Das Gleichnis vom Turmbau

Denn wer ist unter euch, der einen Turm bauen will und setzt sich nicht zuvor hin und überschlägt die Kosten, ob er genug habe, um es auszuführen, – damit nicht, wenn er den Grund gelegt hat und kann’s nicht ausführen, alle, die es sehen, anfangen, über ihn zu spotten, und sagen: Dieser Mensch hat angefangen zu bauen und kann’s nicht ausführen?    Lukas 14, 28-30

Ausdruck des Lebens ist das Streben nach “oben”. Im Streben nach oben versuchen wir uns “Freiräume” zu verschaffen, in denen uns nichts “Niedriges” mehr berühren kann. Mit dem Gleichnis vom Turmbau, drückt Jesus das menschliche Verlangen nach Erhabenheit aus, den Wunsch, sich über die beschwerlichen und feindlichen Seiten dieses Daseins zu erheben.

Einen Turm bauen wollen, bedeutet im Sinne des Gleichnisses, die Dinge von einer höheren Warte aus – die Welt mit Distanz betrachten zu wollen. Damit steht der Turm als ein Gleichnis für Erhabenheit, für den Wunsch nach Ruhe, Sicherheit, Unerreichbarkeit und Unberührbarkeit. So ist jeder auf seine eigene Weise bemüht, sich einen Ort zu schaffen, an dem ihm das Leid dieser Welt nichts mehr anhaben kann.

So symbolisiert der Turmbau unser Streben nach Individualität und Erhabenheit, aber auch nach Entzug und Rückzug. Der Wunsch nach Erhabenheit ist nichts Schlechtes an sich, er wird jedoch auf ganz unterschiedliche Weise umgesetzt: Aus rein menschlicher und vordergründiger Sicht läuft es meist darauf hinaus, sich den Status des “Turmes” durch Äußerlichkeiten zu verschaffen – beispielsweise durch Familienbande, durch Beziehungen, durch Geld, durch Besitz, durch den gesunden oder den schönen Körper, durch materielle Absicherung, durch persönlichen Erfolg, durch gesellschaftliche Anerkennung, durch Machtausübung, durch Unterdrückung anderer, aber auch durch Drogenkonsum und durch Todessehnsucht.

Wie auch immer, man möchte unerreichbar und unberührbar sein gegenüber dem Leid der Welt, möchte in „Sicherheit“ leben und über das Unkalkulierbare herrschen.  Im Gleichnis vom Turmbau gibt Jesus zu bedenken, dass alle Versuche, das Unkalkulierbare und Unangenehme abzuwenden, immer unzureichend sein werden, solange sie auf irgendwelche Äußerlichkeiten d. h. solange sie auf Vordergründigem basieren, denn alles Äußerliche – wie es auch heißen mag – unterliegt der Schwächung, dem Verfall, und in allem Hiesigen liegt bereits der Niedergang. Das Unkalkulierbare jedoch ist das Unabwendbare. Es ist Leid, Tod, Niederlage, Schmach, Verrat und Verlust. Diese Dinge nicht in seine Lebensplanung einzukalkulieren, bedeutet, sich zu verkalkulieren.

Unzeit – Unort

Unstet zieht uns falsche Zeit an falsche Orte 
darum ist unser Tun und Lassen falsch. 
Falsch ist, was zur falschen Zeit am falschen Ort . 
Die Erkenntnis Jesu schafft rechte Zeiten und rechte Orte. 
Rechte Zeit - Ewigkeit 
Wahrer Raum - Unendlichkeit. 

Elmar Vogel Oktober 1993

Metapher

Des Menschen Werk ist wie die Frucht am Baum
Doch über ihren Rang da herrscht ein alter Streit
Denn alles was getan aus überzeugtem, tief geglaubtem Sinn
erfüllt den Raum, die Zeit und führt mich hin
zu jenem Ort, da ich schon war bevor ich wurde.
Und doch bleibt alles Tun, an das ich selbst nicht glaube
und hätte ich‘s auch ausgeführt – das Absurde,
das nicht an meine Seele rührt – es fällt herab, vergeht im Staube.
Doch jenes andre Werk, das zeitlos ewig ist kann alle Zeiten überdauern, man wird es pflücken und verkosten, man wird’s den Kindern geben,
die im Osten auf der kalten Erde kauern.
Das ist die Frucht, die dieser Zeit Genesung bringt, da sie des Geistes Sehnsucht stillt und jedem der bereit, den dunklen Sinn durchdringt.
So wird am Ende jede Tat, der es gelang das Schwache aufzurichten,
den Geist zu heben und das Dunkel dieser Welt zu lichten
den Täter suchen eben in der Ewigkeit – befreit von allem Streit.

Elmar Vogel / März 2019

Das Unwägbare

Ich geh den Weg des Menschensohnes, der beständig an das Unwägbare denkt, um Beständigkeit den Dingen zu verleihen, die von Kindheit an ich liebgewonnen habe und die ich heut schon anerkenne als den hehrsten Teil der Gabe und des Lohnes - für diesen Lohn will ich mich gern kasteien.
Tod, Versagen, Niedergang und alles Schmachten – jede bittre Lage, die das Menschenherze so sehr kränkt, ich will sie ansehn und betrachten - will sie auf mich nehmen - so,  als hätten ich den Sinn, den alle Bitternisse in sich tragen, bereits verstanden und schon ausgefüllt. Ich möchte gern im tiefsten Herzensgrunde sagen, dass, wenn auch in augenblicklich noch verborgner Weise, jede Regung dieses Daseins dennoch mich beschenkt.

Elmar Vogel / April 2019

Dein helles Wort

Ich habe keine Meinung von mir selbst, da ich ja doch noch werde.
Denn stets wenn ich enttäuscht mich von mir selbst abwende
und mich erkennen muss als Teil der Herde
( jener, der im Grunde meines Herzens ich nie angehören will,)
dann trag ich Trauer und ein Abgrund tut sich vor mir auf,
den zu durchschreiten nimmer ich vermag,  in noch so kühnem Lauf.
Dann sinkt die Seele nieder und ich werde still,
erschrocken von der Finsternis der Tiefe und der dunklen Erde.

Wer könnte dieses Dunkel je durchdringen,
wer könnte Einhalt ihm gebieten und vollbringen,
dass es zu Geist und Sinn mir wird, woran mir doch so sehr gebricht?
O dass doch endlich zu mir spricht,
was stumm und taub mir auf der Seele lastet –
was blind und töricht durch das Dunkel irrt
und heillos durch die Zeiten hastet.

Ach Gott, du sprichst dein Wort
das diese Welt erhellt ja immer nur im Dunkeln
– erhellst den Raum im Hier und Dort.
Was hier gestaltlos ist – was wüst und leer,
darin seh ich deinen hellen Stern nun funkeln
– dort geht er vor mir her in aller tiefster Nacht,
da dringt es zu mir, deines Sohnes Wort:
Es ist vollbracht.

Elmar Vogel / Dezember 2018

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