Es steht ein Turm im Tal der Welt,
erhebt sich hoch empor zum Licht,
er reicht bis an das Himmelszelt,
doch sieht man seine Zinnen nicht.
Willst du hinauf musst du hinab,
zuvor ins tiefe dunkle Tal,
so lass dein Bündel nimm den Stab,
der Weg ist steil, der Mond steht fahl.
Den Gang hinab den Turm hinauf,
lass fahr'n dahin dein Hab und Gut,
denn jede Last hemmt deinen Lauf,
und unbeschwert wächst neuer Mut.
Rasch schlägt das Herz in mancher Brust
Schwer geht der Atem Stoß um Stoß,
doch mit der Höhe steigt die Lust:
Klein wird die Welt, der Mut so groß.
Hörst du des Wächters Ruf vom Turm,
er schallt hinaus weit übers Land.
Bald warnt er vor Gewittersturm,
vor Krieg und Pest und Feuersbrand.
So nimm oh Mensch dein Herz in acht,
dass keine Macht es schrecken kann,
und wenn es fällt, so fällt es sacht
dorthin, wo alles einst begann.
Ach Türmer, der du einsam wachst,
auf deinem hohen Himmelsbau,
trotz deiner Größe nichts verlachst,
weshalb ich fest in dich vertrau.
Du bist mir Bruder, Freund und Held,
hast mich gerufen aus dem Tal,
damit das Dunkel sich erhellt;
Wo Licht ist endet alle Qual.
Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen, die sich über die Dinge ziehn. Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen, aber versuchen will ich ihn.
Und Ich kreise um Gott, um den uralten Turm, und ich kreise jahrtausendelang; und ich weiß noch nicht: bin ich ein Falke, ein Sturm oder ein großer Gesang. und ich weiß noch nicht: bin ich ein Falke, ein Sturm oder ein großer Gesang.
Da neigt sich die Stunde und rührt mich an mit klarem, metallenem Schlag: mir zittern die Sinne. Ich fühle: ich kann - und ich fasse den plastischen Tag.
Und ich kreise um Gott, um den uralten Turm, und ich kreise jahrtausendelang; und ich weiß noch nicht: bin ich ein Falke, ein Sturm oder ein großer Gesang. Und ich weiß noch nicht: bin ich ein Falke, ein Sturm oder ein großer Gesang.
Nichts war noch vollendet, eh ich es erschaut, ein jedes Werden stand still. Meine Blicke sind reif, und wie eine Braut kommt jedem das Ding, das er will.
Und ich kreise um Gott, um den uralten Turm, und ich kreise jahrtausendelang; und ich weiß noch nicht: bin ich ein Falke, ein Sturm oder ein großer Gesang. und ich weiß noch nicht: bin ich ein Falke, ein Sturm oder ein großer Gesang. und ich weiß noch nicht: bin ich ein Falke, ein Sturm oder ein großer Gesang.
Nichts ist mir zu klein, und ich lieb es trotzdem und mal es auf Goldgrund und groß und halte es hoch, und ich weiß nicht wem löst es die Seele los...
Und ich kreise um Gott, um den uralten Turm, und ich kreise jahrtausendelang; und ich weiß noch nicht: bin ich ein Falke, ein Sturm oder ein großer Gesang. und ich weiß noch nicht: bin ich ein Falke, ein Sturm oder ein großer Gesang.
Rainer Maria Rilke 1899
Eigene Vertonung: Gitarre: Elmar Vogel – Gesang: Elmar und Cosima Vogel:
Musikalisches Arrangement der obigen Vertonung mittels KI suno.com auf Grundlage von zwei lyrischen Texten aus Rilkes „Das Stunden-Buch“
Weitere KI-Vertonung mittels aimusic.su und Illustration von zwei Texten aus Rainer Maria Rilkes Stunden-Buch auf YouTube: