Der Verlust der Transzendenz

Die Angst vor dem Tod oder vor äußerem Schaden macht uns korrumpierbar und bereit, jedes nur erdenkliche Verbrechen gegenüber unseren Mitmenschen zu rechtfertigen oder es sogar selbst zu verüben.

Fall ins Dunkel

Ist das christliche Verständnis von der Transzendenz unseres menschlichen Daseins noch Grundlage kirchlichen Glaubens?

Wenn Kirchenvertreter dazu aufrufen, Menschen auszugrenzen, religiöse Gemeinschaft nur noch für „Sichere“ zu gestatten oder wenn sie Mitmenschen, die in der öffentlichen Meinung nicht als integer gelten, offen als Feinde bezeichnen, dann ist höchste Wachsamkeit geboten. Der Grund für solche Forderungen mag zum einen auf Opportunismus und Abhängigkeitsverhältnisse zurückzuführen sein, zum anderen aber ist es schlicht Angst – die allzu menschliche Angst vor dem Unwägbaren unserer menschlichen Existenz, vor Krankheit, Leid und Tod. Angesichts dieser Entwicklungen stellt sich mir die Frage nach der Bedeutung der Transzendenz, die dem christlichen Glauben doch zugrunde liegen sollte. Konkret: Ist der christliche Gedanke von der Transzendenz unseres Daseins für die Kirchen überhaupt noch von Bedeutung?

Ein Freund der Kranken und Ausgestoßenen

Aus den Evangelienberichten wissen wir, dass Jesus von Nazareth, auf den die Kirchen sich berufen, ganz bewusst Gemeinschaft pflegte mit Menschen, die am Rande der Gesellschaft standen, mit Prostituierten und Steuereintreibern. Selbst einem Feind Israels – einem Römer, verweigerte er seine Bitte nicht. Er kam zu den Kranken und sogar zu den Aussätzigen, und diese zu ihm, und er rief den Menschen zu:

Wer zu mir kommt den werde ich nicht abweisen.

Johannes. 6,37.

Nun haben wir es hier, verglichen mit der Situation Jesu, nicht mit wirklich Kranken zu tun, sondern mit Gesunden, die für „potentiell“ krank erklärt wurden. Aber ist dies nun tatsächlich eine Ausnahmesituation im Sinne einer Pestilenz? Keineswegs, denn der Mensch, als potentiell Kranker und Totgeweihter ist so alt ist wie die Menschheit selbst und keine Arznei der Welt kann ihn vor dieser Realität schützen oder bewahren.

Krankheit, Leid und Tod sind notwendige Begleiter unseres Daseins, die uns zu dem machen, was wir sind: Menschen.


Insofern bewirken die Forderungen nach Ausgrenzung vor allem eines; dass sich Menschen gedanklich entzweien, dass ein Klima des Misstrauens entsteht und dass Gemeinschaften zerbrechen. Doch was haben diese Forderungen mit dem Vorbild gemein, das Jesus den Menschen gegeben hat? Nicht das Geringste! Sowohl die Forderung nach Ausgrenzung, als auch das Verbot der Gemeinschaft, zeigt die Unvereinbarkeit mit der Lehre Jesu: Seiner Lehre nach, ist weder unsere menschliche Existenz noch unsere Gesundheit unser menschliches Verdienst, sondern Gnade. Wer den Menschen im Namen Jesu sagt, dass die Berechtigung ihrer Existenz von einer bestimmten Kur oder einer Arznei abhängig sei, hat den Bezug zur christlichen Gnadenlehre grundlegend verloren. Die Folge einer solchen Ideologie wird ein System der Gnadenlosigkeit sein.

Der Gedanke der Transzendenz

Der Gedanke der Transzendenz „des Übersteigens oder Hindurchdringens“ geht von der Möglichkeit der gedanklichen Durchdringung unserer endlichen Erfahrungswelt aus, hin zu einem übergeordneten, immateriellen und geistigen Grund von zeitloser Gültigkeit. Auf diesen Gedanken gründet sich der christliche Glaube. Es ist ein Glaube an unsere eigentliche und ewige Existenz, die in Gott begründet ist.

Der Gedanke der Transzendenz unseres Lebens bildet gewissermaßen die Grundlage der Botschaft Jesu, denn seiner Lehre nach liegt unsere eigentliche und grundlegende Existenz in Gott. Das heißt, sie besteht auf einer geistigen Ebene. Diese Existenz ist zeitlos und insofern unsterblich. Sie ist es jedoch nur in dem Maße, wie wir uns dieser Wahrheit nähern wollen, d. h. soweit wir diese Wirklichkeit suchen, ersehnen und wünschen, dass sie uns bewusst werde. Suchen und ersehnen wir unsere Existenz in Gott nicht, so haben wir auch keinen Anteil an ihr. Erkennen wir jedoch unsere Existenz in Gott als unsere eigentliche, so wird sie dadurch zu unserer neuen und unvergänglichen Wirklichkeit. In dieser Erkenntnis werden wir auch unser Dasein neu verstehen lernen. Das eine ist jedoch nicht möglich ohne das andere:

Niemand kann zwei Herren dienen: entweder er wird den einen hassen und den andern lieben, oder er wird dem einen anhängen und den andern hintergehen. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon. 

Matthäus 6, 24

Jesus Christus ist gekommen, damit wir uns unserer transzendenten, d. h. unserer geistigen Existenz bewusst werden; und dazu war er bereit, seine eigene zeitliche Existenz hinzugeben.

In seiner Passion hat er deutlich gemacht, dass unsere geistige Existenz über der stofflichen steht. Er hat ferner aufgezeigt, dass die geistige Existenz die Grundlage jeglicher Existenz ist und wir daher alle unsere Kräfte aufwenden sollen, uns unsere geistige Existenz zu bewahren, selbst wenn unsere äußere Existenz dadurch Schaden nehmen sollte. 

Will mir jemand nachfolgen, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir. Denn wer sein Leben erhalten will, der wird es verlieren; wer aber sein Leben verliert um meinetwillen, der wird es finden. Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele?    

Matthäus 16,25-26

Profanierung des Menschen – der Ausverkauf der Seele

Nicht nur in seiner Botschaft, auch durch die bewusste Einwilligung in seine Passion vermittelte Jesus, dass uns nur der Glaube an unsere ewige und zeitlose Existenz in Gott frei machen kann. Frei von einem Dasein, dessen Handlungen von Angst und Befangenheit bestimmt sind. Sei es die Angst vor Krankheit, vor Ausgrenzung, vor Ächtung, vor Ungerechtigkeit, vor Leid oder vor dem Tod. Wo immer solche Ängste unser Tun und Handeln bestimmen, und wir der Illusion erliegen, Leid und Tod entgehen oder ausschließen zu können, sind wir getäuscht und korrumpierbar – das heißt wir sind käuflich. Als „Gekaufte“ werden wir auch bereit sein, all das zu verkaufen und zu verraten, was geistig-ideellen Wert besitzt. Man nennt das den Ausverkauf der Seele. Denn was wir auf diese Weise verraten und preisgegeben haben, darauf haben wir auch willentlich jeden Anspruch aufgegeben. Von daher führt jede Schwächung des Geistes unweigerlich zu einer profanen und sinnentleerten Existenz – einem geistlosen Lebensverständnis, das in letzter Konsequenz hinausgeschüttet und zertreten werden wird, wie es Jesus in seinem Gleichnis von der Wirkkraft des Salzes verdeutlichte: 

Ihr seid das Salz der Erde. Wo nun das Salz kraftlos wird, womit soll man’s salzen? Es ist hinfort zu nichts nütze, als dass man es hinausschütte und lasse es die Leute zertreten.

Matthäus 5, 13

Ein profaniertes Lebensverständnis, bedeutet die Reduktion des Menschen auf seine reine Äußerlichkeit, die nun um jeden Preis erhalten werden muss.

Der Preis, der dafür bezahlt werden muss scheint für viele schon akzeptiert: Trennung, Ausgrenzung, Entrechtung, Wut und Hass gegenüber unserem Nächsten, der unser korrumpiertes Lebensverständnis nicht teilt. Doch da solche Sanktionen gegen unseren Mitmenschen offiziell und ideologisch begründet werden – dürfen und sollen sie ausdrücklich geübt werden. Da selbst korrumpiert, fördern solche „Seelsorger“ ein Milieu der Angst, des Misstrauens, der Unversöhnlichkeit und der Feindseligkeit. Dabei wären Sie in Namen Jesu aufgerufen das Gegenteil zu tun, nämlich Frieden zu stiften:

Selig, die Frieden stiften, denn sie werden Töchter und Söhne Gottes genannt werden.

Matthäus 5,9

Den Feind hassen heißt, ihm berechtigt Nachteile zu wünschen 

Das Liebesgebot bildet zweifellos das Kernstück der Botschaft Jesu. Seine Aufforderung, auch den Feind zu lieben, erscheint dabei selbst manchen „Christen“ unzumutbar, oder zumindest kaum praktikabel. Umso dringender stellt sich gerade in unserer aktuellen Situation die Frage, was es mit diesem außerordentlichen Liebesgebot auf sich hat.

Warum sollen wir unsere Feinde lieben, ihnen Gutes tun, für sie beten usw. wie es Jesus fordert? Die Antwort ist einfach und erschütternd zugleich: Wir sollen unsere Feinde lieben, weil diese ein wesentlicher Teil unseres Daseins sind. Weil, dem Verständnis Jesu nach, uns kein Mensch von ungefähr begegnet. Auch unser Feind ist unser Nächster, der uns nach dem Willen Gottes begegnen muss und den wir darum ebenso lieben sollen wie uns selbst. So hat Jesus auch den Menschen vergeben, die hinterhältig und ungerecht an ihm gehandelt haben. Und heute bemühen Theologen seinen Namen, um Menschen ohne böse Absichten auszugrenzen und zu sanktionieren.

Und selbst wenn es so wäre, dass jemand Feindliches gegen uns im Schilde führen würde. Auftrag unseres Glaubens wäre es dann, auch unsere Feinde zu lieben, da uns Gott auch in ihnen begegnet. In der Annahme seiner Passion zeigt Jesus diese Grundwahrheit auf. Hier vermittelt er uns jene Geisteshaltung, in der wir Gottes Willen selbst in solchen Geschehnissen vertrauensvoll suchen und finden sollen, die Unrecht, Leid und Tod bedeuten. Und dort, wo wir den Willen Gottes finden, dient uns alles zu unserem Besten, wie es der Apostel Paulus schrieb:

Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, denen, die nach seinem Vorsatz berufen sind.

Römer 8, 28

Auch sollten wir uns dringend davor hüten, jemanden deshalb für unseren Feind zu halten, weil dieser von Obrigkeiten öffentlich und offiziell zum Feind erklärt wurde. In diesem Zusammenhang sollten wir uns die Hintergründe vor Augen halten, die zur Verurteilung und Hinrichtung Jesu führten: Jesus konnte nur verleumdet, angeklagt, verurteilt und hingerichtet werden, weil Obrigkeiten ihn zuvor zu einer öffentlichen Gefahr, zum Feind und zum Straftäter erklärt hatten.

Das Leben in seiner Gänze annehmen

Unsere Vorstellung von dem, was wir „Leben“ nennen, kann nur vollständig sein, wenn auch Leid und Tod darin inbegriffen sind. Das heißt, unsere menschliche Existenz kann nur ganz und heil werden, wenn wir auch die herbe Erfahrung der Ablehnung, der Ausgrenzung und der Ungerechtigkeit, in unser Leben mit einschließen. Erst in der Liebe gegenüber unserem Feind und all dem was dieser über uns verhängen mag, wird unser Leben vollständig. Nur das Vollständige ist das Ungeteilte und das Göttliche, dem Unsterblichkeit und Zeitlosigkeit zukommt.

Dabei geht es keineswegs darum, ob unser Feind sich im Unrecht befindet und wir im Recht oder umgekehrt. Nein, der Botschaft Jesu nach beruht jeder Gedanke der Feindschaft und des Hasses, den wir gegenüber unseren Nächsten hegen, auf einem folgenschweren Irrtum.

Jeglicher Hass beruht auf dem Irrglauben, dass die Welt gegen den Willen unseres Mitmenschen gebessert werden könne und müsse.

Menschlicher Hass beruht aber auch auf dem Irrtum, dass eine geteilte Welt am Ende immer noch eine bessere, da eine sicherere Welt sei. Doch das Gegenteil davon ist wahr. Was im Streit mit sich selbst liegt, kann nicht dauerhaft Bestand haben. Was geteilt ist, hat seine „Ganzheit“ bereits verloren und muss zu Grunde gehen. Darum ist es notwendig, dass wir auch in unserem Feind und in dessen Handlungen gegen uns, den Willen Gottes erkennen.

Jedes Reich, das mit sich selbst uneins ist, wird verwüstet; und jede Stadt oder jedes Haus, das mit sich selbst uneins ist, kann nicht bestehen.

Matthäus 12. 25

Unser Weltbild kann nur von Bestand sein und bleiben, wenn wir unser Leben in seiner Gänze annehmen. Eben darin war uns Jesus Christus Vorbild, indem er auch das Beschwerliche, die Widerstände, ja sogar Leid und Tod aus der Hand Gottes bereitwillig angenommen hat.

Die größte menschliche Befangenheit rührt aus der Angst vor dem Tod, dem aber doch niemand entgehen kann.

So, wie die Angst vor dem Tod uns befangen macht, macht sie uns auch verführbar und bereit, jedes nur erdenkliche Verbrechen gegenüber unseren Mitmenschen zu rechtfertigen oder es sogar selbst zu verüben. Dieser Grundwahrheit sollten wir uns angesichts der aktuellen Entwicklung vor Augen halten, um auch den Menschen verzeihen zu können, die solchen Ängsten bedingungslos erliegen.

Der Feind, das ist der Andersdenkende

Die absurdeste Form des Feindbildes rührt aus dem Glauben, dass der andere mein Leben gefährdet, ohne etwas konkret böses getan zu haben. Allein durch seine, Gott gegebene Existenz, bedroht er die Existenz anderer. Wir kennen dieses Szenario aus der Geschichte: Ob die Christen im alten Rom, die Juden, die über Jahrhunderte hinweg die Schuldigen waren, ob die Ketzer, die eine andere Meinung vertraten als die Amtskirche, die Hexen und Hexer, die schuld waren an Missernten usw., die Protestanten, die Hugenotten und all die Glaubensflüchtlinge und Exulanten des 30-jährigen Krieges. Es genügte, wenn man Teil einer Gruppe war, die hochoffiziell zu Gefährdern erklärt wurde, um zum Feind der übrigen Gesellschaft zu werden. War man einmal offiziell als Feind des Systems benannt worden, dann war es auch erlaubt oder sogar heilige Pflicht, diesen Menschen zu verfolgen, auszugrenzen, zu entrechten, zu schädigen oder gar zu töten.

Unsere Geborgenheit in Gott 

Der Angst vor dem Feind, der unser Leben bedroht, setzt Jesus das Vertrauen in Gott entgegen. Gott, der alle Geschehnisse wirkt und der all jene Menschen in ihrer Not bedenkt und aufrichtet, die in seine Allmacht vertrauen. Selbst wenn man uns „verkauft“ oder ausliefert, wie man es ja mit Jesus gemacht hat, so sind wir von Gott doch nicht vergessen.

Verkauft man nicht fünf Sperlinge um zwei Pfennige? Dennoch ist vor Gott nicht einer vergessen. Aber selbst die Haare auf eurem Haupt sind alle gezählt. Darum fürchtet euch nicht; ihr seid besser als viele Sperlinge.

Lukas 12, 6-7

Auch Jesus wurde offiziell einem Feindbild zugeordnet, weil seine Ansichten sich nicht mit dem „offiziellen“ Religionsverständnis deckten und weil er zudem dessen Missstände offen und vehement anprangerte. Auch bei seiner Verurteilung spielte die menschliche Angst vor einer drohenden Gefahr – dem militärischen Eingreifen Roms – eine entscheidende Rolle. Selbst wenn diese „Gefahr“ letztlich nur ein politischer Vorwand war und Jesus ein willkommenes Bauernopfer:

Einer aber unter ihnen, Kaiphas, der in jenem Jahre Hoherpriester war, meldete sich zu Wort und sprach: Ihr habt ja keine Ahnung, ihr bedenkt die Konsequenzen nicht; es ist immer noch besser wenn ein einzelner Mensch für das Volk stirbt, als wenn das ganze Volk zugrunde geht.

Johannes 11, 49-50

Und doch war Jesus gekommen, um den Irrtum jeglichen Hasses aufzudecken, und dafür war er bereit, selbst zum Objekt des Hasses zu werden. Sein Ruf am Kreuz; „Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ ( Lukas 23, 34)  zeigt, dass er seiner Botschaft bis zum Ende treu geblieben ist, indem er sterbend noch für seine Feinde bat. In dieser Geisteshaltung wird die Transzendenz seiner Botschaft deutlich, die uns folgende geistige Wahrheit vermittelt:

Soweit wir das Böse, das uns unser Feind antut, im Vertrauen auf uns nehmen, dass uns in allen Geschehnissen Gott selbst begegnet und wir insofern auch unseren Feind von Schuld freisprechen müssen, soweit stellen wir uns unter den Willen Gottes, der ausnahmslos alle Dinge wirkt. Doch Gott wirkt diese Dinge nicht umsonst.

Alles was Gott wirkt, das wirkt er, um das Leben zu fördern, dessen Ursprung er selbst ist.

Darum, sind wir in Gott, so kann uns nichts hindern. Sind wir nicht in Gott, so hindert uns alles. In diesem Sinne schrieb Meister Eckhart:

Wir selbst sind die Ursache aller unserer Hindernisse. Hüte dich vor dir selbst und du hast wohl gehütet.

Meister Eckhart

Und der Apostel Paulus schrieb:

Wenn Gott für uns ist, wer will dann gegen uns sein?

Römerbrief 8,31 

An den Früchten erkennt man den Baum

Wo wir im Vertrauen auf Gott anfangen, auch unseren Feind zu lieben, rufen wir Gott herbei und ermächtigen ihn, alle Dinge zu unserem Besten zu wenden. Durch unser Vertrauen, dass Gott alles in allem ist und dass da nichts ist, wo Gott nicht wirken könnte, rufen wir Gott ins Ungerechte, in das Böse ja, selbst in unseren Tod und allein durch unser Vertrauen, wird Gott es wandeln, sodass aus Tod Leben und aus Trauer Freude werden wird. 

Dadurch wird jeder Mensch, der in die Botschaft Jesu vertraut, auch in seinem Feind und in dessen böswilligen Handlungen den Willen Gottes finden können, weil er auf den Sinn und die Bedeutung aller Geschehnisse vertraut, die ihm begegnen. So wie Jesus Christus, der in der Anfeindung, im Hass und schließlich in Leid und Tod, das man ihm antat, den Willen Gottes erkannte. In unerschütterlichem Vertrauen hat er damit Gott zum Vater aller Geschehnisse gemacht und hat alle, die ihm gedanklich darin folgen wollen, frei gemacht vom Gedanken der Vergeltung. Das ist der gute Baum, der gute Frucht hervor bringt.

Wer nicht in die Botschaft Jesu vertraut, wird diese Lehre für absurd und unsinnig halten. Und so wird er „triftige“ Gründe finden Ausgrenzung, Entrechtung, Wut und Hass gegenüber seinem Nächsten zu rechtfertigen. Der Vertrauenslose wird seinen Nächsten zum rechtmäßigen Feind erklären, der kein Erbarmen verdient. Das ist der faule Baum, der schlechte Frucht hervorbringt.

Seht euch vor vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen, inwendig aber sind sie reißende Wölfe. An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen. Kann man denn Trauben ernten von den Dornen oder etwa Feigen von den Disteln? Also ein jeglicher guter Baum bringt gute Früchte; aber ein fauler Baum bringt arge Früchte.…

Matthäus 7, 15-17

Eine kritische Zuschrift hierzu und meine Antwort darauf finden Sie auf Poeten.de

Autor: Elmar Wieland Vogel

Autor, Bildhauer, Liedermacher, Lyriker. Hier blogge ich zu den Themen: Theologie, Christologie, Philosophie und christliche Mystik.

2 Gedanken zu „Der Verlust der Transzendenz“

  1. Lieber Elmar! Beim Lesen deiner Gedanken hier auf dieser Seite kam mir in den Sinn, ob es überhaupt Sinn hat, sich mit den Lehren der Kirche auseinanderzusetzen. Könnte es uns davon abhalten, die Lehren des Jesus von Nazareth einfach so zu nehmen, wie sie sind?
    Und ein Weiteres: Es war doch vermutlich so, dass Jesus nie vor hatte, eine herkömmliche Religion samt Kirche zu gründen. In den ersten Jahrzehnten und Jahrhunderten breitete sich die Lehre Jesu auch ohne Kirche und Theologen aus und wurde sicher bereits auch schon durch Jesus selbst bewirkt (lehrte er nicht schon seit seinem 12. Lebensjahr). Der Geist seiner Botschaft hat jedenfalls die Menschen irgendwie sehr stark berührt; bzw.
    es muss seine Lehre auf einen fruchtbaren, gut vorbereiteten Boden gefallen sein. War dieser Ackerboden vielleicht der alte “antik-heidnische” Wunsch nach Erlösung des Geistes von der Materie (Plato)?
    Oder war es allgemein eine Möglichkeit der Befreiung der Menschen von religiöser Bevormundung?
    Was meinst du, was war die Essenz der Essenz, welche diese Initialzündung bewirkte, denn schon nach wenigen Jahrzehnten gab es überall im römischen Reich verschiedenste christliche Gläubige und was vielleicht sogar ein Vorteil war: verschiedenste koexistierende Glaubensrichtungen.

    1. Lieber Thomas! Vielen Dank für deine Gedanken dazu. Es besteht m. E. tatsächlich die Gefahr, dass kirchliche Lehren , uns davon abhalten können, die Lehren Jesu anzunehmen. Das ist z. B. dann der Fall, wenn Kirchen reine Handlungsweisen für gut oder heilsnotwendig erklären: Gottesdienstbesuch, Sakramente, karitatives Engagement, Geldspenden etc. Jesus lehrte, dass selbst eine äußerlich betrachtet „gute“ Handlung noch lange nicht wirklich gut sein muss. Siehe dazu Matthäus 6,2. Werden Handlungen nicht in einem guten Geist und Sinn (d. h. aus Betroffenheit, Mitgefühl, Anteilnahme etc.) getan, so, entsteht eine sinnentleerte und geistlose Werkgerechtigkeit, die unsere Fähigkeit zur Erkenntnis behindert. „Wehe euch Schriftgelehrten! Denn ihr habt den Schlüssel der Erkenntnis weggenommen. Ihr selbst kommt nicht hinein und behindert diejenigen, die hinein wollen.“ Lukas 11, 52

      Was den zweiten Punkt angeht, bin ich inhaltlich ganz bei dir. Ich denke auch, dass Jesus gar nicht beabsichtigte, eine Kirche als Institution zu gründen. Er wusste, dass die Botschaft, die er überbrachte und seine Mission inhaltlich so stark war, dass sie immer Gegenstand menschlicher Auseinandersetzung und Identifikation bleiben würde. Diese Inhalte waren es auch, die zur Ausbreitung seiner Lehre in den Anfängen geführt haben. Das Inhaltliche der Botschaft Jesu ist der Institution Kirche auch aus den oben genannten Gründen abhandengekommen und daher wird Kirche heute von vielen zunehmend als entbehrlich angesehen.

      Dass die Lehre Jesu auf fruchtbaren Boden gefallen ist, ist eine schöne Metapher. Ich denke, es ist, wie du sagst. Ganz sicher war es die Gunst der Stunde, dass sie auf den „antik-heidnischen“ Boden bzw. die griechische Sprache und die griechische Kultur der Philosophie gefallen ist, was zu ihrer großen Verbreitung beigetragen hat. Ich denke aber auch, wie du sagst, dass zu dieser Zeit eine große, allgemeine menschliche Sehnsucht nach geistiger Erkenntnis in der Luft lag, welche der Botschaft Jesu entsprechen konnte. Mit dem zunehmenden Niedergang der griechischen Schule und dem Zerfall des römischen Reiches entstand dann auch eine Art geistiges Vakuum, das die Verbreitung der christlichen Lehre begünstigte und förderte.

      Welches „die“ Initialzündung war, kann ich nicht sagen, ich war ja nicht dabei. Aber ich denke, dass die Inhalte der Botschaft Jesu, für viele überzeugend waren und seine Lehren den Menschen geholfen haben, ihr Leben gänzlich neu zu verstehen und die leidvollen und beschwerlichen Seiten in einem neuen Licht zu sehen. Herzlichst Elmar

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