Als die Zeit noch reichlich

Sinnentleert
Als die Zeit noch reichlich
war keine Zeit zu denken.
Jetzt, da sie unbegreiflich,
will keiner sich versenken,
in das Eventuelle,
in das Bedeutungschwere.
Nun atmet jede Zelle
nackte Sinnesleere.

Als der Sinn noch offen,
da war er schwer beladen,
mit Wünschen und mit Hoffen
und ignoriertem Schaden,
den er bereits genommen,
doch ohne es zu wissen,
vom Sinnesrausch benommen
- das Gefäß gerissen.

Als das Gefäß noch voll
mit leichtem Spiel und Tand,
da empfand man keinen Groll
gegen Volk und Vaterland,
gegen die verführte Welt,
die noch jeden Sinn geglaubt,
den man ihr vor Augen stellt
und ihr den Zauber raubt.

Elmar Vogel am 26.2.2023
Audiodatei: Als die Zeit noch reichlich

3 Gedanken zu „Als die Zeit noch reichlich“

  1. Sehr beeindruckend dieses Gedicht und so wahr! – wie ein Spiegel, in den wir schauen und uns und die Wirklichkeit erkennen.
    So ist es, und was wird noch kommen? Wie werden wir damit umgehen können?
    Hab ganz herzlichen Dank für Dein Gedicht, in dem Du uns Lesern wieder Deine tiefen Gedanken aufzeigst. Es ist eine Bereicherung für diejenigen, die für derartige Gedanken offen sind.

  2. Vielen Dank für Deine positive Einschätzung, liebe Ursula. Es ist für mich sehr hilfreich zu erfahren, wie ein Text auf andere wirkt. Man ist ja als Autor doch immer befangen in einem Urteil über sich selbst. Herzlichst Elmar

  3. Sehr schön lieber Elmar,
    dadurch wirkt das Gedicht noch viel beeindruckender, wenn Du es selbst so gefühlvoll sprichst. Das vertieft den Inhalt und ergibt eine deutliche Harmonie.
    Recht vielen Dank; es ist schön, Dir zuhören zu dürfen.
    Herzlichst Ursula

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