und zollst du nicht Tribut dem hohen Haus
dann zähln wir dich zur Rotte der Verfehmten,
wir setzen Häme, Hohn und Spott dich aus.
Was stellst du unser hehres Tun in Frage?
Was zweifelst du an unsrer Kompetenz?
Was führst du gegen deine Richter Klage?
Hör auf zu folgen eigner Logik und Stringenz!
Gibs auf, dir selbst ein Bild zu machen;
die Deutungshoheit liegt allein bei uns!
Wir werden über jede Meinung wachen,
sind Hüter allen Lassens oder Tuns.
Nichts Böses, sagst du, hättest du begangen,
das der Bestrafung wert, die dir jetzt droht?
Wie bist du doch in Unkenntnis befangen,
du ignoranter, schädlicher Exot.
Du bleibst für immer schuldig – von Kindheit an,
bist krank und kannst gesunden nicht allein.
Kein Gott hilft dir und auch kein Glaube dran,
denn wir erlösen jetzt von Not und Pein.
Elmar Vogel 4. April 2021
Herbstmelancholie
In stummen Schauern gehen Blätter nieder, ein federleichter Fall bringt sie zur Erde sacht, und Baum um Baum reckt unbedeckte Glieder empor zum Himmel, in die sternenklare Nacht. Fern fallen die Gestirne - in weiten Räumen verlischt ihr Glanz im Abgrund dunkler Tiefen dort. Das Höchste und das Tiefste will uns träumen, ihr Raunen ist dem Schlummernden ein sanftes Wort. Im dunklen Abgrund wie in höchster Sphäre liegt der Sinn des Wortes, das einst unerkannt gesagt, dass Wind das tote Blatt im Fallen sanft noch wiegt und, dass erstrahlen wird, was ganz zu fallen wagt.
Elmar Vogel am 30. September 2020