Geburt aus Wasser und Geist

Unser Leben in dieser Welt gleicht einem Sinnbild des Untergangs im luftlosen, geistlosen Element, dem Wasser. Die Sehnsucht nach Geist treibt uns nach oben. Man muss hinauf gelangen, die Oberfläche durchbrechen, um neuen Atem – um Geist zu schöpfen.

Durch vertrauensvolles Eintauchen in das Spannungsfeld der Dualität dieser Welt geschieht unsere neue Geburt aus Wasser und Geist

Die tiefsinnigsten Reden Jesu finden sich zweifellos im Johannesevangelium. Eine davon in Form eines Zwiegesprächs, das Jesus dort mit dem jüdischen Geistlichen Nikodemus führt, einem Pharisäer. Nikodemus war offensichtlich ein heimlicher Bewunderer Jesu, doch öffentlich zu ihm bekennen wollte er sich nicht. Nikodemus kommt wohl aus diesem Grund in der Dunkelheit der Nacht zu Jesus und sucht das Gespräch mit ihm. Doch Jesus gibt sich distanziert. Auf die Äußerungen und Fragen des Geistlichen antwortete er ausschließlich in Sinnbildern, die um das Thema Geburt aus Wasser und Geist kreisen. Die Antworten, die Nikodemus sich von Jesus erhoffte, erhält er definitiv nicht und bleibt am Ende verwirrt zurück.

Ein Wort vorab

Im Folgenden werde ich auf den Sinngehalt der Antworten Jesu eingehen. Dazu gebe ich den Text aus dem Johannesevangelium abschnittsweise wieder. Nach jedem Abschnitt folgt zunächst ein kurzer Hinweis auf Besonderheiten zum Urtext und danach die entsprechende Auslegung.
Vorab sei noch darauf hingewiesen, dass der Symbolgehalt von Sinnbildern nie vollkommen und endgültig ausgeschöpft werden kann, da sie immer einen Bedeutungsüberschuss aufweisen. Dies betrifft im besonderen Maße sämtliche Sinnbilder und Gleichnisse, die Jesus verwendete, und das ist beabsichtigt. Seine Bilder und Gleichnisse sind gewissermaßen „Zeitkapseln“, die seine Botschaft unverändert durch die Zeiten hindurch transportieren. Durch jede, auf das jeweilige Zeitgeschehen bezugnehmende Interpretation, erwachen diese Sinnbilder zu neuem Leben und eröffnen uns ein Stück weit die zeitlosen Inhalte der Botschaft Jesu. 

„Ein Pharisäer namens Nikodemus, der zur jüdischen Führungsschicht gehörte, kam eines Nachts zu Jesus und bekannte: „Rabbi, wir wissen, dass du ein Lehrer bist, der von Gott kommt. Denn wer solche Wunder wirkt wie du, der muss schon mit Gott zu tun haben.
“Jesus antwortete: „Amen, amen, ich sage dir: Nur einer der noch einmal von oben her geboren wird, kann Gottes Reich sehen.“

Johannes 3, 1-3

Hinweis zum Urtext:
Das griechische Adverb ἄνωθεν, ánothen  (“von neuem”) fasst Nikodemus nicht als “von oben her” auf, obwohl das dem Wort nach möglich wäre, sondern er versteht es als erneute bzw. nochmalige Geburt, wie der nachfolgende Vers deutlich macht, da Nikodemus von der erneuten Rückkehr eines Menschen in den Mutterleib spricht. Aufgrund dieser Mehrdeutigkeit habe ich das Adverb im Text nach seinem doppelten Sinn wiedergegeben.

Vordergründiges und hintergründiges Sehen

Die Erklärung Jesu auf das freimütige Bekenntnis des Nikodemus wirkt im ersten Moment deplatziert, da dieser ihn ja gar nicht nach dem Reich Gottes gefragt hatte, doch das ist sie nicht. Nikodemus erklärt Jesus, man würde ihn wegen seiner Wunder, die er in der Öffentlichkeit wirkt, als von Gott gesandt anerkennen. Doch Jesus gibt ihm zu verstehen, dass das, was er gesehen hat (nämlich die Wunder), nicht das ist, was er gekommen ist offenbar zu machen. Er sei gekommen, um das Reich Gottes auf Erden sichtbar zu machen. Die Heilungen sind äußerliche Zeichen. Wer die Mission Jesu am äußerlich Sichtbaren festmacht, bleibt blind für das Eigentliche und hintergründige seiner Mission, das in seiner Botschaft vom Reich Gottes liegt. Insofern ist die Antwort Jesu auch Ausdruck einer gewissen Enttäuschung darüber, dass Nikodemus sein Bekenntnis an äußeren Erscheinungen festmacht – dass ein führender geistlicher Lehrer sich mehr von Wundertaten, als von den Worten seiner Lehre beeindruckt zeigt. Jesus war gekommen, eine Botschaft zu vermitteln, durch die der Mensch ein geistig Sehender wird, um das Reich Gottes in allen Geschehnissen sehen zu können. Die Enttäuschung darüber, dass die Aufmerksamkeit der Menschen auf das Vordergründige fixiert ist, bringt Jesus aber auch gegenüber seinen Jüngern unmissverständlich zum Ausdruck:

“Habt ihr denn keine Augen, um zu sehen und keine Ohren, um zu hören?“  Markus 8, 18

Daraufhin fragte Nikodemus: „Und wie kann jemand geboren werden, wenn er schon älter ist? Kann er etwa wieder in den Mutterleib zurückkehren und noch einmal geboren werden?“
Jesus antwortete: „Amen, amen, ich sage dir: Nur wer aus Wasser und Geist geboren wird, kann in das Reich Gottes hineingelangen. Fleischgeborene bringen Fleischgeborene hervor und Geist gebiert Geist. Sei nicht verwundert darüber, dass ich dir gesagt habe, ihr müsst von neuem geboren werden. Der Wind weht, wo er will, und du hörst sein Rauschen, aber du weißt nicht, woher er kommt und wo er hingeht. So ergeht es jedem, der aus dem Geist geboren ist. Nikodemus antwortete und sagte zu ihm: Wie ist so etwas möglich? 

Jesus antwortete und sprach zu ihm: Du bist der Lehrer des Volkes Israel und weißt das nicht? Amen, amen ich sage dir: Was (Johannes) der Täufer und ich wissen, das verkünden wir, und wir bezeugen, was wir geschaut haben. Ihr aber wollt unser Zeugnis nicht hören. Wenn ihr schon nicht glaubt, was ich über Irdisches sage, wieviel weniger werden ihr dann glauben, wenn ich euch vom Himmel sage.

Johannes 3, 4-12

Hinweis zum Urtext:
Das griechische Wort für “Geist” und “Wind” ist identisch: πνεῦμα, pneuma. Ebenso auch das hebräische und aramäische Wort רוח ruach bzw. ruch, das neben Wind auch Atem oder Hauch bedeuten kann. Der Begriff „Heiliger Geist“ beispielsweise, kann im Hebräischen auch als „Heiliger Atem“ oder „Atem Gottes“ gelesen werden.

Menschliche und göttliche Geburt

Auf die Frage von Nikodemus, was es mit dieser neuen Geburt von oben auf sich hat und ob der Begriff Geburt hier im wörtlichen Sinne zu verstehen sei, erklärt Jesus zunächst, welche Voraussetzung erfüllt sein muss, um in das Reich Gottes gelangen zu können. Damit lenkt er die Aufmerksamkeit von Nikodemus nochmals vom vordergründigen auf das hintergründige Geschehen um das Reich Gottes. Danach folgt der Hinweis Jesu auf zweierlei Geburten, unterschiedlicher Art, nämlich einer fleischlichen und einer geistigen.

Doch wenden wir uns zunächst der Bedingung zu, die Jesus nennt, ohne die kein Eingang in das Reich Gottes möglich ist – der Geburt aus Wasser und Geist. Bedenkt man allein die Mehrdeutigkeit und die Bedeutungsvielfalt des Begriffs Geist im Urtext, so drängt sich ein Sinngehalt sofort auf, und dieser liegt in der Gegensätzlichkeit der beiden Begriffe:

Auf der einen Seite ist da der Geist als Element der Luft, des Windes, des Atems und auf der anderen Seite das Wasser, als das geistlose bzw. das luftlose Element. Zugleich ist aber der Wind (Geist) auch ein Element des Himmels – der Höhe, das von oben kommt und dort wirkt. Sein Gegensatz ist das Wasser, das niedere, irdische und dunkle Element, das mit dem Abgründigen, also mit dem Begriff der Tiefe in Verbindung gebracht wird. Damit lässt sich nicht von ungefähr eine direkte Parallele zum alttestamentlichen Schöpfungsmythos ziehen, wo es heißt:

Und die Erde war wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser. 1. Mose 1,2

Vom Wesen der Geistgeborenen

Die erneute Geburt, von der Jesus hier spricht, beschreibt insofern einen neuen Schöpfungsakt. Es geht um die Geburt neuer Geschöpfe, die in eine neue Welt hineingeboren werden, nämlich in das Reich Gottes. Aus dem Element Wasser sind alle Menschen bereits geboren, entsprechend ihres fleischlichen Ursprungs von “unten”. Doch auch das Potential der hohen, geistigen Geburt ist in allen Menschen angelegt, die bereits „hören“, dass etwas Hintergründiges in dieser Welt vor sich geht. Diese Menschen sind jene, die „Ohren haben, um zu hören.“ Jesus verdeutlicht dieses Phänomen in dem Satz:

Der Wind weht, wo er will, und du hörst sein Rauschen, aber du weißt nicht, woher er kommt und wo er hingeht. So ergeht es jedem, der aus dem Geist geboren ist.“

Was heißt das?  Es besagt, dass all jene aus dem Geist Geborene sind, die nach dem Woher und dem Wohin des menschlichen Daseins fragen und suchen, die innerlich von der Frage bewegt werden; woher kommen wir, und wohin gehen wir? Diese Menschen sind es, die das Raunen des Geistes schon vernehmen, aber es nicht deuten können. Wegen dieser Menschen ist Jesus gekommen, um ihnen den Weg in das Reich Gottes zu weisen. Denn Christus ist jener, der von sich sagen kann:

Ich weiß, woher ich gekommen bin und wohin ich gehe; ihr aber wisst nicht, woher ich komme und wohin ich gehe.“ Johannes 8,14

Hier sind die beiden Beschaffenheiten, die notwendig sind und die uns fähig machen, in das Reich Gottes zu gelangen. Doch damit ist die Deutung der Sinnbilder „Wasser und Geist“ keineswegs ausgeschöpft. Bisher haben wir beide Sinnbilder getrennt betrachtet und gedeutet.  Von viel  grundlegenderer Bedeutung ist aber ihre Bedingtheit und Abhängigkeit zu einander. Jesus sagt ja nicht, dass man zuerst aus Wasser und danach aus Geist geboren werden müsse, um in das Reich Gottes zu gelangen, sondern er sagt:

Nur wer aus Wasser und Geist geboren wird, kann in das Reich Gottes gelangen.“

Das Sinnbild der Geburt

Um den tiefen Sinn, der in dieser Metaphorik liegt, zu verstehen, müssen wir uns zunächst dem Sinnbild der Geburt zuwenden und es deuten, damit sich uns die Bedeutung der Gegensätzlichkeit der Begriffe, Wasser und Geist erschließt. Was also ist in diesem Zusammenhang bezeichnend für den Vorgang der Geburt? Geburt ist ein schmerzvoller Akt und steht damit auch für einen Zustand der Ausweglosigkeit, der, wenn er zu einem guten Ende kommen soll, nur einen Ausgang kennt, nämlich das Geborenwerden eines neuen Menschen. Geburt wird von dem, der geboren werden muss, als lebensbedrohliche Einengung empfunden, wie es die sinkende Herzfrequenz des Kindes während einer Wehe bezeugt. Jesus verwendet eben dieses Sinnbild von der Geburt als beängstigenden und schmerzvollen Vorgang noch einmal an einer anderen Stelle:

„Wenn eine Frau gebiert, so hat sie Traurigkeit, weil ihre Stunde gekommen ist; wenn sie aber das Kind geboren hat, denkt sie nicht mehr an die Angst, um der Freude willen, dass ein Mensch in die Welt geboren ist.“  Johannes 16, 21

Aus der Dualität zur Einheit des Geistes

Das Leben in dieser Welt gleicht einem Sinnbild des Untergangs im luftlosen, geistlosen Element, dem Wasser. Die Sehnsucht nach Geist treibt uns nach oben. Man muss hinauf gelangen, die Oberfläche durchbrechen, um neuen Atem – um Geist zu schöpfen. Was heißt das? Im Spannungsfeld der Dualität dieser Welt geschieht jene neue Geburt aus Wasser und Geist, und in diesem Sinne müssen wir von neuem, d. h. von oben geboren werden. Unten im Alten, Vergänglichen ist für uns Geistgeborene kein Raum mehr. Für uns ist das Alte bereits vergangen, weil es als vergänglich erkannt wurde und aus geistiger Sicht nicht mehr erhaltbar ist. Das Neue, Unvergängliche und Zeitlose ist noch nicht offenbar, aber wir wissen darum und indem wir auf die Macht des Geistes vertrauen, werden wir aus den Tiefen des Wassers nach oben gezogen. Doch der Weg dorthin ist bedrohlich, beängstigend und nimmt uns den Atem. Das bedeutet, jede Einengung, jede Beschwerlichkeit, die wir in dieser Welt erfahren gleicht einer Wehe, die uns in das Reich Gottes hinein gebären will.

Geburt aus Wasser und Geist

Jede Erfahrung und Konfrontation mit Krankheit, Hass, Ungerechtigkeit, Schwäche (eigener wie fremder), Leid und Tod, gleicht unserem Untergang in abgründigen Tiefen dunkler Wasser.

Das Wasser als ein Symbol des luft- und geistlosen Elements versinnbildlicht jede Erfahrung in dieser Welt, die uns geistlos, sinnlos, böse und bedeutungslos erscheint.
Doch der Geist verharrt nicht in diesem Zustand, er strebt nach oben zu sich selbst: Geist sucht seinesgleichen – Geist gebiert Geist. Die Sehnsucht nach dem Geist, nach dem Atem, zieht uns nach oben. Und jedes Mal, wenn wir die Oberfläche – das Oberflächliche – durchbrechen, schöpfen wir neuen Atem, den Geist Gottes, der uns erkennend und zu neuen Kreaturen macht. Jede Überwindung durch den Geist ist ein Hindurchdringen vom Tod zum Leben, im Geist der Botschaft Jesu. Jedes neue Auftauchen aus dem Wasser und Aufnehmen von Geist – ist eine Geburt aus Wasser und Geist.

Geburt aus Wasser und Geist, ist insofern kein einmaliger oder ultimativer Akt, sondern ein immer wieder erneutes Handeln in einer bestimmten Geisteshaltung. Jener Geisteshaltung, in der auch Jesus Christus seine eigene Passion auf sich genommen hat. Indem er sie im Vertrauen auf den Geist auf sich genommen hat, hat er sie bedeutsam gemacht. Denn allein der Geist vermag das Sinnlose mit Sinn zu erfüllen, wodurch es gewandelt und überwunden ist.

In der Welt habt ihr Angst, aber seid getröstet, denn ich habe die Welt überwunden.” Johannes 16, 33

Hörst du den Wind?

 Es liegt Geburt in dieser Welt,
 da alles Leben sich erneut.
 Der Wind weht wo es ihm gefällt,
 das Harte er gewiss zerstreut. 

Hörst du den Wind dort?
Vogelfrei  jagt er dahin,
trägt allen Staub fort,
was ziellos und ohne Sinn. 
   
 Es kommt und geht dahin der Wind 
 sein Ziel und Herkunft unbekannt.
 Ich selbst, ein unbekanntes Kind,
 bin doch mit ihm so eng verwandt.
   
 Spürst du den Wind nicht?
 unsichtbar rührt er die Welt.
 Seht wie der Turm bricht,
 Hohes schon bald niederfällt.
 
 Es bricht das Leben jetzt schon an
 für den, der zum Empfang bereit.
 Und wer die Zeichen deuten kann
 ist nun in Geist und Luft befreit. 
   
 Hörst du den Wind nun?
 Anhauch des ewigen Grunds.
 Ohne ein Zutun,
 weht auch der Geist über uns.

 Es kommt der Tod zu dir und mir,
 doch alles Sterben atmet Geist,
 und eines Tages werden wir
 erkennen, was nach oben weist.
   
 Kennst du den Wind jetzt? 
 Abbild der himmlischen Kunst. 
 Wer seine Kraft schätzt, 
 der steht auch in seiner Gunst. 
 
   
 © Elmar Vogel  21. 3. 2021                                 Text nach Johannes 3, 1-8
Hörst du den Wind (Audiodatei) Gitarre und Gesang Elmar Vogel – Altstimme Cosima Vogel

Hindurch zum Licht

Fürchte dich nicht.
Die Dunkelheit der Erde ist ein Bild,
myriadenfach bemüht den Geist zu kränken,
der allzu Hartes bricht – den schwachen Schild;  
bereit, sich selbst in dunkle Tiefen zu versenken
sich dort verloren gibt, um sich neu zu finden.
So gleicht das Streben aus der Erde Schoß
der Sehnsucht eines Blinden:
Hindurch zum Licht.

Elmar Vogel     5. Januar. 2022
Audiodatei: Hindurch zum Licht

Als Bethlehem im Dunkel lag

Als Bethlehem im Dunkel lag
und Hirten hielten stille Wacht,
da ward es plötzlich heller Tag;
ein Licht erstrahlt in tiefster Nacht.
Und Klarheit, hoch von oben her,
verklärt nun Trauer, Leid und Tod;
Was ungeliebt und hart und schwer
– notwendig wird nun alle Not.

Als Dunkelheit die Welt umfing
und Blindheit alle Augen schlug
als Gottes Sohn am Kreuzstab hing,
den er hinauf zum Richtplatz trug.
Da hat erhellt den dunklen Sinn,
der uns in Not und Angst gebracht,
sein Wort, das schon vor Anbeginn,
durchdrungen hat die finstre Nacht.

So hat der Sohn uns kundgetan,
wie alles Leben ewig währt,
nahm auf sich Tadel, Schuld und Scham,
hat neu zu sterben uns gelehrt.
So nehmt, in seinem Geist und Sinn,
das eigene Kreuz nun täglich auf,
Denn Gottes Sohn ist der Ichbin*,
der führt die Welt zum Licht hinauf.

So lasst uns ohne Sorgen sein,
und nehmen was uns zugedacht.
Es lässt der Sohn uns nicht allein,
hat uns gegeben seine Macht,
dass sterben wir in seinem Geist,
der über allen Zeiten steht
denn Christus der Gesalbte weist
den Ort, da Gottes Atem weht.

*2. Mose 3,14 bzw. Joh. 8,24

© Elmar Vogel 2. Dezember 2020 / 4. Vers 12. 12. 2022

Klaviereinspielung von Peter Kitzing

Notwendiges

In allem Scheitern liegt ein Sterben,
und jede Krankheit atmet Tod.
Doch alles irdische Verderben,
birgt auch die Wendung unsrer Not. 

Wenn als notwendig ich erachte,
auch meinen abgrundtiefsten Fall,
und so im bittren Elend schmachte,
durchmisst ein Ruf das Weltenall.

Denn was notwendig ist geworden,
durch mein Bejahen und Vertraun,
das hat nun aufgehört zu morden
und lässt mich neues Leben schaun.

In der Notwendigkeit der Dinge,
liegt auch der Wahrheit tiefster Grund,
den ich von Herzen hier besinge,
der immer neu zu jeder Stund.

Und in der Wahrheit liegt das Leben,
beschlossen in Notwendigkeit
Wer bittet, dem wird hier gegeben,
zu überwinden Zeit und Streit.

Elmar Vogel  19. Oktober 2020

Welt der Gnade

Welt der Gnade, komm herbei,
stille mein Verlangen.
Böses wie auch Gutes sei
liebevoll umfangen.

Wandelbar ist alles dem,
der fest auf dich vertraut,
der, wenn harte Winde gehn,
auf neue Sphären schaut.

Darin harret alles Glück,
in der Einsicht Stille,
dass das ärgste Missgeschick,
sich mit Sinn erfülle.

Und wer sucht in Zuversicht, 
Geist und Sinn zu finden,
das, woran es ihm gebricht,
wie das Licht dem Blinden,

wird nun sehend im Verstand,
dass kein unnütz Treiben,
und was hier noch unerkannt,
kann es dort nicht bleiben.

Seht, die Zeit steht stille nun,
da der Grund gefunden.
Dort wo alle Dinge ruhn,
wird die Welt gesunden.

19. Juli 2020 Elmar Vogel

Wie ein Baum

Wie ein Baum der seine Zeiten kennt,
will ich Blatt um Blatt beschreiben,
und was unerkannt mich von dir trennt,
will und kann in dir nicht bleiben.

Refrain:
Lass dein grünes Holz mir Zeichen sein
in den kalten, kahlen Zeiten,
bis mich neu erweckt der Sonne Schein,
und sich öffnen helle Weiten. 

Wie der Wind, der nicht zu fassen ist,
weht dein Geist mir ins Gemüte,
offenbart mir alle arge List,
die du deckst in deiner Güte. 

Refrain:
Lass dein grünes Holz mir Zeichen sein
in den kalten, kahlen Zeiten,
bis mich neu erweckt der Sonne Schein,
und sich öffnen helle Weiten. 

Komm und mach mich meiner selbst bewusst,
dass ich neu geboren werde
und die Pforten, die du auf mir tust,
offen stehen wenn ich sterbe. 

Refrain:
Lass dein grünes Holz mir Zeichen sein
in den kalten, kahlen Zeiten,
bis mich neu erweckt der Sonne Schein,
und sich öffnen helle Weiten. 

Wie die Erde alles Leben schafft,
mach auch mich zu gutem Lande,
damit aufersteht in deiner Kraft,
was hier fällt in Schimpf und Schande. 

Refrain:
Lass dein grünes Holz mir Zeichen sein
in den kalten, kahlen Zeiten,
bis mich neu erweckt der Sonne Schein,
und sich öffnen helle Weiten. 

Lass mich fallen in der Zuversicht,
dass solches Sterben Sinn erfährt.
Alles Dunkle strebt empor zum Licht,
das sich von der Sonne nährt. 

Refrain:
Lass dein grünes Holz mir Zeichen sein
in den kalten, kahlen Zeiten,
bis mich neu erweckt der Sonne Schein,
und sich öffnen helle Weiten.

Sinnsuche

Verlischt der Geist am Totenlager?
Vergeht der Sinn wenn er verloren?
Ich frage; wie wird Sinn geboren?
Bewirk‘ ich selber ihn, als Frager? 

Und gleicht die Antwort, die ich gebe,
wenn ich den Sinn zu finden glaube,
nicht einer einz‘gen süßen Traube,
die bald getrennt von ihrer Rebe, 

im Nu verkostet und zerronnen.
So scheint Bedeutung nur ersonnen,
für eine allzu kurze Weile. 

Lass Leid und Tod, die bitt‘ren Beeren,
doch jenen tiefen Sinn mich lehren,
der mich von allem Unsinn heile.

Elmar Vogel – Dresden 29. Januar 2021

ATMAN

Ich atme den Sinn deiner Worte,
wie salzgeschwängerte Luft,
die mir Bilder und Orte,
aus alter Erinnerung ruft.

Dort finde ich viele Sphären,
in sanfter, zarter Kontur,
die ihre Erfüllung begehren,
als grenzenlose Natur.

In unerklärlicher Schau,
harrt Kreatur und Welt,
bis klarer Morgentau,
in jede Einsicht fällt.

Dresden 19. April 2020 Elmar Vogel 

Transzendenz

Wenn alle Regung dieser Welt ein tiefer Sinn durchwebte
und wir die Gnade hätten, eben diesen Sinn zu fassen,
so würden Schicksal, Leid und Tod und alles je Gelebte
sich, in jenem neuen Licht betrachtet, wandeln lassen.

Wenn ein Gedanke nur, der jeder Schwerkraft widerstünde,
der Schweres heben könnte und allzu Leichtes fallen ließe,
das Herz zutiefst ergreifen könnte, dass es doch verstünde,
zu dulden, wenn sich höchster Sinn in Eigensinn ergieße.

So schüfe ganz alleine jene tiefe Zuversicht,
die bei uns stünde selbst in allergrößtem Ungemach,
den innren Frieden uns, an dem es dieser Welt gebricht
und selbst im Sterben, zöge uns doch alles Leben nach.

Elmar Vogel am 25. Januar 2020