Ist christlicher Glaube ohne Dogma möglich? Kann die Lehre Jesu an den Gesetzen der Folgerichtigkeit und Schlüssigkeit gemessen werden? Oder ist sie als Dogma aufzufassen, das nicht hinterfragt werden darf, sondern einfach geglaubt werden muss?
Das Christentum hat ganz unterschiedliche und vielfältige Formen christlicher Gemeinschaften hervorgebracht, doch in einer Forderung scheinen sie doch alle übereinzustimmen: „Am Ende musst du es glauben, auch wenn du es nicht verstehst.“ Aber ist das die Glaubenslehre, die Jesus verkündete? Verstand er unter Glaube wirklich ein kritikloses Abnicken einer zum Dogma erhobenen Glaubenswahrheit, die nicht zu hinterfragen sei?
Im folgenden Beitrag möchte ich deutlich machen, warum letztere Auffassung unzutreffend ist. Ferner zeige ich auf, in welchem Sinne die Lehre Jesu eine in sich stimmige Weisheitslehre ist, die nahtlos an die antiken Philosophien anknüpft und diese schlüssig fortschreibt. Denn nicht verstanden zu werden, bedeutet nicht, nicht verstanden werden zu wollen oder nicht verstanden werden zu können. Dass Jesus aber verstanden werden wollte, das steht ganz außer Frage. So sind seine vielen Gleichnisse, in denen er förmlich darum ringt, seine Lehre für die Menschen anschaulich und verständlich zu machen, ein lebendiges Zeugnis seiner Bemühung:
Wem ist das Reich Gottes ähnlich, womit soll ich es vergleichen?
Lukas 13,18
Glauben heißt, nicht wissen. Stimmt das?
Tatsächlich wird der Begriff Glaube im Deutschen auf zweierlei Weise verwendet:
- Als Mutmaßung: „Ich glaube, dass morgen schönes Wetter wird.“
- Als Vertrauensbekundung: „Dem Zeugen, der mir den Hergang geschildert hat, glaube ich.“
Betrachtet man den Zusammenhang, in welchem Jesus vom Glauben spricht, so ist der christliche Glaubensbegriff der zweiten Kategorie zuzuordnen. Insofern verfehlt der Spruch: „Glauben heißt nicht wissen.“, die Bedeutung des christlichen Glaubensbegriffs. Jesus sieht sich selbst und jene, die um die geistige Dimension dieses Daseins wissen, als Teilhaber einer übergeordneten Wirklichkeit. Was sie dort „gesehen“ haben, macht sie zu unmittelbaren Zeugen dieser Wirklichkeit. Einer Wirklichkeit, die über das Vordergründige hinausweist. Doch was diese Zeugen geschaut haben, was sie wissen und worüber sie Auskunft geben, findet kein Gehör bei den Menschen. Dieses Dilemma beschreibt Jesus gegenüber dem Pharisäer Nikodemus:
Amen, amen, ich sage dir: Wir reden, was wir wissen, und bezeugen, was wir gesehen haben; ihr aber nehmt unser Zeugnis nicht an.
Johannes 3,11
Warum versteht ihr denn meine Sprache nicht? Denn meine Worte finden bei euch kein Gehör.
Johannes 8,43
Somit scheint Unverstandensein, ein Merkmal und Kennzeichen geistiger Lehrer zu sein. Und dies trifft in besonderem Maße auf die Lehre Jesu zu.
Kann Unverstandenem überhaupt Glaubwürdigkeit zukommen?
Während die meisten Philosophen zumindest von ihren engsten Schülern verstanden wurden, kann dies bei Jesus mit Sicherheit verneint werden. Ein Großteil dessen, was er lehrte, löste bei seinen Zuhörern Verwunderung oder Sprachlosigkeit aus. So waren es in erster Linie seine Heilungen, die ihm zu großer Popularität verhalfen, weshalb er von vielen eher als Arzt angesehen wurde.
Die Richtigkeit und der Wahrheitsgehalt seiner Botschaft konnten selbst von seinen Jüngern in letzter Konsequenz nur erahnt und insofern nur geglaubt werden. In diesem Punkt nimmt die Lehre Jesu tatsächlich eine Sonderstellung unter den Weisheitslehren ein. Dabei ist Glaube etwas durchaus Legitimes, denn selbstverständlich können und müssen wir oft auch solche Aussagen für glaubwürdig halten, die wir selbst gedanklich nicht durchdrungen haben. So verlässt man sich ja auch ohne Weiteres auf Aussagen von Vertrauenspersonen. Ob Bergführer, Trainer, Ärzte, Fachhandwerker, Ingenieure etc. Man vertraut den Aussagen dieser Personen, auch wenn man sie in fachlichen Details nicht immer vollkommen nachvollziehen kann. Warum? Weil man sie schlicht für kompetent und ihre Aussagen für glaubwürdig hält.
Kompetenz und Glaubwürdigkeit durch Selbstlosigkeit
Das Kennzeichen wirklicher Kompetenz ist Selbstlosigkeit. Denn das, was jemand als eine allgemeine Wahrheit verkündet, muss sich auch ohne den Einfluss seiner Person bewahrheiten können – wird sich trotz Ablehnung seiner Person als wahr erweisen. In diesem Sinne beweist Jesus seine Kompetenz paradoxerweise in seiner Passion; so wurde er in seiner größten Erniedrigung erhöht. In seiner Niederlage beweist sich die Wahrheit seiner Lehre, für die er sich vollkommen selbstlos hingibt:
Da sprach Jesus zu ihnen: Wenn ihr den Menschensohn erhöhen werdet, dann werdet ihr erkennen, dass ich es bin und nichts von mir aus tue, sondern, wie mich der Vater gelehrt hat, so rede ich.
Johannes 8.28
Diese selbstlose und bedingungslose Hingabe an seine Mission kann insofern gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Dennoch vertreten zunehmend Theologen die Auffassung, dass mit der Passion Jesu nichts Gutes geschehen sein kann. Damit steht die Passion Jesu als ein Beispiel dafür, dass Unverständliches und Unverstandenes vorschnell für sinnlos oder absurd erklärt wird. Das ist meist dann der Fall, wenn Menschen an die Grenzen ihrer Verständnis- und Erkenntnisfähigkeit gelangen und ihre abschließende Meinung zum Maßstab der Vernunft machen. Dabei liegt das zu Erkennende doch von jeher jenseits dessen, was wir im Moment erkennen und verstehen. Menschliches Erkennen ist nie etwas Abgeschlossenes oder Endgültiges.
Es zeugt von Selbstüberschätzung und Ignoranz wenn eine Aussage verworfen wird, weil sie inhaltlich nicht verstanden wurde.
Wahrheit siegt, indem sie sich bewahrheitet
Insbesondere in seiner Passion hat Jesus aufgezeigt, dass das Wahre sich in jeder Situation als wahr erweisen kann, unabhängig davon, ob dessen Verkünder auf Wohlwollen trifft oder ob man ihn bekämpft, verletzt oder gar beseitigt, wie im Falle Jesu. Eben darin, dass Jesus bereit war, als Mensch zu unterliegen und zu scheitern, zeigte sich die Größe und die Vollkommenheit seines Wahrheitsbegriffs. Damit steht er für ein Wirklichkeitsverständnis, das sich auch ohne Bestätigung und ohne Wohlwollen von Menschen oder Umständen als wahr erweisen kann: das Reich Gottes.
Der Wahrheitsbegriff Jesu kann insofern als allumfassend und universell gelten, als er diesen über sein persönliches Wohlergehen setzte, wie er es selbst wiederholt erklärt:
Denn ich bin vom Himmel gekommen, nicht damit ich meinen Willen tue, sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat.
Johannes 6,38
Des Menschen Sohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und gebe sein Leben zu einer Erlösung für viele.
Matthäus 20,28
Um Unsterblichkeit zu gewinnen, gilt es daher im Sinne Jesu „für“ die Wahrheit zu sterben, da einzig die Wahrheit unsterblich ist. In diesem Sinne lautet sein Aufruf:
Wer mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben behalten will, der wird es verlieren; und wer sein Leben verliert um mich und um meiner Worte willen, der wird es behalten.
Markus 8,35
Gott, ein Synonym für die Wahrheit
Jesus selbst verwendet den Begriff Gott als ein Synonym für die Wahrheit. So sagt er während seines Verhörs zu Pilatus nicht, dass er gekommen sei, um Zeugnis von Gott abzulegen, sondern er sagt:
Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, um für die Wahrheit Zeugnis abzulegen; wer aus der Wahrheit ist, hört meine Stimme.
Johannes 18,37
Ging es Jesus in seiner Botschaft aber um Wahrheit, so können seine Lehren auch an den Aussagen anderer großer Philosophen gemessen werden. Mit einem Unterschied: Die Wahrheit, die Jesus lehrte, ist nicht in allen Teilen sofort erkennbar, vielmehr erschließt sie sich erst in einer vertrauensvollen Auseinandersetzung mit seiner Lehre. Der Grund dafür ist, dass seine Lehre den menschlichen Erkenntnisrahmen übersteigt. Denn wie schon erwähnt; was wir als wahr erkennen können, ist nie das Ganze und Vollkommene, sondern jegliches Erkennen ist immer nur Stückwerk, wie auch der Apostel Paulus verdeutlichte:
Denn unser Erkennen ist Stückwerk, und unser Weissagen ist Stückwerk. Wenn aber kommen wird das Vollkommene, so wird das Stückwerk aufhören. // Wir sehen jetzt durch einen trüben Spiegel in einem dunklen Wort; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich es stückweise; dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin.
1. Korinther 13, 9+12
Ein Kennzeichen der Wahrheit ist, dass sie grenzenlos, zeitlos und ohne Anfang und Ende ist, weshalb wir in unserer menschlichen Begrenztheit immer nur einen Teil der Wahrheit gedanklich erfassen werden. Dennoch wünscht das zu Erkennende (Gott) von uns vollkommen erkannt zu werden, und zwar in dem gleichen Maß wie wir selbst wünschen es erkennen zu wollen. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Unser Vertrauen in die Lehre Jesu bildet gewissermaßen die Grundlage, das Unerkannte und Unverstandene seiner Botschaft erkennen zu können.
Soweit wir vertrauen, werden wir glauben und erkennen können. Doch warum sollten wir Jesus vertrauen? Weil Jesus nichts für sich wollte, sondern ein Gottes- und Wahrheitsbild in vollkommener Selbstlosigkeit vermittelte.
So waren selbst die Jünger fassungslos, als Jesu nach all den Drohungen und Anfeindungen, die er durch die Pharisäer in Judäa erfahren hatte, dennoch entschlossen war, zurück nach Jerusalem zu gehen, um dort hingerichtet zu werden. Ein Szenario, das er ihnen vorher explizit ankündigte und erklärte. Hierin liegt der göttliche und transzendente Aspekt seiner Botschaft, dass vieles, was Jesus lehrte und tat, sich für uns Menschen nicht unmittelbar erschließt. In der Weisheitslehre Jesu ist das zu Erkennende stets größer als das, was sich heute, hier und jetzt als wahr erkennen lässt. Oder wie es ein Gedanke des Zenbuddhismus ausdrückt: „Erkenntnis kennt keine Grenzen.“
Christlicher Glaube und die Philosophie der Stoa
Tatsächlich unterscheidet sich die Lehre Jesu inhaltlich von den großen Philosophien der Antike nicht. Das Inhaltliche, das er vermittelt, geht wie bei den Philosophen über das Vordergründige hinaus. So finden wir insbesondere bei den Stoikern nahezu deckungsgleiche Aussagen. Wenn es beispielsweise um das Hinnehmen von Unerwünschtem, von Unrecht und Gewalt geht. Hierin sind sich Sokrates, Epiktet und Jesus völlig einig:
Unrecht zu leiden ist besser, als Unrecht zu tun.
Sokrates
Verlange nicht, dass die Dinge gehen, wie du es wünschest, sondern wünsche sie so, wie sie gehen.
Epiktet
Ich aber sage euch, dass ihr dem Bösen nicht widerstehen sollt, sondern: wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, dem biete die andere auch dar.
Matthäus 5,39
Weh euch, wenn euch alle Menschen loben; denn ebenso haben es ihre Väter mit den falschen Propheten gemacht. Euch, die ihr mir zuhört, sage ich: Liebt eure Feinde; tut denen Gutes, die euch hassen. Segnet die, die euch verfluchen; betet für die, die euch misshandeln.
Lukas 6, 26,28
Sokrates und Jesus haben diese Lehren nicht nur verkündet, sondern sie haben sie auch konsequent gelebt. Beide haben sich nicht zur Wehr gesetzt gegenüber dem Unrecht, das sie durch ihre Feinde erfuhren. Im Gegenteil, Sokrates schaffte es in seinem Prozess, die Mehrzahl der Richter, die ihm anfangs gewogen waren, gegen sich aufzubringen. Und Jesus geht seinen Feinden sogar noch entgegen, als er nach Jerusalem kommt, um sich ihnen zu stellen. Beide haben ihr Urteil bereitwillig auf sich genommen, als man sie zum Tod wegen Gotteslästerung verurteilte und hinrichten ließ. Sokrates durch den Giftbecher, Jesus durch Kreuzigung.
Worin unterscheidet sich die Lehre Jesu von der Weisheitslehre der Philosophen?
Zwar sprechen auch viele Philosophen von den Göttern und von Gott, aber die Rolle Gottes in Bezug auf den Menschen ist nicht so konkret, wie Jesus es herausstellt. So ist seiner Lehre nach die Wahrheit, die Gott selbst ist, nicht unbeteiligt oder gleichgültig, gegenüber den Emotionen und dem Befinden des Menschen. Diese Auffassung widerspricht zwar dem Gottesbild der Pantheisten aber sie ist dennoch folgerichtig. Denn wenn Gott die Ursache aller Dinge ist, wie z. B. Spinoza sagt, dann muss er auch als Ursache unserer geistigen Regungen und Emotionen gelten können.
Die Immunität Gottes
Einerseits können zwar Leid, Tod, Schmerz und Trauer Gott „an sich“ nicht berühren, denn damit wäre Gott ja angreifbar und verletzlich, womit er aufhören würde Gott zu sein. Wohl aber existiert ein „Zustand“, der es Gott „ermöglicht“ menschliches Leid und Elend „wahrzunehmen“. Welcher Zustand ist das? Es ist jener Zustand, in dem ein Mensch sich in der Lage sieht, selbst in seinem Elend den Willen Gottes zu erkennen wodurch er es auf Gott zurückwirft, dem Urheber aller Dinge. Das ist es, was Jesus lehrte und konsequent lebte. In der Annahme seiner Passion lebte er die vollkommene Annahme von Schwäche, Feindschaft und Elend nach dem Willen Gottes. Denn in dem Moment, wo ein Mensch aufhört das Schwache und Böse, dem er in dieser Welt ausgeliefert ist, seinen Feinden oder einem bösen Schicksal, sondern Gott zuzuschreiben ändert sich seine Wirklichkeit grundlegend. Warum sollte das so sein? Einerseits weil das Elend, das ein Mensch nach dem Willen Gottes auf sich nimmt, nicht länger er selbst trägt, sondern Gott trägt es, den es nun unmittelbar betrifft und der es ja so will. Andererseits weil Gott, der Inbegriff von Wahrheit und Leben ist, nicht sterben kann und weil alles was aus Gott fließt göttlich und somit gut sein muss. Kraft dieser Erkenntnis muss alles, was dem Willen der Wahrheit (Gottes) unterliegt, Geist und Sinn finden.
Denn indem Jesus in seinem Leid und Elend den Willen Gottes erkannte, warf er es auf Gott und machte diesen zu dessen Urheber. All das aber, was dem Willen Gottes unterliegt das muss gut werden.
Gott, die Entsprechung unserer Sehnsucht nach Geist und Sinn
Für Jesus ist Gott, der die Wahrheit selbst ist, Urheber aller Dinge auch der leidvollen, die er kraft unserer Sehnsucht nach Wahrheit durch den Geist überwindet. Dabei ist unsere Sehnsucht von grundlegender Bedeutung: Unsere Sehnsucht nach einem Ende von Leid und Tod, ist für Gott Grund und Anlass, diese Bereiche zu überwinden und zwar dort, wo unsere Sehnsucht auf Gott gerichtet ist, der ja alle Dinge wirkt. Denn all das, was für Gott zum Grund und Anlass wird, das wird dadurch bedeutungsvoll. Ferner muss alles, was in Gott einen Grund sucht und findet, aufhören grundlos zu geschehen. Was aber seinen Grund in Gott gefunden hat, der die Wahrheit selbst ist, das wird dadurch auch Sinn und Bedeutung finden.
Jesus bezeichnet diese Sehnsucht, dieses Verlangen metaphorisch als „Hunger“ und „Durst“ nach Gerechtigkeit, weil wir uns hier nach Lebensnotwendigem sehnen:
Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden.
Matthäus 5,6
Selbsterkenntnis – Der Weg zur Einheit mit Gott
Nun könnte man hier einwenden, dass eine derartige Interaktion zwischen Gott und Mensch, wie Jesus es vermittelt, bei den großen Philosophen nicht vorkommt und insofern nicht philosophisch sein kann. Doch auch hier ist zu beachten, was eingangs gesagt wurde, nämlich dass Gott „nur“ ein anderes Wort für die Wahrheit ist. Der Lehre Jesu nach ist die Wahrheitssuche, die sich auf Gott bezieht etwas Wechselseitiges. Diese Auffassung folgt aus der Erkenntnis, dass die Wahrheit unteilbar ist und insofern auch nicht geteilt gedacht werden kann. In jeder Interaktion mit der Wahrheit werden wir mit der Wahrheit geeint, die Gott selbst ist. Und aus dem Gesetz der Einheit mit Gott resultiert die folgende Erkenntnis: Soweit wir nach der Wahrheit suchen und diese erkennen wollen, soweit sucht die Wahrheit auch nach uns und will uns erkennen. Meister Eckhart drückt diese Wechselseitigkeit und Einheit der Wahrheits- und Gotteserkenntnis metaphorisch im Gleichnis vom Auge aus:
Das Auge, in dem ich Gott sehe, das ist dasselbe Auge, darin mich Gott sieht; mein Auge und Gottes Auge, das ist ein Auge, und ein Sehen und ein Erkennen und ein Lieben.
Wer zum höchsten Adel seines Wesens gelangen will und zur Anschauung des höchsten Gutes, das Gott selber ist, der muss ein Erkennen seiner selbst haben,
Meister Eckhart
Und so wie Selbsterkenntnis die Basis der christlichen Wahrheits- und Gottessuche bildet, war sie von jeher auch Grundlage jeglicher Weisheitslehre und Philosophie. So stand der Überlieferung nach über dem Eingang des Tempels in Delphi der Satz:
Erkenne dich selbst und du wirst Gott erkennen.
Tempel in Delphi
Lao Tse lehrte äquivalent:
Wer andere erkennt, ist gelehrt. Wer sich selbst erkennt, ist weise.
Lao-Tse
Übereinstimmend lehrte Jesus:
Selig sind die ein reines Herz haben, denn sie werden Gott schauen.
Matthäus5,8
Selbsterkenntnis im Sinne Jesu meint aufrichtig geübte Einsicht in sich selbst und das Eingeständnis eigener menschlicher Schwäche und Fehlbarkeit. Diese Einsicht in uns selbst schafft ein reines Herz, denn sie offenbart uns unsere wirkliche „Gestalt“. Und die Betrachtung unserer wahren „Gestalt“ ist gleichbedeutend mit der Betrachtung Gottes.
Ersetzt man auch hier das Wort Gott durch Wahrheit und versteht man unter der Reinheit des Herzens, jene aufrichtig geübte Einsicht in sich selbst, so wird die Wechselseitigkeit deutlich, die ein Kennzeichen aller echten Wahrheitssuche ist. Soweit wir uns unserer eignen Schwächen und Fehler bewusst werden, sehen wir uns so, wie wir in Wahrheit sind – sehen wir uns so, wie Gott uns sieht.
Damit beruht das Schauen Gottes in uns auf einer ungeschönten Betrachtung unserer selbst. In diesem Sinne kann die obige Aussage Jesu wie folgt verstanden werden:
Selig, die sich im Innersten so betrachten wie sie sind, denn damit werden sie die Wahrheit über sich selbst sehen, das Antlitz Gottes.
In zwei Gleichnissen, bei denen es ums Suchen und Finden geht, verdeutlicht Jesus das philosophische Prinzip der Wechselseitigkeit aller Wahrheitssuche. Im Gleichnis vom verlorenen Sohn ist es der Sohn, der den Vater sucht und dem der Vater entgegengeht, als er ihn von Ferne kommen sieht – als er in dessen Blickfeld gerät:
Und er machte sich auf und kam zu seinem Vater. Als er aber noch weit entfernt war, sah ihn sein Vater und es jammerte ihn, und er lief und fiel ihm um den Hals und küsste ihn.
Lukas 15, 32
Im Gleichnis vom verlorenen bzw. vom verirrten Schaf ist es der gute Hirte, der alles zurücklässt, um sich auf die Suche nach dem verlorenen Schaf zu machen. Und als er es gefunden hat, nimmt er es auf seine Schultern und trägt es nach Hause.
Welcher Mensch ist unter euch, der hundert Schafe hat und, wenn er eines von ihnen verliert, nicht die neunundneunzig in der Wüste lässt und geht dem verlorenen nach, bis er’s findet? Und wenn er’s gefunden hat, so legt er sich’s auf die Schultern voller Freude.
Lukas 15, 7
Einswerden mit der Wahrheit – Die Einheit mit Gott
Wie oben gezeigt, sind der Lehre Jesu nach Gott und Wahrheit dasselbe. Und so setzt Jesus das Einswerden mit der Wahrheit gleich, mit dem Einswerden des Menschen mit Gott. Im Einswerden des Menschen mit einer leidvollen Wirklichkeit wird Gott verherrlicht. Warum ist das so? Zum einen, weil sich die Kraft der Wahrheit darin beweist, dass sie sich in Selbstlosigkeit jederzeit bewahrheiten kann und will. Zum anderen, weil Gott alle Wirklichkeit wandelt, die als Widerspruch zu den Prinzipien Leben und Geist empfunden wird, als dessen Urheber er erkannt wird. Unsere Empfindung von Trauer, Leid und Tod steht im Widerspruch zu einer Einheit mit Gott, mit Leben und Geist. An Gott, der die Wahrheit und das Leben selbst ist, rühren weder Leid noch Tod. In diesem Sinne sagte Jesus angesichts seiner Passion:
Darum liebt mich mein Vater, weil ich mein Leben lasse, auf dass ich es wiedernehme. Niemand nimmt es von mir, sondern ich lasse es von mir selber. Ich habe Macht, es zu lassen, und habe Macht, es wiederzunehmen. Solches Gebot habe ich von meinem Vater empfangen.
Johannes 10, 17-18
Und am Vorabend seiner Verhaftung bittet er:
Ich heilige mich selbst für sie, auf dass auch sie geheiligt seien in der Wahrheit. Ich bitte aber nicht allein für sie, sondern auch für die, so durch ihr Wort an mich glauben werden, auf dass sie alle eins seien, gleichwie du, Vater, in mir und ich in dir; dass auch sie in uns eins seien, auf dass die Welt glaube, du habest mich gesandt. Und ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast, dass sie eins seien, gleichwie wir eins sind, ich in ihnen und du in mir, auf dass sie vollkommen seien in eins und die Welt erkenne, dass du mich gesandt hast und liebest sie, gleichwie du mich liebst. Gleichwie du mich gesandt hast in die Welt, so sende ich sie auch in die Welt.
Johannes 17, 19-23
Meister Eckhart schrieb in diesem Kontext:
Wo der Mensch in wahrem Gehorsam aus seinem Ich herausgeht und sich des Seinen entschlägt (d. h. eigenes Wollen aufgibt), ebenda muss Gott notgedrungen hinwiederum eingehen; denn wenn einer für sich selbst nichts will, für den muss Gott in gleicher Weise wollen wie für sich selbst. Wenn ich mich meines Willens entäußert habe in die Hand meines Oberen und für mich selbst nichts will, so muss Gott darum für mich wollen, und versäumt er etwas für mich darin, so versäumt er es zugleich für sich selbst. So steht’s in allen Dingen: Wo ich nichts für mich will, da will Gott für mich. Nun gib acht! Was will er denn für mich, wenn ich nichts für mich will? Darin, wo ich von meinem Ich lasse, da muss er für mich notwendig alles das wollen, was er für sich selbst will, nicht weniger noch mehr, und in derselben Weise, mit der er für sich will. Und täte Gott das nicht, – bei der Wahrheit, die Gott ist, so wäre Gott nicht gerecht, noch wäre er Gott, was (doch) sein natürliches Sein ist.
“Reden der Unterweisung” Meister Eckhart 1260-1327
Jesus und Sokrates
Bei Jesus wie bei Sokrates, besteht dieses Einssein mit der Wahrheit in der Annahme ihrer Verurteilung durch ihre Feinde. Beide sahen ihre Verurteilung als Konsequenz ihrer Lehre und Geisteshaltung, der sie bedingungslos treu blieben. Sokrates lehrte, dass es besser sei, Unrecht zu erleiden als Unrecht zu tun. Andernfalls würde die Seele einen Schaden nehmen, der in keinem Verhältnis zum erlittenen Unrecht stünde.
Sokrates stirbt wie Jesus als Konsequenz seiner unerschütterlichen Überzeugung, von der er nicht abrückt. Aber der Tod des Sokrates ändert nichts an der Sinnlosigkeit und der Unwiderruflichkeit des Unrechts, das an ihm verübt wurde.
Anders verhält es sich bei Jesus: Die Ungerechtigkeit, die an Jesus verübt wurde, ist in seinen Augen weder unwiderruflich noch bleibt sie ungerecht. Sterbend am Kreuz widerruft Jesus das Unrecht, das seine Feinde an ihm verüben, indem er ihnen Vergebung zuspricht.
Und der Sinnlosigkeit seiner Hinrichtung setzt er, die von ihm erkannte und verkündete Notwendigkeit seiner Passion entgegen, wodurch aus der Sünde des Menschen jene Gerechtigkeit werden kann, die vor Gott gilt, wie es der Apostel Paulus erklärt:
Denn Gott hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm die Gerechtigkeit würden, die vor Gott gilt.
2. Korinther 6, 19-21
Worin aber das konkrete Heil und der Lohn für die Seele besteht, das denjenigen erreicht, der entsprechend dieser Lehre sein Leben hingibt, das wird bei Jesus konkret: Sind wir bereit unsere Wirklichkeit in ihrer Gänze und Vollständigkeit anzunehmen, so werden wir darin eins mit der Wahrheit, die Gott selbst ist. Sind wir aber eins mit der Wahrheit, so sind wir in Gott und Gott ist in uns. Was aber in Gott ist, das empfängt auch die Immunität Gottes. Doch auf welche Weise können wir in Gott – können wir in die Wahrheit gelangen?
Der Weg zur Wahrheit
Der Weg, um in die Wahrheit zu gelangen, geschieht so, wie es die großen Philosophien von jeher sahen und wie es Jesus gelehrt und konsequent gelebt hat, nämlich durch Selbsterkenntnis.
Ferner durch geübte Vergebung und Barmherzigkeit gegenüber den Schwächen und Fehlern und Irrtümern unserer Mitmenschen, da wir dieser selbst bedürfen. Und in letzter Konsequenz, durch Selbstlosigkeit und Selbstverleugnung. Ausschließlich in dieser Geisteshaltung werden wir eins mit der Wahrheit – nur auf diese Weise gelangen wir zu Gott. Und in diesem selbstlosen Sinn ist der Anspruch, Jesus zu verstehen:
Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich.
Johannes 14,6
»Durch mich« bedeutet hier, durch die bereitwillige Annahme ausnahmslos aller Wirklichkeit, selbst der ungerechten, leidvollen und bösen, ganz so, wie Jesus es uns vorgelebt hat:
Da sprach er zu ihnen allen: Wer mir folgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich täglich und folge mir nach. Denn wer sein Leben erhalten will, der wird es verlieren; wer aber sein Leben verliert um meinetwillen, der wird’s erhalten.
Lukas 9, 23-24
Dort, wo wir uns Krankheit, Verfolgung oder Feindseligkeiten ausgeliefert sehen und diese Dinge auf uns nehmen, da wir sie als eine Folge der Geisteshaltung Jesu erkennen, dort nehmen wir unser Kreuz im Sinne Jesu auf uns. Mit anderen Worten: Wir sollen das Elend unserer menschlichen Wirklichkeit um der Wahrheit willen wollen – um jener Wahrheit willen, die alle Dinge wirkt, um die Welt zu überwinden. Und diese Wahrheit ist Gott selbst. Ja, selbst wenn es zu unserem äußeren Nachteil oder Schaden sein sollte, sollen wir es dennoch wollen und lieben. In diesem Sinne schrieb die jüdische Philosophin Simone Weil:
Einzig der Widerspruch lässt uns erfahren, dass wir nicht alles sind. Der Widerspruch ist unser Elend, und das Gefühl für unser Elend ist das Gefühl für die Wirklichkeit. Denn unser Elend stellen wir nicht her. Es ist wahr. Deshalb muss man es lieben. Alles andere ist imaginär.
Aus “Schwerkraft und Gnade” Simone Weil
Warum ist alles andere imaginär? Weil jenes Elend, das wir bereit sind nach dem Willen Gottes auf uns zu nehmen, uns mit Gott eint. In seiner Passion lehrt uns Jesus, dass alles Elend, das ein Mensch nach dem Willen Gottes auf sich nimmt, in seinem Geist überwunden wird. Denn wer selbst in Unrecht, Leid und Tod eins wird mit Gott, der hat auch Anteil an allem was Gott in Jesus Christus vermag und was aus ihm fließt: Trost, Überwindung, Liebe, Leben, Geist und Sinn.
Sind wir eins mit der Wahrheit, die Gott selbst ist, so werden wir dadurch auch zu Teilhabern Gottes, der alles um seiner selbst willen wirkt. Und außerhalb Gottes existiert nichts und wirkt nichts.
Aber dort, wo wir um der Wahrheit willen Krankheit, Spott und Schaden erleiden, leiden wir nicht mehr um unsertwillen, sondern um Gottes Willen. Leiden wir aber um Gottes Willen, so leiden nicht wir, sondern Gott selbst leidet Krankheit, Spott und Schaden. Da aber Gott weder Krankheit, Spott noch Schaden leiden kann, muss er Krankheit, Spott und Schaden in Heil, in Ehre und in Freude verwandeln:
Amen, amen ich sage euch: ihr werdet weinen und wehklagen, die Welt aber wird sich freuen; ihr werdet traurig sein, doch eure Traurigkeit wird in Freude verwandelt werden.
Johannes 16,20
In Jesus Christus hat er das getan und sein Geist tut dies auch in uns. Auf diesem geistigen Prinzip beruht die Überwindung der Welt, die Jesus in seiner Weisheitslehre verkündet und konsequent gelebt hat.
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Lieber Elmar,
vorweg: wieder ein sehr gelungener inhaltsreicher Beitrag zu einem sowohl interessanten als auch „brisanten“ Thema, für den ich Dir danke.
Es handelt sich um einen flüssigen, sehr verständlichen Text, in den Du erneut viele passende Stellen der Hl. Schrift eingeflochten hast, was mich bei Dir immer wieder fasziniert. Für mich ergeben sich einige neue Sichtweisen und Denkanstöße, manches wäre auch zu hinterfragen.
Vermisst habe ich, dass Du am Ende Deiner Darlegungen nicht noch einmal auf Deine Anfangsfrage zurückkommst: „Ist christlicher Glaube ohne Dogma möglich?“ Da fehlt mir nun die Antwort bzw. Verbindung. Oder habe ich da etwas falsch verstanden?
Aber ich habe Deinen Beitrag sehr gern und aufmerksam gelesen.
Hab vielen Dank dafür.
Herzlichst Ursula
Liebe Ursula,
vielen Dank für Deinen Kommentar. Du hast nicht ganz unrecht: Zu der Frage ob christlicher Glaube ohne Dogma möglich ist, habe ich abschließend nicht explizit Stellung genommen. Die Beantwortung dieser Frage ergibt sich jedoch aus dem Kontext meiner Ausführungen. Gerne fasse ich sie hier für Dich noch einmal zusammen:
Glauben ohne Dogma heißt verstehen, dass es in der Botschaft Jesu nicht um Annahmen oder Mutmaßungen geht. Vielmehr versteht sich Jesus als Zeuge einer geistigen und hintergründigen Wirklichkeit, die er unmittelbar „geschaut“ und erkannt hat. In diesem Sinne sieht er sich als Vermittler einer Erkenntnis, die über das Vordergründige und Zeitliche hinausweist. Die Vermittlung dieser Erkenntnis ist allerdings nur dort möglich, wo sie auf Interesse trifft – wo Sehnsucht nach solcher Erkenntnis herrscht.
Glauben ohne Dogma bedeutet zu verstehen, dass Gott die Wahrheit selbst ist, wobei der Begriff Wahrheit ausnahmslos alle Wirklichkeit unseres Menschseins umfasst. Also auch das Mangelhafte, Ungerechte, Feindliche, Sündige, Leidvolle, Widersprüchliche, Sinnlose, Geistlose, Sterbliche etc. Jesus Christus ist gekommen, damit die ungeliebten Seiten unseres Menschseins eine Wandlung durch den Geist (durch Gott) erfahren können, wodurch sie zu Sinn und Bedeutung finden, worin sie überwunden sind.
Glauben ohne Dogma rührt aus dem Verständnis, dass die zu erkennende Wahrheit, die Gott selbst ist, immer über das menschliche Erkenntnisvermögen hinausgeht. Gott ist immer das zu Erkennende, das jenseits unseres Wissens liegt, da Gotteserkenntnis, d. h. Wahrheitserkenntnis, grenzenlos ist. Die Einsicht, dass immer etwas existiert, das erkannt werden kann, ist der Beleg dafür, dass das, was wir Geist nennen (nämlich Gott) über das Endliche und Temporäre unserer Wahrnehmung und Existenz hinausweist. Somit erschließt sich der Gedanke der Transzendenz unseres Daseins nicht allein als Dogma, sondern vielmehr als gedankliche Folgerichtigkeit.
Glauben ohne Dogma bedeutet anzuerkennen, dass Jesus seine Botschaft in vollkommener Selbstlosigkeit vermittelt. In seiner Passion zeigt er auf, dass der Sieg der Wahrheit darin besteht, sich unabänderlich bewahrheiten zu können, selbst wenn deren Verkünder äußerlich scheitern, unterliegen oder zugrunde gehen. Bekämpfung, Sanktionierung oder Beseitigung der Überbringer einer Wahrheit führt zu einer Erweiterung derselben und damit zur Erweiterung dessen, der sie verkörpert und sich für sie hingibt.
Glauben ohne Dogma bedeutet ein vertrauensvolles Annehmen des Unabänderlichen unserer Wirklichkeit, insbesondere der mangelhaften, leidvollen, ungerechten und unerwünschten Seiten unseres Daseins. Unsere Einheit mit Gott beruht auf einem Einswerden mit ausnahmslos aller Wirklichkeit. Solches Einswerden mit der Wahrheit macht uns zu Teilhabern Gottes, der alle Wirklichkeit nur aus einem Grund hervorbringt und wirkt, nämlich um sich selbst zu erkennen zu geben.
Glauben ohne Dogma beruht auf der Erkenntnis, dass wirkliches Leben nichts anderes bedeutet, als sehnsüchtig suchen und finden zu wollen, was zeitlosen Wert und unvergängliche Gültigkeit besitzt. Die Erkenntnis des Zeitlosen und Unvergänglichen ist die Erkenntnis Gottes, der die Wahrheit selbst ist. Zu unvergänglichem Leben zu gelangen, heißt nichts anderes als Gott zu erkennen. In der Botschaft und Handlungsweise Jesu gibt Gott sich selbst, durch sich selbst, zu erkennen.
Glauben ohne Dogma rührt aus dem Verständnis, dass jede aufrichtig geübte Einsicht über mich selbst gleichbedeutend ist mit der Erkenntnis Gottes. In jener inneren Einsicht und Betrachtung meiner selbst (wo ich mich so sehe, wie ich in Wahrheit bin) blicke ich jener Wahrheit ins Antlitz, die Gott selbst ist. Ohne Selbsterkenntnis keine Wahrheits- und insofern auch keine Gotteserkenntnis.
Herzlichst Elmar
Lieber Elmar,
Herzlichen Dank für Deine umfangreiche, ausführliche Antwort auf meine Frage zu Deinem neuen Blogbeitrag „Glauben ohne Dogma“.
Es ist wieder eine Fleißarbeit Deinerseits. Schön, dass Du mir in anschaulicher Weise nochmals erklärst, was Du sagen wolltest, was gemeint ist und wie Du eben kritisch die Dogmen siehst, da sie (für Dich) in keinem Zusammenhang mit der Botschaft Jesu stehen.
Ich erkenne Deine Begründung an, verstehe sie auch in ihrer Aussage und Tiefe der Bedeutung.
Doch ich für mich sage: Die Dogmen stellen für mich und meinen doch tiefen Glauben kein Problem dar, ich nehme sie als „gegeben“ an. Ich kann damit leben, und ich meine, dass sie meinem Glauben an Jesus Christus und seine Botschaft, die mir sehr viel bedeutet, nicht „schadet“, zumal ich mich selbst noch nie zu einer Anschauung gezwungen gefühlt habe. Ich bin schon sehr verwurzelt in dem, womit ich aufgewachsen bin und bisher gelebt habe. Ich denke schon, dass ich einen „gesunden“ Glauben in mir trage. Aber ich bin auch neugierig und offen anderen Sichtweisen und Darlegungen gegenüber, die mich inhaltlich überzeugen. Und das ist an dem, kann ich ganz ehrlich sagen. Ich lese gern und mit großem Interesse Deine immer sehr anschaulichen und durchaus überzeugenden Erkenntnisse – für mich. Es ist schön, dass es Dich und diesen geistigen Austausch gibt; er bereichert mich. Hab wieder Dank!
Herzlichst Ursula
Liebe Ursula,
vielen Dank für Deine Gedanken dazu. Nicht, dass hier ein falscher Eindruck entsteht. Ich bin nicht grundsätzlich gegen Dogmen bzw. Lehrsätze. Tatsächlich sind viele kirchliche Dogmen wahr, und zwar sofern sie inhaltlich mit der Botschaft Jesu übereinstimmen. Solche Dogmen zu glauben, kann aber nur der erste Schritt sein. Denn spätestens dann, wenn ein Dogma nicht verstanden wird, oder wenn absurde Schlüsse aus einem Dogma gezogen werden, sollte es hinterfragt und seinem Inhalt nach erklärt werden können. Das ist der notwendige zweite Schritt. Verantwortung tragen heißt im Sinne Jesu zu handeln, der sich keiner Antwort entzog, wenn ihm Fragen von Relevanz gestellt wurden.
Herzlichst
Elmar
PS: Habe meine erste Antwort an Dich noch um einen weiteren, fehlenden Punkt (Kursivtext) ergänzt. Er erklärt eines der ältesten kirchlichen Dogmen, das da lautet: „Das Erkennen Gottes ist unendlich.„
Danke lieber Elmar für Deine Antwort und die zusätzliche Erklärung, die mich jetzt beruhigt und auch tröstlich ist für mein Empfinden.
Schreibe weiter gute Gedanken, ich weiß sie zu schätzen.
Herzlichst und Dir sehr verbunden Ursula