Ungeliebtes

Wie oft ist man zutiefst enttäuscht von sich
und weiß mit dieser Einsicht wenig anzufangen.
So hält man solches Sinnen schlicht für ärgerlich
fühlt ausgeliefert sich dem Fragen und dem Bangen. 

Man kann die Fragen stellen oder nicht
und selbst das Bangen lässt sich ignorieren,
bis eines Tages etwas tief in uns zerbricht
aus Angst, das Unerkannte zu verlieren. 

Das ungeliebte, mangelhafte Leben,
das tief verborgen harrt in dunklen Räumen,
stirbt unversehens einfach mal soeben,
während wir andre, bessre Leben träumen. 

So unterschlägt man, dass das Ungeliebte,
das man bereit war einfach aufzugeben,
dereinst den Hochmut und den Stolz besiegte,
um unsre Unbestechlichkeit zu heben. 

Was sind wir unsrem Wesen nach denn nun?
Sind wir das Glatte, Schöne, Makellose?
Hängt unser Wert tatsächlich ab vom Tun,
von einer äuß‘ren Haltung oder Pose? 

Getäuschte sind wir und Beraubte,
und doch gewinnen wir uns dabei neu
Beständig spricht zu uns das Totgeglaubte
und trennt in uns die Früchte von der Spreu.

Dresden am 5. Februar 2024

Frühlingserwachen

Audiodatei: Frühlingserwachen
Du brichst den harten Frost, mit einer Geste tausend Händen gleich,
und doch ist, was du aufgebrochen dem Tode fremd und fern.
Was kläglich war und starr und alt, opfert dir willig die Gestalt,
wird vor dir gern im neuen Kleide wieder jung und schön und reich. 

Das Mangelhafte hast du als dein Element erwählt und nimmst in Acht,
was durch die Zeiten tief gezeichnet, was dem Verfall schon preisgegeben und verdorben. In deinem Schaffensrausch stehn Abfall, Dung und alles Todgeweihte dir zur Seite und was gestorben war, das schlummert bloß - durch deinen Ruf ist es erwacht. 

Voll Lust erhebt sich jede Stimme, die dein Mysterium jetzt schon leis erahnt,
und was im Schoß der Finsternis verborgen seine Wege bahnt, strebt unbeirrt hinauf zum Licht. Das Fremde und das Unbekannte zieht zu sich das Alte, das Triviale - das Niedre und Banale - verwirft es aber nicht, hebt es vielmehr empor und trinkt mit ihm aus einer Schale. 

Wo ist nun Schöpfer und wo ist Kreatur wenn beides nur gemeinsam wirken kann? Wenn Gleichklang dein Geheimnis und tiefster Abgrund dir nicht tief genug? Wenn alles was bisher verloren und verworfen und getadelt nun unverhofft geadelt, schön und klug dann ist dort Einheit nur und Treue und allerhöchster Rang.
 

Elmar Vogel /April 2019 

Jenseits des Sinnes

Was jenseits allen Sinnes,
darüber will ich sinnen,
zugunsten des Gewinnes,
der über allen Stimmen,
 
und über allem Raunen,
dem gilt, der wie ein Kind
das Dasein kann bestaunen:
Unfassbar wie der Wind. 

Scheint es uns nur zu streifen?
Sucht es uns auszublasen?
Wie möcht ich dich begreifen,
in Maß und Übermaßen.

Dann stünde alles offen,
und selbst was fest verriegelt
eröffnet‘ sich dem Hoffen,
wodurch es ward besiegelt,

schon lang vor allen Zeiten,
wo alles einst begann,
fernab von allem Streiten
steh ich in deinem Bann.

Dresden 16. Februar 2020

Audiodatei: Jenseits allen Sinnes

Der Träumende

Ich steige hinab in die Tiefen der Nacht
und suche das Licht auf dem Grunde der Zeit,
doch während ich suche, berühre ich sacht,
den Schlafenden, der mir zu folgen bereit.

Refrain:
Am Ziel sind wir dort, wo die Zeit stille steht,
wo das Gestern sich mit dem Morgen vereint,
wo ein Sturm durch die Klagen der Geister weht
und mit sich nimmt, was wir hier unten beweint. 

So steigen wir ab manchen finsteren Pfad,
das Licht in den Herzen, den schimmernden Schein,
und wenn sich ein einsamer Wanderer naht,
so teilen wir mit ihm das Brot und den Wein.

Am Ziel sind wir dort, wo die Zeit stille steht,
wo das Gestern sich mit dem Morgen vereint,
wo ein Sturm durch die Klagen der Geister weht
und mit sich nimmt, was wir hier unten beweint. 

Uns leuchtet das innere Auge den Weg, 
es schwindet das Dunkel nach Hochmitternacht.
Der Träumende findet den sicheren Steg,
so zögert er nicht, setzt den Fuß mit bedacht.

Am Ziel sind wir dort, wo die Zeit stille steht,
wo das Gestern sich mit dem Morgen vereint,
wo ein Sturm durch die Klagen der Geister weht
und mit sich nimmt, was wir hier unten beweint. 

Es ängstigt das Dunkel der Tiefe uns nicht,
wir schreiten hinab und durchdringen die Nacht,
wir schauen im Abgrund das eigne Gesicht,
den Spiegel der Seele, die göttliche Macht.

Am Ziel sind wir dort, wo die Zeit stille steht,
wo das Gestern sich mit dem Morgen vereint,
wo ein Sturm durch die Klagen der Geister weht
und mit sich nimmt, was wir hier unten beweint. 



Elmar Vogel 31. Juli 2022 und 4. Vers am 3. Oktober 2022

Audiodatei und Notenblatt: Download nur zum persönlichen Gebrauch:

Der Träumende

Unser täglich Brot

Die Bettler gehen unerkannt,
da keiner ihren Schritten folgen will.
Gemächlich gehen sie dahin und still,
wie in ein fernes, fremdes Land.

Ihr Hunger hat sie arm gemacht
und finden sie auch keinen Wohlstand je,
beharrlich folgen sie dem innren Weh,
das an die Seele rühret sacht.

Sie betteln um ein täglich Brot,
das frei von Gärung, unverfälscht und leicht,
ein Brot, das ganz dem edlen Geber gleicht,
der selbst es buk in höchster Not.

Tief im Verborgnen essen sie's;
geblendet wäre jedes Auge dort.
Hier ist des Geistes Stärke und sein Hort,
und wer dort isst, den hungert nie.

Wenn uns die Armut so befällt
und uns zu Bettlern macht und Kranken,
würden wir solchem Schicksal danken,
wenn es uns dazu auserwählt?

Elmar Vogel 3. Mai 2020
Audiodatei: Unser täglich Brot

Hörst du den Wind?

 Es liegt Geburt in dieser Welt,
 da alles Leben sich erneut.
 Der Wind weht wo es ihm gefällt,
 das Harte er gewiss zerstreut. 

Hörst du den Wind dort?
Vogelfrei  jagt er dahin,
trägt allen Staub fort,
was ziellos und ohne Sinn. 
   
 Es kommt und geht dahin der Wind 
 sein Ziel und Herkunft unbekannt.
 Ich selbst, ein unbekanntes Kind,
 bin doch mit ihm so eng verwandt.
   
 Spürst du den Wind nicht?
 unsichtbar rührt er die Welt.
 Seht wie der Turm bricht,
 Hohes schon bald niederfällt.
 
 Es bricht das Leben jetzt schon an
 für den, der zum Empfang bereit.
 Und wer die Zeichen deuten kann
 ist nun in Geist und Luft befreit. 
   
 Hörst du den Wind nun?
 Anhauch des ewigen Grunds.
 Ohne ein Zutun,
 weht auch der Geist über uns.

 Es kommt der Tod zu dir und mir,
 doch alles Sterben atmet Geist,
 und eines Tages werden wir
 erkennen, was nach oben weist.
   
 Kennst du den Wind jetzt? 
 Abbild der himmlischen Kunst. 
 Wer seine Kraft schätzt, 
 der steht auch in seiner Gunst. 
 
   
 © Elmar Vogel  21. 3. 2021                                 Text nach Johannes 3, 1-8
Hörst du den Wind (Audiodatei) Gitarre und Gesang Elmar Vogel – Altstimme Cosima Vogel

Hindurch zum Licht

Fürchte dich nicht.
Die Dunkelheit der Erde ist ein Bild,
myriadenfach bemüht den Geist zu kränken,
der allzu Hartes bricht – den schwachen Schild;  
bereit, sich selbst in dunkle Tiefen zu versenken,
der sich verloren gibt, um neu sich dort zu finden.
So gleicht das Streben aus der Erde Schoß
der Sehnsucht eines Blinden:
Hindurch zum Licht.

Elmar Vogel     5. Januar. 2022
Audiodatei: Hindurch zum Licht

Selbstreflexion

Ach, du unergründlich tiefer Brunnen, der mein Angesicht
auf der Wasserfläche spiegelt, die der Sonne Strahlen bricht.

Tief und dunkel scheint dein Wesen doch dein Wasser ist so klar,
steter Blick in deinen Spiegel, macht mein Antlitz offenbar.

Trinken möchte ich dein Wesen, ganz darinnen untergehn
voller Zuversicht versinken, und im Lichte auferstehn. 

Dresden 6. August 2021
Audiodatei: Selbstreflexion

Was bleibt

Der Tag zieht herauf und es dunkelt doch schon.
Die Felder sind weiß und die Frucht wiegt schwer.
Vage die Stunden der Ernte und Fron.
Schwarzes wird weiß und das Volle wird leer.

Refrain
Alles ist eitel und alles ist Wind,
doch was bleibt ist gewaltig und schwach
Im Schlafe liegt, was die Zeit mit sich nimmt
Nur das innere Auge bleibt wach.

Die Nacht bricht herein und ein Licht geht auf,
erfasst die Augen und Herzen zugleich.
Der Stern vollendet den himmlischen Lauf;
König wird Bettler, was arm ist wird reich.

Alles ist eitel und alles ist Wind,
doch was bleibt ist gewaltig und schwach
Im Schlafe liegt, was die Zeit mit sich nimmt
Nur das innere Auge bleibt wach.

Das Leben beginnt im Schoße der Nacht;
erneut geboren aus Wasser und Geist.
Die Zuversicht hat ein Feuer entfacht,
das alles entblößt und den Stoff zerreißt.

Alles ist eitel und alles ist Wind,
doch was bleibt ist gewaltig und schwach
Im Schlafe liegt, was die Zeit mit sich nimmt
Nur das innere Auge bleibt wach.

© Elmar Vogel 21. 4. 2021

Audiodatei zum privaten Download:

Audiodatei: Was bleibt – Gitarre und Gesang Elmar Vogel

Dunkle Pforten

Was ich bin und was ich werde,
liegt verborgen in der Zeit.
Wie ein Baum in reicher Erde,
treib ich meine Äste weit.

Taste mich ins Unbekannte,
da sich freie Räume dehnen.
Was ich vormals Zweifel nannte,
ward mir Hoffnung, Mut und Sehnen.

Jeder bange Schritt ins Leere,
jenseits altbekannter Orte,
alles Grobe, alles Schwere,
führt mich an die dunkle Pforte,

dran ich klopfe, unverdrossen
und um Einlass bitt‘ und dränge,
bis sich auftut was verschlossen;
lichter Raum in Breit und Länge.

Überwunden ward die Enge,
die der Zweifel nur gesetzt,
und entledigt alter Zwänge,
strahlt die Seele unverletzt.

Elmar Vogel 1. März 2020

Wie ein Baum

Wie ein Baum der seine Zeiten kennt,
will ich Blatt um Blatt beschreiben,
und was unerkannt mich von dir trennt,
will und kann in dir nicht bleiben.

Refrain:
Lass dein grünes Holz mir Zeichen sein
in den kalten, kahlen Zeiten,
bis mich neu erweckt der Sonne Schein,
und sich öffnen helle Weiten. 

Wie der Wind, der nicht zu fassen ist,
weht dein Geist mir ins Gemüte,
offenbart mir alle arge List,
die du deckst in deiner Güte. 

Refrain:
Lass dein grünes Holz mir Zeichen sein
in den kalten, kahlen Zeiten,
bis mich neu erweckt der Sonne Schein,
und sich öffnen helle Weiten. 

Komm und mach mich meiner selbst bewusst,
dass ich neu geboren werde
und die Pforten, die du auf mir tust,
offen stehen wenn ich sterbe. 

Refrain:
Lass dein grünes Holz mir Zeichen sein
in den kalten, kahlen Zeiten,
bis mich neu erweckt der Sonne Schein,
und sich öffnen helle Weiten. 

Wie die Erde alles Leben schafft,
mach auch mich zu gutem Lande,
damit aufersteht in deiner Kraft,
was hier fällt in Schimpf und Schande. 

Refrain:
Lass dein grünes Holz mir Zeichen sein
in den kalten, kahlen Zeiten,
bis mich neu erweckt der Sonne Schein,
und sich öffnen helle Weiten. 

Lass mich fallen in der Zuversicht,
dass solches Sterben Sinn erfährt.
Alles Dunkle strebt empor zum Licht,
das sich von der Sonne nährt. 

Refrain:
Lass dein grünes Holz mir Zeichen sein
in den kalten, kahlen Zeiten,
bis mich neu erweckt der Sonne Schein,
und sich öffnen helle Weiten.

Baukunst – Lebenskunst

Den rauen Stein behauen
sei unsre erste Pflicht.
mit Lot und Winkel schauen,
ob er dem Zweck entspricht.

Der Zweck ist Harmonie,
da fügt sich Stein an Stein.
Denn es vermag nur sie,
im Grossen ganz zu sein.

Bleibt unbedacht der Zweck,
ist alle Kunst vergebens.
Denn fällt die Absicht weg,
fällt auch der Bau des Lebens.

Elmar Vogel Oktober 2019

Herbstmelancholie

In stummen Schauern gehen Blätter nieder,
ein federleichter Fall bringt sie zur Erde sacht,
und Baum um Baum reckt unbedeckte Glieder
empor zum Himmel, in die sternenklare Nacht.

Fern fallen die Gestirne - in weiten Räumen
verlischt ihr Glanz im Abgrund dunkler Tiefen dort.
Das Höchste und das Tiefste will uns träumen,
ihr Raunen ist dem Schlummernden ein sanftes Wort. 

Im dunklen Abgrund wie in höchster Sphäre liegt
der Sinn des Wortes, das einst unerkannt gesagt,
dass Wind das tote Blatt im Fallen sanft noch wiegt
und, dass erstrahlen wird, was ganz zu fallen wagt.

Elmar Vogel am 30. September 2020

Sinnsuche

Verlischt der Geist am Totenlager?
Vergeht der Sinn wenn er verloren?
Ich frage; wie wird Sinn geboren?
Bewirk‘ ich selber ihn, als Frager? 

Und gleicht die Antwort, die ich gebe,
wenn ich den Sinn zu finden glaube,
nicht einer einz‘gen süßen Traube,
die bald getrennt von ihrer Rebe, 

im Nu verkostet und zerronnen.
So scheint Bedeutung nur ersonnen,
für eine allzu kurze Weile. 

Lass Leid und Tod, die bitt‘ren Beeren,
doch jenen tiefen Sinn mich lehren,
der mich von allem Unsinn heile.

Elmar Vogel – Dresden 29. Januar 2021

Steige hinab

Steige hinab in die Tiefen der Seele,
teile das Dunkel und atme das Licht,
wechsle die Räume, der Fügung befehle,
alles zu wandeln was Trauer und Pflicht.

Gib dich dahin in bewusster Gebärde,
Dunkles betrachte im Wandel der Zeit,
harre der Sonne im Schoße der Erde,
bis die Gestalt von der Scholle befreit.

Beug dich hinab und erkenne die Gründe,
koste und schmecke das Salz im Gestein.
Was du geschaut und geschmeckt das verkünde
und es erstrahlt aus der Tiefe der Schein.

Hebe und trage die Bürden der Tage,
such und vertrau auf den Sinn jeder Last.
Klopfe und harre und rufe und frage,
öffne die Pforte und werde mein Gast.

Elmar Vogel 28. März 2021

Licht und Schatten

In allem Dunkel liegt ein Sehnen,
darin die Herzen klopfend schlagen.
und Schlag um Schlag ein stilles Nehmen,
und ein Verlangen und ein Fragen:
Wo sind die hohen hellen Stätten,
die uns die Führer einst verhießen,
wo wir die Leiber sicher betten,
wo sie des Nachts die Tore schließen?

Doch fällt ein Schatten all der Lasten,
die an uns haften Nacht für Nacht,
die stumm nach unsrem Herzschlag tasten,
die uns berühren zart und sacht,
in jenen Grund, der ohne Gründe,
die Welt aus Dunkelheiten wirkt,
wo jeder Schatten, jede Sünde,
das Licht des Geistes in sich birgt.

In der Geburt der lichten Sphären,
in der Erkenntnis unsres Grundes,
dort wird sich Licht von Licht ernähren
wo es berührt vom Saum des Mundes,
dessen, der vollbringt und der vollbracht.
Und Finsternisse werden fallen,
und was gebeugt von dunkler Macht,
wird aufrecht stehn in lichten Hallen.

Dresden 4. 9. 2020

Per Aspera Ad Astra

Zum Beginn und zur Vollendung;
Kindheit, Jugend, Alter, Sterben.
Alles scheint uns wie Verschwendung,
fühlen wir uns nicht als Erben.
Erbschaft ist bisweilen Bürde;
scheint auferlegt als herbe Pflicht.
Dem Berufnen schenkt sie Würde;
auf dunklen Pfaden hin zum Licht.

Dresden  24. August 2020

Gedanklich angelehnt an einen masonischen Text
von Johann Wolfgang von Goethe:

Zum Beginnen, zum Vollenden
Zirkel, Blei und Winkelwaage;
Alles stockt und starrt in Händen,
Leuchtet nicht der Stern dem Tage.
Sterne werden immer scheinen,
Allgemein auch zum Gemeinen,
Aber gegen Maß und Kunst
Richten Sie die schönste Gunst.

Weimar, März 1826

Auferstehung

Die Toten leben in uns fort
in vielerlei Gebärde
und manch gesagtem Wort.
Auch in des Ackers Erde,
fällt sinnlos nichts hinab.
In dem Vertrauen lassen,
dass aus dem dunklen Grab,
wir neues Leben fassen.

© Elmar Vogel – Mai 2020 

ATMAN

Ich atme den Sinn deiner Worte,
wie salzgeschwängerte Luft,
die mir Bilder und Orte,
aus alter Erinnerung ruft.

Dort finde ich viele Sphären,
in sanfter, zarter Kontur,
die ihre Erfüllung begehren,
als grenzenlose Natur.

In unerklärlicher Schau,
harrt Kreatur und Welt,
bis klarer Morgentau,
in jede Einsicht fällt.

Dresden 19. April 2020 Elmar Vogel 

Transzendenz

Wenn alle Regung dieser Welt ein tiefer Sinn durchwebte
und wir die Gnade hätten, eben diesen Sinn zu fassen,
so würden Schicksal, Leid und Tod und alles je Gelebte
sich, in jenem neuen Licht betrachtet, wandeln lassen.

Wenn ein Gedanke doch, der jeder Schwerkraft widerstünde,
der Schweres heben könnte und allzu Leichtes fallen ließe,
das Herz zutiefst ergreifen könnte, dass es doch verstünde,
zu dulden, wenn sich höchster Sinn in Eigensinn ergieße.

So schüfe ganz alleine jene tiefe Zuversicht,
die bei uns stünde selbst in allergrößtem Ungemach,
den inn'ren Frieden uns, an dem es dieser Welt gebricht
und selbst im Sterben, zöge uns doch alles Leben nach.

Elmar Vogel am 25. Januar 2020

Herbstgedanken

Der Herbst fällt ein mit kühler Hast knickt er das Blümlein blau,
 die stolzen Rosen schlank und schön vergehn im Nebelgrau.
 Kein Widerstand, kein Aufbegehrn, kein  Fluch und auch kein Streit.
 In tiefer Stille scheint die Kreatur zum Abgang nun bereit.

Vorüber ist das Lustspiel auf der weiten Bühne der Natur.
 Schon kleiden für den letzten Akt sich Wald und Feld und Flur.
 Nun wird sich Blatt um Blatt noch einmal prachtvoll färben.
 Mir scheint, ein letztes großes Leuchten steht vor allem Sterben.

Ach könnte ich den eignen Herbst doch nur in diesem Bild begreifen,
 so würde ich wie eine süße, volle Frucht am Baum des Lebens reifen.
 Dort wüsste ich, dass alles Fallen und Vergehn ein tiefer Sinn durchwebt,
 dass Sterben nicht Verderben ist und Neues nur durch Altes lebt.

Elmar Vogel – Oktober 2019

                            

Trunkenheit

Trunken sind die Trunkenbolde
dennoch sind aus reinem Golde,
ihre Becher die sie kippen,
die sie setzen an die Lippen
die geschwind hinab sie stürzen
um das Leben zu verkürzen
und es dennoch auszukosten
bis das Licht erstrahlt im Osten.
Davon werden sie dann trinken
ohne darin zu versinken
Heben wird das Licht sie alle
bis sie stehn in jener Halle
wo der Wahrheit Wein sie trinken
und sie nüchtern niedersinken.

Elmar Vogel 2. Mai 2019

Der Baugrund

Alles Sterben fällt nach unten,
doch das Leben strebt hinan.
In der Tiefe liegt gebunden;
Schweres, Dunkles – zieht mich an.

Doch wie mag ich Höhe finden,
ohne Tiefen je gespürt?
Muss ich doch am Licht erblinden,
wo das Dunkle mich nicht rührt.

Auf der Teufe wohl gegründet,
in der Erde dunklem Schoß,
wo hinab kein Lichtstrahl findet,
ruht das Bauwerk licht und groß.

So weist alles Hohe, Helle,
jeder Sinn der hier obsiegt,
stets hinab zu jener Stelle,
wo der Grund im Dunkel liegt.


Elmar Vogel 18. April 2019

Selbsterkenntnis

Was  ich bin und was ich werde
liegt vor allem Anbeginn
aller Anfang wirkt  aus Erde
wirkt  aus Wasser, Geist  und Sinn.

Untergang ist uns befohlen
sterblich ist des Lebens Kleid
Todesangst und Atem holen,
sind Stumpfsinn und Glückseligkeit.

Jede Enge, jede Bürde
Niederlage, Todesgrimm
weist hinauf zu höchster Würde
ruft nach Luft nach Geist und Sinn.

Wissen um die eigne Sendung
nehmen was uns zugedacht
daran liegt des Schicksals Wendung
hierin liegt die höchste Macht.

Elmar Vogel / September 2018

Wandlung

Wo sich das Flüchtige
bewußt verliert,
kann das Wesen
erwachen.

Tote, zerquetschte Trauben
werden zu Wein.
Ohne Zutun – ohne zu tun.

Wein ist Wandlung
vom Fleisch - zum Geist.

Werdet Getötete
werdet Gärende
werdet Geist

Elmar Vogel / 2004

Metapher

Des Menschen Werk ist wie die Frucht am Baum
Doch über ihren Rang da herrscht ein alter Streit
Denn alles was getan aus überzeugtem, tief geglaubtem Sinn
erfüllt den Raum, die Zeit und führt mich hin
zu jenem Ort, da ich schon war bevor ich wurde.
Und doch bleibt alles Tun, an das ich selbst nicht glaube
und hätte ich‘s auch ausgeführt – das Absurde,
das nicht an meine Seele rührt – es fällt herab, vergeht im Staube.
Doch jenes andre Werk, das zeitlos ewig ist kann alle Zeiten überdauern, man wird es pflücken und verkosten, man wird’s den Kindern geben,
die im Osten auf der kalten Erde kauern.
Das ist die Frucht, die dieser Zeit Genesung bringt, da sie des Geistes Sehnsucht stillt und jedem der bereit, den dunklen Sinn durchdringt.
So wird am Ende jede Tat, der es gelang das Schwache aufzurichten,
den Geist zu heben und das Dunkel dieser Welt zu lichten
den Täter suchen eben in der Ewigkeit – befreit von allem Streit.

Elmar Vogel / März 2019

Sommerleid

Dies ist der Sommer, der die Frucht ersterben lässt
weit wirft er seine Lohe in den Herbst hinein
wenn auch der Schnitter eilig noch zur Ernte bläst
Entbehrung wird des Winters Antlitz sein.

Und doch sind Kummer und Entbehrung keine Strafe der Natur
unendlich groß und weit gewoben ist des Universums Tuch
das Übel liegt in unserm eigenen Urteil immer nur
im Zweifeln, im Verzagen liegt der Fluch.

Denn wenn der Tod in unsern Räumen
aus und eingeht, wie ein ungebetner Gast
wenn er uns hochfahrn lässt aus seichten Träumen
so zeigt er doch ganz zart
was jenseits unsres Zustands harrt
– zeigt doch wie sanft das Dasein jede Kreatur umfasst.

Elmar Vogel / Oktober 2018

×