Projekt in Arbeit

Liebe Leser/innen,

Diese kurz gehaltene Lektüre ist der Versuch, einen Gesamteindruck über die Inhalte der christlichen Lehre zu vermitteln, so dass Sie diese auch anderen Menschen erklären können. Selbstverständlich kann und will diese Unterweisung nicht die Lektüre der Bibel ersetzen. Doch um das Interesse der Leser/innen an der Bibel zu wecken finden sich bei allen Zitaten die biblischen Textverweise. Wenn Sie eine Bibel zur Hand nehmen, können Sie die betreffenden Texte selbst nachlesen. Falls Sie mit dem Internet vertraut sind, können Sie natürlich auch auf eine Vielzahl von Onlinebibeln im Netz zugreifen, die in den meisten Fällen auch über eine eigene Suchfunktion verfügen.

Bei der Menge und Vielfalt der bereits erschienen Bücher zu diesem Thema, scheint ein weiteres Buch über die Lehre Jesu eigentlich überflüssig. Ich selbst habe aber bisher kein Buch auf dem Markt gefunden, das die Botschaft Jesu kurz und bündig zusammenfasst. Natürlich ist mir klar, dass die christlichen Konfessionen ihren Mitgliedern schon von Kind an die Grundlagen ihres Glaubens vermitteln und sie auch entsprechend unterrichten. Umso befremdlicher empfinde ich es daher, dass trotzdem bei den meisten Laien eine große Sprachlosigkeit herrscht. Nicht selten höre ich Äußerungen wie: „Ich bin zwar Christ, aber wenn ich jetzt einem Nichtchristen oder Andersgläubigen den Glauben erklären sollte, müsste ich passen.“ Was mir in diesem Zusammenhang auch immer wieder auffällt ist, dass selbst aktive Mitglieder christlicher Kirchen die biblischen Inhalte der Botschaft Jesu nur wenig kennen. Dafür sind sie meist sehr gut geschult in den besonderen Riten und Gebräuchen ihrer jeweiligen Konfession – Regularien, die man wiederum in der Bibel vergeblich sucht, was zusätzlich zu einer großen Verwirrung beiträgt.  Daher war es mir ein Bedürfnis, wirklich nur die ursprünglichen Inhalte der Botschaft Jesu – wie sie in den biblischen Texten überliefert sind – kurz und knapp zusammenzufassen und allgemeinverständlich zu erklären.

Die Gliederung dieses Buches ist so aufgebaut, dass immer nur ein einzelner Punkt der christlichen Lehre behandelt wird, doch die Leser/innen werden schnell bemerken, dass diese einzelnen Punkte eigentlich nicht voneinander getrennt sind – eher könnte man sie als verschiedene Facetten ein- und desselben Gegenstandes betrachten. Die Leser/innen sollen sich also nicht wundern, wenn ein bestimmter Punkt immer auch andere Punkte berührt. Je unvoreingenommener und vorurteilsfreier man die einzelnen Erklärungen   auf sich wirken lässt, desto mehr wird man die großen Zusammenhänge erfassen und den universellen Anspruch der Lehre Jesu erkennen.

1. Frage:  Wer oder was ist Gott?

Gott ist Geist (Textstelle)

So einfach bringt es Jesus auf den Punkt – das ist seine Erklärung, als er von einer heidnischen Frau gefragt wurde, an welchem Ort der Welt man Gott gedanklich erreichen kann und ob es richtige  oder falsche Orte der Anbetung Gottes gebe?  Auf diese Frage antwortet Jesus also zunächst mit einer Erklärung über das Wesen Gottes. Der Ort, den er dann benennt, ist jedoch kein  geografischer. Jesus benennt also keine Stadt, keinen Berg, keinen Platz und auch kein bestimmtes Gotteshaus, sondern der „Ort“ auf den er verweist, ist eine bestimmte innere Verfassung, ein innerer Zustand, und dieser Zustand wiederum ist identisch mit Gott selbst. Das mag kompliziert klingen, ist es aber nicht. Jesus verdeutlicht: Gott ist Geist, und ein Austausch mit Gott wird nur dort möglich sein, wo wir den geistigen Belangen in uns einen Raum geben. Aber was genau heißt das? Es heißt konkret, innerliche Aufrichtigkeit zu üben, sich selbst gegenüber ehrlich zu sein, sich selbst nichts vorzumachen,  frei zu sein von Selbstbetrug – sich so zu sehen, wie man in Wahrheit ist, mit allen Schwächen und Unzulänglichkeiten, die dieses Menschsein mit sich bringt. Weshalb dieser Zustand grundlegend und notwendig ist, dazu mehr im nächsten Punkt. Selbstverständlich gibt es noch viele weitere Vergleiche, die Jesus für den Begriff Gott verwendet. Aber alle weiteren Begriffe sind „greifbare“ Bilder und Metaphern aus dem Umfeld des Menschen: Vater, Hausherr, Gutsherr, König, reicher Kaufmann, Richter etc. Das heißt, alle diese anderen Bilder sind Gleichnisse und dienen gewissermaßen als Hilfsmittel. Der Begriff Geist jedoch  ist frei von Bildern. Die Erklärung Jesu, dass Gott Geist ist, besagt noch etwas sehr Wesentliches. Sie besagt, dass Gott und Mensch nicht voneinander getrennt betrachtet werden können. Der Mensch kann seine geistige Zugehörigkeit ebenso wenig leugnen, wie Gott seine Zugehörigkeit zum Menschen. Unsere enge Verbindung mit dem Geist ist daran erkennbar, dass eine geistige Kraft in uns Menschen wirkt – eine unsichtbare Kraft, die den eigentlichen und wesentlichen Teil unseres Menschseins ausmacht. Der Geist ist es, der uns jene Eigenschaft verleiht, die uns grundlegend von allen anderen Lebewesen unterscheidet. Man denke in diesem Zusammenhang an sämtliche Erfindungen und Kreationen. Sie zeugen davon, dass der Mensch im Einfluss des Geistes steht und sich deshalb seine eigene, völlig neue Welt erschafft, eine Welt, die ihm die Natur nicht vorgegeben hat. Denn als Träger des Geistes begnügen wir uns nicht mit dem, was die sichtbare Natur uns vorgibt. Insofern ist unsere geistige Regung kein Produkt der irdischen Natur. Der Geist eröffnet uns die Welt der Ideen und Visionen. Er weist über die alte Natur hinaus, und ist somit übernatürlich. Die Auswirkungen, die der Geist auf unsere Welt und unser menschliches Leben hat, sind unübersehbar: Sprache, Philosophie, Musik, Kunst, Kultur, Religion, Technik, Wissenschaft und auch die Auseinandersetzung mit den Kategorien von Gut und Böse, Recht und Unrecht, Gewalt, Hass, Krieg, Zerstörung, Unmenschlichkeit etc. Alle diese Erscheinungen weisen uns als Geschöpfe aus, die im Einfluss des Geistes stehen. Doch allein mit diesem Umstand ist noch kein Segen verbunden. Jesus Christus ist in die Welt gekommen, um aufzuzeigen, wie wir uns des Geistes bedienen sollen, um ihm (dem Geist) und damit uns selbst gerecht zu werden.  Sein Anliegen war es, dieses Leben auf geistige Weise, grundlegend neu zu verstehen, um es im Sinne des Geistes zu meistern und das heißt, um es zu überwinden. Das Leben meistern meint, seinem Wesen  zu entsprechen, es zu erfüllen und seinen eigentlichen Wert zu erkennen. Und das wiederum geschieht durch Annahme der Geisteshaltung Jesu.

Die Geisteshaltung Jesu annehmen bedeutet, dieses Leben so zu leben, wie Jesus es in seinen Lehren verdeutlicht und selbst vorgelebt hat. Indem wir die Geisteshaltung Jesu annehmen, bricht der Geist gewissermaßen zu seiner ureigenen Kraft durch, die Gott selbst ist. Er wird nun zu einem heiligen Geist – einem Geist, der in der Lage ist, diese Welt durch tiefes Vertrauen grundlegend zu verstehen und gedanklich zu durchdringen. Das Leben im Sinne Jesu neu zu verstehen bedeutet, dass tatsächlich alle Geschehnisse eine tiefe Bedeutung erfahren können – insbesondere die ungerechten, die schmerzlichen und die beschwerlichen. In Gott werden alle Dinge eins. Oder wie es der jüdische Philosoph Spinoza  formulierte:

„Jede Erscheinung beweist ihre Notwendigkeit durch ihr Dasein.“

Von der Ohnmacht zur Allmacht Gottes.

Ein wesentlicher und zentraler Inhalt der Botschaft Jesu betrifft den Umgang mit Unrecht und Leid, mit persönlichem Versagen, Scheitern,  Krankheit und Tod. Ich nenne diese Bereiche der Einfachheit halber: Das Schicksalhafte. Wie können wir uns gegenüber dem Schicksalhaften verhalten, ohne daran zu zerbrechen? Welche innere Haltung können wir einnehmen, und welche schlüssige Antwort kann es auf diese Frage überhaupt geben?  Wie können wir uns verhalten im Hinblick auf jene Lebensbereiche, denen wir ohnmächtig gegenüber stehen? Eine Antwort auf diese Frage gibt Jesus nicht allein durch das, was er den Menschen sagte, sondern er vermittelt sie ganz konkret, in einer kompromisslosen Hingabe seiner eigenen Person an das Schicksalhafte.  Seine Antwort auf die oben gestellte Frage gibt er  durch seine eigene Haltung gegenüber der Anfeindung, die er von seinen Feinden erfuhr, den Nachstellungen, den Verleumdungen, der Anklage, der Verurteilung und schließlich seiner Hinrichtung am Kreuz.  Diese Haltung ist seine Antwort, und sie ist bezeichnend für seine ganze Lehre. Dabei war die Art und Weise, in der er seine Lehre vermittelte, einzigartig, da sie nicht ohne die Aufopferung der eigenen Person möglich war.

An dieser Stelle sei eines vorausgeschickt: Es geht in der Lehre Jesu nicht um ein juristisches Konzept, nach dem das Zusammenleben einer Gesellschaft auf eine besondere Weise geregelt werden könnte oder sollte. Auch wenn Jesus mit der Aufforderung „Ihr sollt …“ die Menschen oft kollektiv anspricht, so ist sein Anspruch doch stets ein höchst persönlicher und gänzlich individueller. Sein Gleichnis von der engen Pforte, durch die sich jeder einzeln hindurch ringen muss, bringt dies bildhaft zum Ausdruck.

Kommen wir nun zur Antwort, die Jesus auf die oben gestellte Frage gibt: Ein grundlegender Gedanke seiner Botschaft besagt, dass alle Geschehnisse, insbesondere die für uns sinnlosen, beschwerlichen und leidvollen, einen tiefen Sinn erfahren können – und dies auch im Nachhinein. Im Grunde genommen, liegt dieser Sinn bereits in allen Geschehnissen verborgen. Aber er kann sich uns nur dort erschließen, wo wir bereit sind, ihn überhaupt für möglich und denkbar zu halten. Sehen wir uns hierzu in der Lage, so stehen wir bereits in der Gnade Gottes, dann sind wir Gottes privilegierte Kinder, denn wir vertrauen blind wie Kinder ihren Eltern.

Solange wir einen Sinn in einer bestimmten Situation nicht erkennen können oder wollen, bleibt er verborgen darin, um von uns gesucht und gefunden zu werden. Ja, Gott ist nicht nur der Sinn, sondern er ist auch der Unsinn der Welt oder, anders ausgedrückt, Gott ist Geist, und seinem Wesen entspricht es, alles Geistlose mit Geist zu erfüllen, wodurch das Sinnlose überwunden wird.

Die alten biblischen Formulierungen, „Gott verbirgt sein Angesicht“, „Gott wendet sich ab“ oder „Gott ist zornig“,  beziehen sich nicht etwa auf eine vermeintliche Unwilligkeit Gottes, sondern sie sind vielmehr ein Ausdruck der Unwilligkeit des Menschen. Die Kunst des Lebens besteht im Sinne Jesu darin, Gott gerade dort zu suchen, wo uns seine Anwesenheit abwegig erscheint, denn Gott ist alles in allem. Wäre er das nicht, so würden wir dem Begriff „Gott“ nicht gerecht werden. Wo wir Gottes Anwesenheit für unmöglich halten, da sind wir selbst es, die sein Wirken ausschließen. Der Ausschluss Gottes durch den Menschen ist jedoch eine Illusion – Illusion  wiederum ist die Ursache unserer Täuschung. Werden wir hingegen bereit, Gott im Schicksalhaften zu suchen, so tragen wir damit Sinn ins Sinnlose, tragen wir Geist ins Geistlose. Und indem wir dies tun, entfaltet der Geist seine höchste Kraft in uns, die es vermag, die Welt grundlegend zu verwandeln.  Die Überwindung der Welt beruht auf dem Verständnis, dass alles einstmals  Sinnlose, das von Sinn erfüllt wurde, eben dadurch gut wird. So wie Jesus seiner schicksalhaften Niederlage am Kreuz eine fundamentale Bedeutung beimaß, so fordert er auch uns auf, in allem Schicksalhaften das uns widerfährt, die tiefere Bedeutung zu suchen, die Gott selbst ist.  Dieser Gedanke bildet das Fundament der Botschaft Jesu. Indem wir die Haltung Jesu annehmen, wird menschliche Ohnmacht zu göttlicher Allmacht.

Durch zuversichtliches Suchen nach der tieferen Bedeutung  der menschlichen Schwächen und der Unzulänglichkeiten dieses Daseins  – eigener wie fremder – erhalten die Worte des Auferstandenen ihre tiefe Bedeutung, denn wer das Leid der Welt durch Sinnfindung überwunden hat, kann berechtigter Weise von sich sagen: „Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde“. Mt 28,19

Schuld und Vergebung

So wie menschliches Leid in der Geisteshaltung Jesu überwunden ist,  wird auch alle Schuld  verwandelt. Verwandelt wird unsere Schuld, indem sie auf  Gott als den Urheber aller Geschehnisse zurückgeworfen wird.  Denn alle Dinge, als dessen Urheber wir Gott erkennen, haben eben dadurch aufgehört schlecht zu sein.

Den Weg, wie dies möglich wird, hat Jesus Christus gewiesen, und er ist ihn selbst gegangen, indem er seinen Feinden sterbend am Kreuz vergab. Wenn wir in gleicher Weise vergeben wie er und das bedeutet, dass wir im Ungenügen und in der Ungerechtigkeit dieser Welt Gott als Urheber erkennen, so liegt darin der Schlüssel für unsere Vollkommenheit. Zur Verdeutlichung dieses Gedankens eine Textpassage aus dem Matthäusevangelium:

„Ihr wisst, dass es heißt: Liebe deinen Mitmenschen; hasse deinen Feind. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für alle, die euch verfolgen. So erweist ihr euch als Kinder eures Vaters im Himmel. Denn er lässt seine Sonne scheinen auf böse Menschen wie auf gute, und er lässt es regnen auf alle, ob sie ihn ehren oder verachten. Wie könnt ihr von Gott eine Belohnung erwarten, wenn ihr nur die liebt, die euch ebenfalls lieben? Das tun auch die Betrüger! Was ist denn schon Besonderes daran, wenn ihr nur zu euresgleichen freundlich seid? Das tun auch die, die Gott nicht kennen! Nein, wie die Liebe eures Vaters im Himmel, so soll auch eure Liebe  sein: vollkommen und ungeteilt.“

Dass Gott uns unsere Schuld vergibt, muss nach den Worten Jesu als Folge unserer eigenen Großzügigkeit verstanden werden. Das heißt, die Art und Weise, wie wir mit der Schuld unserer Mitmenschen umgehen, macht uns der Vergebung fähig oder unfähig.  Solange wir selbst Vergeltung fordern, werden wir auch mit Vergeltung konfrontiert. Somit kann immer nur das “Instrument”, das wir selbst gewählt haben, um Gerechtigkeit herzustellen, auch auf uns selbst gerichtet werden. In der Lehre Jesu geht es darum, von jeglichen Gedanken der Rache oder Vergeltung frei zu werden. Sind wir so in unserem Innersten frei geworden von Vergeltung, wird uns auch Gott nicht mit Vergeltung begegnen.

Nun werden hier einige einwenden, dass es doch allein das Opfer Jesu ist dass die die Vergebung vor Gott bewirkt und zwar ganz unabhängig von uns.             


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