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  • Das Evangelium – Die frohe Botschaft Jesu

    Das Evangelium – Die frohe Botschaft Jesu

    Der lateinische Begriff Evangelium stammt ursprünglich aus dem Altgriechischen und lautet „εὐαγγέλιον“ = euangelion. Evangelium bezeichnet eine gute, freudige Nachricht oder eine froh machende Botschaft. Aber was konkret ist eigentlich froh machend und gut an der Botschaft Jesu? Diese Frage stellt sich schon deshalb, weil der Ausgang der Geschichte um den jüdischen Heiler und Wanderprediger Jesus aus Nazareth alles andere als gut erscheint. Auf Betreiben seiner Feinde angeklagt, verurteilt, gefoltert und am Kreuz hingerichtet, stirbt er einen schmählichen Verbrechertod. Somit lässt sich die Mission Jesu wohl eher als gescheitert betrachten. Was dennoch froh machend, gut und tröstlich ist an dem, was Jesus lehrte und was er selbst konsequent lebte, darum geht es in diesem Beitrag.

    Aus der Zeit, als Jesus anfing, als Heiler und Lehrer zu wirken, findet sich im Lukasevangelium eine bemerkenswerte Erzählung. An ihr wird deutlich, dass Jesus seine Mission nicht nur im Kontext des Alten Testaments verstand, sondern von Beginn an den tröstenden, aufrichtenden und froh machenden Charakter seines Evangeliums herausstellte:

    Und er kam nach Nazareth, wo er aufgewachsen war, und ging seiner Gewohnheit nach am Sabbat in die Schule (Synagoge), und er stand auf und meldete sich zur Lesung. Da wurde ihm die Schriftrolle des Propheten Jesaja gereicht. Und als er die Buchrolle öffnete, fand er die Stelle, wo geschrieben steht:

    „Der Geist des JHWH ist bei mir, darum, dass er mich gesalbt hat; er hat mich gesandt, zu verkündigen das Evangelium den Armen, zu heilen die zerstoßenen Herzen, zu predigen den Gefangenen, dass sie los sein sollten, und den Blinden das Gesicht und den Zerschlagenen, dass sie frei und ledig sein sollen, und zu verkündigen das angenehme Jahr des HERRN.“

    Daraufhin schloss er die Buchrolle, gab sie dem Diener zurück und setzte sich wieder. Und alle Augen, in der Schule, waren auf ihn gerichtet. Und er fing an, das Schriftwort auszulegen und sprach zu ihnen: Heute hat sich dieses Schriftwort vor euren Ohren erfüllt. Und sie waren sich alle einig, dass sie ihn doch kannten und wunderten sich wegen dieser unerhörten Worte, die er da sagte, und sie sprachen: »Ist das nicht Josephs Sohn?«  Luk 4, 16-22

    Auch in seinen Deutungen, Gleichnissen und Erklärungen kehrt Jesus immer wieder zu der Grundaussage zurück, dass seine Botschaft Anlass zur Freude gibt, für den, der sie aufnimmt, verinnerlicht und glaubt.

    Trost im Leid durch Sinnfindung

    In der Bergpredigt, einer inhaltlichen Zusammenfassung seiner Lehre, stellt Jesus den tröstlichen Aspekt seiner Botschaft heraus:

    Selig sind jene, die Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden. Mt 5,4

    Alternative Übersetzung:

    Selig sind die Trauernden, denn sie sollen getröstet werden. Mt 5,4

    Doch wie sieht dieser Trost konkret aus? Um den tröstenden und tröstlichen Gedanken seiner Botschaft zu verstehen, bedarf es einer grundlegenden Einsicht, die da lautet:

    In Gott liegt die Ursache unserer gesamten Wirklichkeit verborgen, denn Gott wirkt ausnahmslos alle Dinge.

    Es kann insofern nichts geschehen, was nicht in Gott beschlossen sein kann, da sich dem Willen Gottes, wie gesagt, nichts entziehen oder widersetzen kann.

    Insofern liegt es nicht an den Dingen selbst, die uns beunruhigen, missfallen, bedrohen, schaden oder kränken, sondern es liegt an unserer Bewertung, diesen Dingen gegenüber, ob sie sinnlos und vergebens an uns geschehen oder ob sie durch eine veränderte Geisteshaltung als bedeutsam erkannt werden, wodurch sie es werden.

    Johannes des Täufers und Jesu erster Aufruf lautete: Metanoia! Was so viel bedeutet wie: „Ändert euren Sinn!“ Das Evangelium – die gute Nachricht ist, dass sich allein durch unsere Sinnesänderung die beschwerlichen und leidvollen Dinge für uns grundlegend zum Guten ändern. Nicht also durch gewaltsames Vorgehen gegen das Böse oder dem gegenüber, was uns missfällt, sondern durch Einwilligung in das Unabänderliche wird die Welt im Sinne Jesu überwunden.

    Ihr habt gehört, daß da gesagt ist: „Auge um Auge, Zahn um Zahn.“ Ich aber sage euch, dass ihr dem Bösen gegenüber keinen Widerstand leisten sollt, sondern: Wenn dich jemand auf deine rechte Wange schlägt, dem halte auch die andere hin. Mt 5, 38-39

    Dass selbst die kleinste Kleinigkeit, ein scheinbarer Willkürakt, unsere Ohnmacht oder unser Ausgeliefertsein innerhalb des göttlichen Willens liegt, sofern wir auf dieses Gesetz vertrauen, veranschaulichte Jesus in dem folgenden Gleichnis:

    Kauft man nicht zwei Sperlinge für einen Pfennig? Und doch fällt keiner von ihnen auf die Erde ohne den Willen eures Vaters. Nun aber sind selbst eure Haare auf dem Kopf alle gezählt. So fürchtet euch also nicht; ihr seid besser als viele Sperlinge. Mt 10, 29–31

    Zugegeben wird uns diese Einsicht wenig helfen, wenn wir unmittelbar von einem Unglück betroffen sind und darüber erschrecken. Auch nützt sie uns nichts, wenn wir keinen Ausweg aus unserem Unglück sehen. Sind wir mit Schwäche, Krankheit, Ungerechtigkeit, Schicksalhaftem, Leid oder Tod konfrontiert, werden wir kaum Trost in dem Gedanken finden, dass Gott alle diese Dinge wirkt. Eher scheint das Gegenteil der Fall zu sein, und wir empfinden Gott dann als grausam und ungerecht. Der Trost, den Jesus den Leidenden zuspricht, wird nur denjenigen erreichen können, der darauf vertrauen kann, dass selbst in leidvollen und ungerechten Geschehnissen eine Bedeutung verborgen liegt, die von uns gesucht und gefunden werden will:

    Bittet, so wird euch gegeben; sucht, so werdet ihr finden; klopft an, so wird euch aufgetan. Denn wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan. Mt 7, 7-9

    Diese gefundene Bedeutung liegt in Gott. Das ist das Evangelium, dass allen Dingen, die auf diese Weise ihre Ursache in Gott gefunden haben, Leben und Geist innewohnt.

    Gott ist Sinngeber – Gott erkennen heißt leben

    Insofern beruht der Trost, den die frohe Botschaft Jesu zu geben vermag, auf einer weiteren grundlegenden Erkenntnis, und diese besagt:

    Aller Wirklichkeit, deren Ursache wir in Gott erkennen, liegt kraft dieser Erkenntnis ein tiefer Sinn zugrunde.

    Warum ist das so? Weil der Begriff Gott ein Synonym für Geist und Sinn ist und weil eine Wirklichkeit, deren Ursache in Gott erkannt wurde, nur Gutes an uns bewirken kann und wird.

    Soweit wir auch in den sinnlosen Geschehnissen, die uns unmittelbar betreffen, Gott als Ursache erkennen, werden diese Dinge Sinn erfahren können – nicht mehr, aber auch nicht weniger.

    Insofern hängt das Gute, das uns im Bösen geschieht, ausschließlich davon ab, inwieweit wir fähig sind, Gott auch in den ungerechten, bösen und leidvollen Geschehnissen erkennen zu können. Damit wir Gottes Wirken auch in den beschwerlichen, ungerechten und leidvollen Geschehnissen erkennen können, war Jesus bereit, Unrecht, Leid und Tod auf sich zu nehmen. Er tat es in dem Bewusstsein, dass allein diese Geisteshaltung Unsterblichkeit bedeutet und verleiht.

    Warum ist das so? Weil Gott sich den Dingen, als deren Ursache er erkannt wird, nicht entziehen kann und will, sondern sich darin als deren Ursache zu erkennen geben muss.  Das heißt, all das, worin wir Gott zu erkennen vermögen, nimmt Gottes Natur an und wird dadurch lebendig. In diesem Sinne lehrte Jesus:

    „Das ist aber das ewige Leben, dass sie dich, der du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen.“ Joh 17,3

    Die Überwindung der Welt

    Nun verhält es sich zwar so, dass Gott auch dann alle Wirklichkeit hervorbringt, wenn er von uns nicht als deren Ursache erkannt wird. Doch ohne die Erkenntnis, dass Gott alle Dinge zum Guten wirkt, muss das Beschwerliche, Ungerechte und Leidvolle sinnlos für uns bleiben. Mit anderen Worten:

    Gott wirkt auch ohne unser Erkennen alle Dinge, aber er wirkt jene Dinge, in denen wir keinen Sinn erkennen, an uns vorbei.

    Denn wenn wir in die leidvollen Geschehnisse innerlich nicht einwilligen können, müssen wir daran anklagend zugrunde gehen. Anklagen können nur dort erhoben werden, wo eine Welt der Schuld existiert. Das ist das Evangelium Jesu – die frohe Botschaft Jesu, dass in Gott keine Schuld existiert.

    Die Überwindung der Schuld

    Soweit für uns eine Welt der Schuld existiert, werden wir Schuldige suchen und indem wir nach Schuld und Schuldigen suchen, müssen auch wir für schuldig befunden werden, da kein Mensch frei von Schuld ist.

    In der Sphäre des Geistes (Gottes) jedoch ist der Gedanke der Schuld endgültig überwunden, da dort alle Geschehnisse einen tiefen Sinn finden. Dies besagt nichts anderes, als dass in Gott keine Schuld existieren kann. Die Welt der Schuld ist die Welt der Trennung, des Widerspruchs und der Sünde. Eine solche Welt findet keinen Eingang in Gott. Wo das Prinzip der Sünde, d. h. das Prinzip der Anklage und der Vergeltung, herrscht, herrschen Tod und Sterben. In diesem Sinne lehrte Jesus:

    Darum habe ich euch gesagt, dass ihr in euren Sünden sterben werdet; denn wenn ihr nicht glaubt, dass ich es bin, so werdet ihr in euren Sünden sterben. Joh 8, 24

    Damit wir an Geschehnissen, die wir als ungerecht, leidvoll und beschwerlich empfinden, nicht anklagend zugrunde gehen müssen, dafür ist Jesus Christus in diese Welt gekommen. Eben darum hat er für uns bereitwillig Unrecht, Leid und Tod auf sich genommen. In seiner Passion hat er aufgezeigt, dass Gott dort ausnahmslos alle Dinge zum Besten wirkt, wo er als solcher wirkend erkannt wird. Auf dieser Erkenntnis beruht das Evangelium Jesu.

    Die Kraft des Salzes

    Das Gesetz, wonach alles Schwache, Beschwerliche, Ungerechte, Kranke und Leidvolle allein durch die Kraft des Geistes überwunden wird, hat Jesus im Gleichnis vom Salz der Erde verdeutlicht:

    Ihr seid das Salz der Erde. Wenn nun das Salz nicht mehr salzt, womit soll man salzen? Es ist zu nichts mehr nützlich, als dass man es wegschüttet und lässt es von den Leuten zertreten. Mt 5, 13

    Was heißt das? „Ihr seid das Salz der Erde“, bedeutet, dass unsere wahre Identität und Existenz im Geist liegen. Es bedeutet ferner, dass unsere wahre Identität eine verborgene ist. Warum? Weil das Salz der Erde im Gegensatz zum Salz des Meeres im Dunkel der Erde verborgen liegt. In dieser Hinsicht ist das Salz der Erde ein Sinnbild des Geistes, der im Irdischen verborgen liegt.

    Dem Geschmacklosen Geschmack verleihen

    So wie das Salz den faden Speisen Geschmack und Inhalt verleiht, vermag der Geist den geistlosen Dingen Sinn und Bedeutung zu verleihen, wodurch diese „Speisen“ uns „schmecken“ können. Und das, was auf diese Weise Inhalt und Geschmack gefunden hat, werden wir bereit sein zu essen. Das heißt, wir werden es annehmen, aufnehmen und verinnerlichen können, da es für uns Sinn und Bedeutung gefunden hat, auch wenn es uns vorher fade und als eine Zumutung erschien.

    Mit anderen Worten, alle menschlichen Anhaftungen und Geschehnisse, deren Bedeutung sich uns gedanklich nicht erschließen, da sie uns hinderlich, krank, leidvoll, peinlich, ungerecht, sinnlos, geistlos oder böse erscheinen, machen diese für uns unannehmbar.

    Durch die Kraft des Geistes werden nun ausnahmslos alle Anhaftungen und Geschehnisse Sinn und Bedeutung erfahren können. Das ist das Evangelium; das ist die frohe Botschaft, die Jesus verkündete:

    Die Kraft des Geistes vermag ausnahmslos allen Dingen, die wir nach menschlichem Ermessen für sinnlos oder geistlos halten, Sinn und Geist zu geben, indem sie sie auf Gott als ihren Urheber zurückführt.

    Denn alle Dinge, die Gott zum Urheber haben, müssen gut sein und werden. Leben wir aus dieser Gewissheit und Erkenntnis, so hat uns das Evangelium Jesu erreicht.

    Allmacht in Ohnmacht

    Sinn und Bedeutung erhalten die Dinge durch die Gewissheit, dass selbst im Peinlichen, Beschwerlichen, Ungerechten, Willkürlichen und Leidvollen Gottes Wille an uns geschieht und dass sein Wille zu unserem Besten geschieht, sobald wir auf das Gesetz des Geistes vertrauen. Warum? Weil aus Gott nur Gutes, nur Leben und Geist fließen. Selbst Schmähung, Verfolgung, Gemeinheit, Lüge oder Ungerechtigkeit, alle diese Dinge, erfahren in dieser Geisteshaltung eine grundlegende Wandlung, da sie in dieser Überzeugung Sinn und Bedeutung finden.

    „Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen und reden allerlei Übles gegen euch, wenn sie dabei lügen. Seid fröhlich und getrost; es wird euch im Himmel wohl belohnt werden. Denn also haben sie die Propheten verfolgt, die vor euch gewesen sind.“ Mt 5,11

    Im Moment der Einsicht, dass uns selbst solche Geschehnisse nicht aus Zufall begegnen, sondern dass uns in allen Dingen Gott selbst begegnet, werden wir froh und getröstet. Dadurch werden wir auch solchen Geschehnissen getrost entgegensehen können, an denen wir nach menschlichem Ermessen zerbrechen müssten. Doch alles das, was wir nach dem Willen Gottes auf uns nehmen, kann nicht mehr zu unserem Schaden geschehen. Denn durch unsere Einwilligung in den Willen Gottes werden wir mit Gott geeint. Werden wir aber mit Gott geeint, so nehmen wir auch jene Eigenschaften an, die Gott besitzt: Leben, Liebe, Geist und Unvergänglichkeit.

    Die Passion Jesu – der unverhoffte Glücksfall

    Beispielhaft steht Jesus in seiner Passion selbst für diese Geisteshaltung, indem er Hass, Anfeindung, Verrat, Verleumdung, Anklage, Verurteilung, Leid und Tod nach dem Willen Gottes auf sich nimmt und trägt – wissend, dass Gott ausnahmslos alle Dinge wirkt, darin er erkannt wird. Jesus tat es in der Gewissheit, die er zuvor lehrte. Es ist die innere Gewissheit, dass dem, der auch das Geistlose, Sinnlose, Ungerechte und Böse (die Sünde) nach dem Willen Gottes auf sich nimmt und trägt, nichts schaden und verletzen kann. Warum ist das so? Weil der Geist sich selbst nicht auslöschen kann. All das, worin der Geist wirkend erkannt wird, das wirkt er zu seinem und zu unserem Besten. Das ist das Evangelium Jesu – die frohe Botschaft.

    Es ist der Geist, der uns allen innewohnt, der es vermag, allen Geschehnissen Inhalt zu verleihen. Diesen Geist sollen wir entsprechend seiner Kraft nutzen. Nutzen wir die Kraft des Geistes nicht, so wird er kraftlos. Ein kraftloser Geist wird nicht in der Lage sein, beschwerlichen und leidvollen Geschehnissen, Sinn und Bedeutung zu verleihen. Und so werden wir an solchen Geschehnissen zerbrechen müssen.

    Im Gleichnis ist es das kraftlose Salz, das am Ende weggeschüttet wird, um von den Leuten zertreten zu werden. Das Gefühl weggeworfen und zertreten zu werden, ist keine Strafe im menschlichen Sinn, sondern es ist die Konsequenz eines Geistes, dessen Fähigkeit nicht genutzt wurde – es ist die Folge eines Salzes, das seine Kraft verloren hat.

    Eine Kraft und Fähigkeit, die wir nicht entsprechend ihrer Eigenart nutzen, werden wir eben dadurch schwächen und verlieren.

    Soweit wir die Fähigkeit des Geistes wertschätzen und nutzen, werden wir sie erhalten und vermehren. Und indem wir den Geist wertschätzen, vermehren und stärken, wird der Geist wiederum uns wertschätzen und vermehren und stärken. Warum ist das so? Weil der Geist sich selbst nicht auslöscht. Das ist das Evangelium – die frohe Botschaft Jesu, dass der Geist sich selbst, d. h. dass er das Seine erkennt.

    Die Feuerprobe

    Niemand kann sich den schicksalhaften Seiten des Lebens entziehen. Jeder Mensch wird mit den beschwerlichen und leidvollen Seiten des Lebens konfrontiert. Diese Konfrontation gleicht einer Berührung mit dem Feuer, nämlich der Berührung mit den schmerzhaften Seiten des Geistes. Hier zieht Jesus eine Analogie zum antiken jüdischen Opferkult:

    Denn jeder wird mit Feuer gesalzen werden, so wie jedes Opfer mit Salz gesalzen wird. Mk 9,49-50

    So wie man die Tiere im Tempel mit Salz für das Opfer vorbereitete, sollen auch wir auf die Opfer vorbereitet sein, die das Leben von uns verlangt. Haben wir Salz bei uns, werden unsere Opfer Geist, Sinn und Bedeutung finden können. Denn Gott kann und wird einen Geist nicht zerbrechen lassen, der auf den Geist (Gott) vertraut. Der Geist löscht sich selbst nicht aus. Und in gleicher Weise wie das Opfer, das Jesus am Kreuz brachte, für ihn selbst ein geistvolles, sinnvolles und notwendiges Opfer war, werden auch unsere Opfer aufhören, vergebens zu geschehen, sondern sich als notwendig erweisen können.

    Ich schließe mit einem Wort des Apostels Paulus. Hier verdeutlichte er nochmals den Gedanken, dass uns in der Geisteshaltung, die uns Jesus in seiner Passion lehrte, ausnahmslos alle Geschehnisse dienen werden, wodurch wir inneren Trost finden.

    Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, denen, die nach seiner Absicht berufen sind. Röm 8,28

    Fassen wir alle Dinge, die uns anhaften oder begegnen, in diesem Geist auf, so kann uns nichts mehr begegnen, was uns von der Ursache des Lebens trennt, die in jenem Geist liegt, den Jesus Christus lehrte und konsequent lebte. Das ist das Evangelium, die frohe Botschaft Jesu, dass uns nichts trennen kann von Gott, aus dem alles Leben fließt, wenn wir unser Dasein in dem Sinn auffassen, wie Jesus sein eigenes Dasein auffasste und verstand.

    „Aber in dem allen überwinden wir weit durch den, der uns geliebt hat. Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch irgendeine andere Kreatur uns trennen kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus, unserm Herrn erschienen ist.“ Röm 8, 38.39

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  • Glauben ohne Dogma – Philosophische Aspekte der Botschaft Jesu

    Glauben ohne Dogma – Philosophische Aspekte der Botschaft Jesu

    Ist christlicher Glaube ohne Dogma möglich? Kann die Lehre Jesu an den Gesetzen der Folgerichtigkeit und Schlüssigkeit gemessen werden? Oder ist sie als Dogma aufzufassen, das nicht hinterfragt werden darf, sondern einfach geglaubt werden muss?

    Das Christentum hat ganz unterschiedliche und vielfältige Formen christlicher Gemeinschaften hervorgebracht, doch in einer Forderung scheinen sie doch alle übereinzustimmen: „Am Ende musst du es glauben, auch wenn du es nicht verstehst.“ Aber ist das die Glaubenslehre, die Jesus verkündete? Verstand er unter Glaube wirklich ein kritikloses Abnicken einer zum Dogma erhobenen Glaubenswahrheit, die nicht zu hinterfragen sei?

    Im folgenden Beitrag möchte ich deutlich machen, warum letztere Auffassung unzutreffend ist. Ferner zeige ich auf, in welchem Sinne die Lehre Jesu eine in sich stimmige Weisheitslehre ist, die nahtlos an die antiken Philosophien anknüpft und diese schlüssig fortschreibt. Denn nicht verstanden zu werden, bedeutet nicht, nicht verstanden werden zu wollen oder nicht verstanden werden zu können. Dass Jesus aber verstanden werden wollte, das steht ganz außer Frage. So sind seine vielen Gleichnisse, in denen er förmlich darum ringt, seine Lehre für die Menschen anschaulich und verständlich zu machen, ein lebendiges Zeugnis seiner Bemühung: 

    Wem ist das Reich Gottes ähnlich, womit soll ich es vergleichen?

    Lukas 13,18

    Glauben heißt, nicht wissen. Stimmt das?

    Tatsächlich wird der Begriff Glaube im Deutschen auf zweierlei Weise verwendet:

    • Als Mutmaßung: „Ich glaube, dass morgen schönes Wetter wird.“
    • Als Vertrauensbekundung: „Dem Zeugen, der mir den Hergang geschildert hat, glaube ich.“

    Betrachtet man den Zusammenhang, in welchem Jesus vom Glauben spricht, so ist der christliche Glaubensbegriff der zweiten Kategorie zuzuordnen. Insofern verfehlt der Spruch: „Glauben heißt nicht wissen.“, die Bedeutung des christlichen Glaubensbegriffs. Jesus sieht sich selbst und jene, die um die geistige Dimension dieses Daseins wissen, als Teilhaber einer übergeordneten Wirklichkeit. Was sie dort „gesehen“ haben, macht sie zu unmittelbaren Zeugen dieser Wirklichkeit. Einer Wirklichkeit, die über das Vordergründige hinausweist. Doch was diese Zeugen geschaut haben, was sie wissen und worüber sie Auskunft geben, findet kein Gehör bei den Menschen. Dieses Dilemma beschreibt Jesus gegenüber dem Pharisäer Nikodemus:

    Amen, amen, ich sage dir: Wir reden, was wir wissen, und bezeugen, was wir gesehen haben; ihr aber nehmt unser Zeugnis nicht an.

    Johannes 3,11

    Warum versteht ihr denn meine Sprache nicht? Denn meine Worte finden bei euch kein Gehör.

    Johannes 8,43

    Somit scheint Unverstandensein, ein Merkmal und Kennzeichen geistiger Lehrer zu sein. Und dies trifft in besonderem Maße auf die Lehre Jesu zu.

    Kann Unverstandenem überhaupt Glaubwürdigkeit zukommen?

    Während die meisten Philosophen zumindest von ihren engsten Schülern verstanden wurden, kann dies bei Jesus mit Sicherheit verneint werden. Ein Großteil dessen, was er lehrte, löste bei seinen Zuhörern Verwunderung oder Sprachlosigkeit aus. So waren es in erster Linie seine Heilungen, die ihm zu großer Popularität verhalfen, weshalb er von vielen eher als Arzt angesehen wurde.

    Die Richtigkeit und der Wahrheitsgehalt seiner Botschaft konnten selbst von seinen Jüngern in letzter Konsequenz nur erahnt und insofern nur geglaubt werden. In diesem Punkt nimmt die Lehre Jesu tatsächlich eine Sonderstellung unter den Weisheitslehren ein. Dabei ist Glaube etwas durchaus Legitimes, denn selbstverständlich können und müssen wir oft auch solche Aussagen für glaubwürdig halten, die wir selbst gedanklich nicht durchdrungen haben. So verlässt man sich ja auch ohne Weiteres auf Aussagen von Vertrauenspersonen. Ob Bergführer, Trainer, Ärzte, Fachhandwerker, Ingenieure etc. Man vertraut den Aussagen dieser Personen, auch wenn man sie in fachlichen Details nicht immer vollkommen nachvollziehen kann. Warum? Weil man sie schlicht für kompetent und ihre Aussagen für glaubwürdig hält.

    Kompetenz und Glaubwürdigkeit durch Selbstlosigkeit

    Das Kennzeichen wirklicher Kompetenz ist Selbstlosigkeit. Denn das, was jemand als eine allgemeine Wahrheit verkündet, muss sich auch ohne den Einfluss seiner Person bewahrheiten können – wird sich trotz Ablehnung seiner Person als wahr erweisen. In diesem Sinne beweist Jesus seine Kompetenz paradoxerweise in seiner Passion; so wurde er in seiner größten Erniedrigung erhöht. In seiner Niederlage beweist sich die Wahrheit seiner Lehre, für die er sich vollkommen selbstlos hingibt:

    Da sprach Jesus zu ihnen: Wenn ihr den Menschensohn erhöhen werdet, dann werdet ihr erkennen, dass ich es bin und nichts von mir aus tue, sondern, wie mich der Vater gelehrt hat, so rede ich.

    Johannes 8.28

    Diese selbstlose und bedingungslose Hingabe an seine Mission kann insofern gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Dennoch vertreten zunehmend Theologen die Auffassung, dass mit der Passion Jesu nichts Gutes geschehen sein kann. Damit steht die Passion Jesu als ein Beispiel dafür, dass Unverständliches und Unverstandenes vorschnell für sinnlos oder absurd erklärt wird. Das ist meist dann der Fall, wenn Menschen an die Grenzen ihrer Verständnis- und Erkenntnisfähigkeit gelangen und ihre abschließende Meinung zum Maßstab der Vernunft machen. Dabei liegt das zu Erkennende doch von jeher jenseits dessen, was wir im Moment erkennen und verstehen. Menschliches Erkennen ist nie etwas Abgeschlossenes oder Endgültiges.

    Wenn Jesus in seiner Passion einen Sinn und eine Bedeutung sah, sollten wir dies zunächst immerhin so stehen lassen können, auch wenn wir es inhaltlich nicht sofort verstehen.

    Es zeugt von Selbstüberschätzung und Ignoranz wenn eine Aussage verworfen wird, weil sie inhaltlich nicht verstanden wurde.

    Wahrheit siegt, indem sie sich bewahrheitet

    Insbesondere in seiner Passion hat Jesus aufgezeigt, dass das Wahre sich in jeder Situation als wahr erweisen kann, unabhängig davon, ob dessen Verkünder auf Wohlwollen trifft oder ob man ihn bekämpft, verletzt oder gar beseitigt, wie im Falle Jesu. Eben darin, dass Jesus bereit war, als Mensch zu unterliegen und zu scheitern, zeigte sich die Größe und die Vollkommenheit seines Wahrheitsbegriffs. Damit steht er für ein Wirklichkeitsverständnis, das sich auch ohne Bestätigung und ohne Wohlwollen von Menschen oder Umständen als wahr erweisen kann: das Reich Gottes.

    Der Wahrheitsbegriff Jesu war so allumfassend, dass darin selbst das böswillige Tun und Handeln seiner Feinde eingeschlossen war.

    Der Wahrheitsbegriff Jesu kann insofern als allumfassend und universell gelten, als er diesen über sein persönliches Wohlergehen setzte, wie er es selbst wiederholt erklärt:

    Denn ich bin vom Himmel gekommen, nicht damit ich meinen Willen tue, sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat.

    Johannes 6,38

    Des Menschen Sohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und gebe sein Leben zu einer Erlösung für viele.

    Matthäus 20,28

    Um Unsterblichkeit zu gewinnen, gilt es daher im Sinne Jesu „für“ die Wahrheit zu sterben, da einzig die Wahrheit unsterblich ist. In diesem Sinne lautet sein Aufruf:

    Wer mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben behalten will, der wird es verlieren; und wer sein Leben verliert um mich und um meiner Worte willen, der wird es behalten.

    Markus 8,35

    Gott, ein Synonym für die Wahrheit

    Jesus selbst verwendet den Begriff Gott als ein Synonym für die Wahrheit. So sagt er während seines Verhörs zu Pilatus nicht, dass er gekommen sei, um Zeugnis von Gott abzulegen, sondern er sagt:

    Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, um für die Wahrheit Zeugnis abzulegen; wer aus der Wahrheit ist, hört meine Stimme.

    Johannes 18,37

    Ging es Jesus in seiner Botschaft aber um Wahrheit, so können seine Lehren auch an den Aussagen anderer großer Philosophen gemessen werden. Mit einem Unterschied: Die Wahrheit, die Jesus lehrte, ist nicht in allen Teilen sofort erkennbar, vielmehr erschließt sie sich erst in einer vertrauensvollen Auseinandersetzung mit seiner Lehre. Der Grund dafür ist, dass seine Lehre den menschlichen Erkenntnisrahmen übersteigt. Denn wie schon erwähnt; was wir als wahr erkennen können, ist nie das Ganze und Vollkommene, sondern jegliches Erkennen ist immer nur Stückwerk, wie auch der Apostel Paulus verdeutlichte:

    Denn unser Erkennen ist Stückwerk, und unser Weissagen ist Stückwerk. Wenn aber kommen wird das Vollkommene, so wird das Stückwerk aufhören. // Wir sehen jetzt durch einen trüben Spiegel in einem dunklen Wort; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich es stückweise; dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin.

    1. Korinther 13, 9+12

    Ein Kennzeichen der Wahrheit ist, dass sie grenzenlos, zeitlos und ohne Anfang und Ende ist, weshalb wir in unserer menschlichen Begrenztheit immer nur einen Teil der Wahrheit gedanklich erfassen werden. Dennoch wünscht das zu Erkennende (Gott) von uns vollkommen erkannt zu werden, und zwar in dem gleichen Maß wie wir selbst wünschen es erkennen zu wollen. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Unser Vertrauen in die Lehre Jesu bildet gewissermaßen die Grundlage, das Unerkannte und Unverstandene seiner Botschaft erkennen zu können.

    Unser Vertrauen in das noch Unerkannte ist das, was Jesus „Glaube“ nennt.

    Soweit wir vertrauen, werden wir glauben und erkennen können. Doch warum sollten wir Jesus vertrauen? Weil Jesus nichts für sich wollte, sondern ein Gottes- und Wahrheitsbild in vollkommener Selbstlosigkeit vermittelte.

    So waren selbst die Jünger fassungslos, als Jesu nach all den Drohungen und Anfeindungen, die er durch die Pharisäer in Judäa erfahren hatte, dennoch entschlossen war, zurück nach Jerusalem zu gehen, um dort hingerichtet zu werden. Ein Szenario, das er ihnen vorher explizit ankündigte und erklärte. Hierin liegt der göttliche und transzendente Aspekt seiner Botschaft, dass vieles, was Jesus lehrte und tat, sich für uns Menschen nicht unmittelbar erschließt. In der Weisheitslehre Jesu ist das zu Erkennende stets größer als das, was sich heute, hier und jetzt als wahr erkennen lässt. Oder wie es ein Gedanke des Zenbuddhismus ausdrückt: „Erkenntnis kennt keine Grenzen.“

    Christlicher Glaube und die Philosophie der Stoa

    Tatsächlich unterscheidet sich die Lehre Jesu inhaltlich von den großen Philosophien der Antike nicht. Das Inhaltliche, das er vermittelt, geht wie bei den Philosophen über das Vordergründige hinaus. So finden wir insbesondere bei den Stoikern nahezu deckungsgleiche Aussagen. Wenn es beispielsweise um das Hinnehmen von Unerwünschtem, von Unrecht und Gewalt geht. Hierin sind sich Sokrates, Epiktet und Jesus völlig einig:

    Unrecht zu leiden ist besser, als Unrecht zu tun.

    Sokrates

    Verlange nicht, dass die Dinge gehen, wie du es wünschest, sondern wünsche sie so, wie sie gehen.

    Epiktet

    Ich aber sage euch, dass ihr dem Bösen nicht widerstehen sollt, sondern: wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, dem biete die andere auch dar.

    Matthäus 5,39

    Weh euch, wenn euch alle Menschen loben; denn ebenso haben es ihre Väter mit den falschen Propheten gemacht. Euch, die ihr mir zuhört, sage ich: Liebt eure Feinde; tut denen Gutes, die euch hassen. Segnet die, die euch verfluchen; betet für die, die euch misshandeln.

    Lukas 6, 26,28

    Sokrates und Jesus haben diese Lehren nicht nur verkündet, sondern sie haben sie auch konsequent gelebt. Beide haben sich nicht zur Wehr gesetzt gegenüber dem Unrecht, das sie durch ihre Feinde erfuhren. Im Gegenteil, Sokrates schaffte es in seinem Prozess, die Mehrzahl der Richter, die ihm anfangs gewogen waren, gegen sich aufzubringen. Und Jesus geht seinen Feinden sogar noch entgegen, als er nach Jerusalem kommt, um sich ihnen zu stellen. Beide haben ihr Urteil bereitwillig auf sich genommen, als man sie zum Tod wegen Gotteslästerung verurteilte und hinrichten ließ. Sokrates durch den Giftbecher, Jesus durch Kreuzigung.

    Worin unterscheidet sich die Lehre Jesu von der Weisheitslehre der Philosophen?

    Zwar sprechen auch viele Philosophen von den Göttern und von Gott, aber die Rolle Gottes in Bezug auf den Menschen ist nicht so konkret, wie Jesus es herausstellt. So ist seiner Lehre nach die Wahrheit, die Gott selbst ist, nicht unbeteiligt oder gleichgültig, gegenüber den Emotionen und dem Befinden des Menschen. Diese Auffassung widerspricht zwar dem Gottesbild der Pantheisten aber sie ist dennoch folgerichtig. Denn wenn Gott die Ursache aller Dinge ist, wie z. B. Spinoza sagt, dann muss er auch als Ursache unserer geistigen Regungen und Emotionen gelten können.

    Die Immunität Gottes

    Einerseits können zwar Leid, Tod, Schmerz und Trauer Gott „an sich“ nicht berühren, denn damit wäre Gott ja angreifbar und verletzlich, womit er aufhören würde Gott zu sein. Wohl aber existiert ein „Zustand“, der es Gott „ermöglicht“ menschliches Leid und Elend „wahrzunehmen“. Welcher Zustand ist das? Es ist jener Zustand, in dem ein Mensch sich in der Lage sieht, selbst in seinem Elend den Willen Gottes zu erkennen wodurch er es auf Gott zurückwirft, dem Urheber aller Dinge. Das ist es, was Jesus lehrte und konsequent lebte. In der Annahme seiner Passion lebte er die vollkommene Annahme von Schwäche, Feindschaft und Elend nach dem Willen Gottes. Denn in dem Moment, wo ein Mensch aufhört das Schwache und Böse, dem er in dieser Welt ausgeliefert ist, seinen Feinden oder einem bösen Schicksal, sondern Gott zuzuschreiben ändert sich seine Wirklichkeit grundlegend. Warum sollte das so sein? Einerseits weil das Elend, das ein Mensch nach dem Willen Gottes auf sich nimmt, nicht länger er selbst trägt, sondern Gott trägt es, den es nun unmittelbar betrifft und der es ja so will. Andererseits weil Gott, der Inbegriff von Wahrheit und Leben ist, nicht sterben kann und weil alles was aus Gott fließt göttlich und somit gut sein muss. Kraft dieser Erkenntnis muss alles, was dem Willen der Wahrheit (Gottes) unterliegt, Geist und Sinn finden.

    Das ist es, was Jesus uns in seiner Passion verdeutlicht hat, dass wir unser Elend nach dem Willen Gottes auf uns nehmen sollen, wodurch allein es Sinn und Bedeutung finden wird.

    Denn indem Jesus in seinem Leid und Elend den Willen Gottes erkannte, warf er es auf Gott und machte diesen zu dessen Urheber. All das aber, was dem Willen Gottes unterliegt das muss gut werden.

    Gott, die Entsprechung unserer Sehnsucht nach Geist und Sinn

    Für Jesus ist Gott, der die Wahrheit selbst ist, Urheber aller Dinge auch der leidvollen, die er kraft unserer Sehnsucht nach Wahrheit durch den Geist überwindet. Dabei ist unsere Sehnsucht von grundlegender Bedeutung: Unsere Sehnsucht nach einem Ende von Leid und Tod, ist für Gott Grund und Anlass, diese Bereiche zu überwinden und zwar dort, wo unsere Sehnsucht auf Gott gerichtet ist, der ja alle Dinge wirkt. Denn all das, was für Gott zum Grund und Anlass wird, das wird dadurch bedeutungsvoll. Ferner muss alles, was in Gott einen Grund sucht und findet, aufhören grundlos zu geschehen. Was aber seinen Grund in Gott gefunden hat, der die Wahrheit selbst ist, das wird dadurch auch Sinn und Bedeutung finden.

    Die Überwindung des Bösen durch das Gute beruht darauf, dass Sinn- und Geistloses von Geist und Sinn durchdrungen und erfüllt wird, damit es notwendig und gut werden kann.

    Jesus bezeichnet diese Sehnsucht, dieses Verlangen metaphorisch als „Hunger“ und „Durst“ nach Gerechtigkeit, weil wir uns hier nach Lebensnotwendigem sehnen:

    Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden.

    Matthäus 5,6

    Selbsterkenntnis – Der Weg zur Einheit mit Gott

    Nun könnte man hier einwenden, dass eine derartige Interaktion zwischen Gott und Mensch, wie Jesus es vermittelt, bei den großen Philosophen nicht vorkommt und insofern nicht philosophisch sein kann. Doch auch hier ist zu beachten, was eingangs gesagt wurde, nämlich dass Gott „nur“ ein anderes Wort für die Wahrheit ist. Der Lehre Jesu nach ist die Wahrheitssuche, die sich auf Gott bezieht etwas Wechselseitiges. Diese Auffassung folgt aus der Erkenntnis, dass die Wahrheit unteilbar ist und insofern auch nicht geteilt gedacht werden kann. In jeder Interaktion mit der Wahrheit werden wir mit der Wahrheit geeint, die Gott selbst ist. Und aus dem Gesetz der Einheit mit Gott resultiert die folgende Erkenntnis: Soweit wir nach der Wahrheit suchen und diese erkennen wollen, soweit sucht die Wahrheit auch nach uns und will uns erkennen. Meister Eckhart drückt diese Wechselseitigkeit und Einheit der Wahrheits- und Gotteserkenntnis metaphorisch im Gleichnis vom Auge aus:

    Das Auge, in dem ich Gott sehe, das ist dasselbe Auge, darin mich Gott sieht; mein Auge und Gottes Auge, das ist ein Auge, und ein Sehen und ein Erkennen und ein Lieben.

    Wer zum höchsten Adel seines Wesens gelangen will und zur Anschauung des höchsten Gutes, das Gott selber ist, der muss ein Erkennen seiner selbst haben,

    Meister Eckhart

    Und so wie Selbsterkenntnis die Basis der christlichen Wahrheits- und Gottessuche bildet, war sie von jeher auch Grundlage jeglicher Weisheitslehre und Philosophie. So stand der Überlieferung nach über dem Eingang des Tempels in Delphi der Satz:

    Erkenne dich selbst und du wirst Gott erkennen.

    Tempel in Delphi

    Lao Tse lehrte äquivalent:

    Wer andere erkennt, ist gelehrt. Wer sich selbst erkennt, ist weise.

    Lao-Tse

    Übereinstimmend lehrte Jesus:

    Selig sind die ein reines Herz haben, denn sie werden Gott schauen.

    Matthäus5,8

    Selbsterkenntnis im Sinne Jesu meint aufrichtig geübte Einsicht in sich selbst und das Eingeständnis eigener menschlicher Schwäche und Fehlbarkeit. Diese Einsicht in uns selbst schafft ein reines Herz, denn sie offenbart uns unsere wirkliche „Gestalt“. Und die Betrachtung unserer wahren „Gestalt“ ist gleichbedeutend mit der Betrachtung Gottes.

    Ersetzt man auch hier das Wort Gott durch Wahrheit und versteht man unter der Reinheit des Herzens, jene aufrichtig geübte Einsicht in sich selbst, so wird die Wechselseitigkeit deutlich, die ein Kennzeichen aller echten Wahrheitssuche ist. Soweit wir uns unserer eignen Schwächen und Fehler bewusst werden, sehen wir uns so, wie wir in Wahrheit sind – sehen wir uns so, wie Gott uns sieht.

    Damit beruht das Schauen Gottes in uns auf einer ungeschönten Betrachtung unserer selbst. In diesem Sinne kann die obige Aussage Jesu wie folgt verstanden werden:

    Selig, die sich im Innersten so betrachten wie sie sind, denn damit werden sie die Wahrheit über sich selbst sehen, das Antlitz Gottes.

    In zwei Gleichnissen, bei denen es ums Suchen und Finden geht, verdeutlicht Jesus das philosophische Prinzip der Wechselseitigkeit aller Wahrheitssuche. Im Gleichnis vom verlorenen Sohn ist es der Sohn, der den Vater sucht und dem der Vater entgegengeht, als er ihn von Ferne kommen sieht – als er in dessen Blickfeld gerät:

    Und er machte sich auf und kam zu seinem Vater. Als er aber noch weit entfernt war, sah ihn sein Vater und es jammerte ihn, und er lief und fiel ihm um den Hals und küsste ihn.

    Lukas 15, 32

    Im Gleichnis vom verlorenen bzw. vom verirrten Schaf ist es der gute Hirte, der alles zurücklässt, um sich auf die Suche nach dem verlorenen Schaf zu machen. Und als er es gefunden hat, nimmt er es auf seine Schultern und trägt es nach Hause.

    Welcher Mensch ist unter euch, der hundert Schafe hat und, wenn er eines von ihnen verliert, nicht die neunundneunzig in der Wüste lässt und geht dem verlorenen nach, bis er’s findet? Und wenn er’s gefunden hat, so legt er sich’s auf die Schultern voller Freude.

    Lukas 15, 7

    Einswerden mit der Wahrheit – Die Einheit mit Gott

    Wie oben gezeigt, sind der Lehre Jesu nach Gott und Wahrheit dasselbe. Und so setzt Jesus das Einswerden mit der Wahrheit gleich, mit dem Einswerden des Menschen mit Gott. Im Einswerden des Menschen mit einer leidvollen Wirklichkeit wird Gott verherrlicht. Warum ist das so? Zum einen, weil sich die Kraft der Wahrheit darin beweist, dass sie sich in Selbstlosigkeit jederzeit bewahrheiten kann und will. Zum anderen, weil Gott alle Wirklichkeit wandelt, die als Widerspruch zu den Prinzipien Leben und Geist empfunden wird, als dessen Urheber er erkannt wird. Unsere Empfindung von Trauer, Leid und Tod steht im Widerspruch zu einer Einheit mit Gott, mit Leben und Geist. An Gott, der die Wahrheit und das Leben selbst ist, rühren weder Leid noch Tod. In diesem Sinne sagte Jesus angesichts seiner Passion:

    Darum liebt mich mein Vater, weil ich mein Leben lasse, auf dass ich es wiedernehme. Niemand nimmt es von mir, sondern ich lasse es von mir selber. Ich habe Macht, es zu lassen, und habe Macht, es wiederzunehmen. Solches Gebot habe ich von meinem Vater empfangen.

    Johannes 10, 17-18

    Und am Vorabend seiner Verhaftung bittet er:

    Ich heilige mich selbst für sie, auf dass auch sie geheiligt seien in der Wahrheit. Ich bitte aber nicht allein für sie, sondern auch für die, so durch ihr Wort an mich glauben werden, auf dass sie alle eins seien, gleichwie du, Vater, in mir und ich in dir; dass auch sie in uns eins seien, auf dass die Welt glaube, du habest mich gesandt. Und ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast, dass sie eins seien, gleichwie wir eins sind, ich in ihnen und du in mir, auf dass sie vollkommen seien in eins und die Welt erkenne, dass du mich gesandt hast und liebest sie, gleichwie du mich liebst. Gleichwie du mich gesandt hast in die Welt, so sende ich sie auch in die Welt.

    Johannes  17, 19-23

    Meister Eckhart schrieb in diesem Kontext:

    Wo der Mensch in wahrem Gehorsam aus seinem Ich herausgeht und sich des Seinen entschlägt (d. h. eigenes Wollen aufgibt), ebenda muss Gott notgedrungen hinwiederum eingehen; denn wenn einer für sich selbst nichts will, für den muss Gott in gleicher Weise wollen wie für sich selbst. Wenn ich mich meines Willens entäußert habe in die Hand meines Oberen und für mich selbst nichts will, so muss Gott darum für mich wollen, und versäumt er etwas für mich darin, so versäumt er es zugleich für sich selbst. So steht’s in allen Dingen: Wo ich nichts für mich will, da will Gott für mich. Nun gib acht! Was will er denn für mich, wenn ich nichts für mich will? Darin, wo ich von meinem Ich lasse, da muss er für mich notwendig alles das wollen, was er für sich selbst will, nicht weniger noch mehr, und in derselben Weise, mit der er für sich will. Und täte Gott das nicht, – bei der Wahrheit, die Gott ist, so wäre Gott nicht gerecht, noch wäre er Gott, was (doch) sein natürliches Sein ist.

    “Reden der Unterweisung” Meister Eckhart 1260-1327

    Jesus und Sokrates 

    Bei Jesus wie bei Sokrates, besteht dieses Einssein mit der Wahrheit in der Annahme ihrer Verurteilung durch ihre Feinde. Beide sahen ihre Verurteilung als Konsequenz ihrer Lehre und Geisteshaltung, der sie bedingungslos treu blieben. Sokrates lehrte, dass es besser sei, Unrecht zu erleiden als Unrecht zu tun. Andernfalls würde die Seele einen Schaden nehmen, der in keinem Verhältnis zum erlittenen Unrecht stünde.

    Sokrates stirbt wie Jesus als Konsequenz seiner unerschütterlichen Überzeugung, von der er nicht abrückt. Aber der Tod des Sokrates ändert nichts an der Sinnlosigkeit und der Unwiderruflichkeit des Unrechts, das an ihm verübt wurde.
    Anders verhält es sich bei Jesus: Die Ungerechtigkeit, die an Jesus verübt wurde, ist in seinen Augen weder unwiderruflich noch bleibt sie ungerecht. Sterbend am Kreuz widerruft Jesus das Unrecht, das seine Feinde an ihm verüben, indem er ihnen Vergebung zuspricht.
    Und der Sinnlosigkeit seiner Hinrichtung setzt er, die von ihm erkannte und verkündete Notwendigkeit seiner Passion entgegen, wodurch aus der Sünde des Menschen jene Gerechtigkeit werden kann, die vor Gott gilt, wie es der Apostel Paulus erklärt:

    Denn Gott hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm die Gerechtigkeit würden, die vor Gott gilt.

    2. Korinther 6, 19-21

    Worin aber das konkrete Heil und der Lohn für die Seele besteht, das denjenigen erreicht, der entsprechend dieser Lehre sein Leben hingibt, das wird bei Jesus konkret: Sind wir bereit unsere Wirklichkeit in ihrer Gänze und Vollständigkeit anzunehmen, so werden wir darin eins mit der Wahrheit, die Gott selbst ist. Sind wir aber eins mit der Wahrheit, so sind wir in Gott und Gott ist in uns. Was aber in Gott ist, das empfängt auch die Immunität Gottes. Doch auf welche Weise können wir in Gott – können wir in die Wahrheit gelangen?

    Der Weg zur Wahrheit

    Der Weg, um in die Wahrheit zu gelangen, geschieht so, wie es die großen Philosophien von jeher sahen und wie es Jesus gelehrt und konsequent gelebt hat, nämlich durch Selbsterkenntnis.

    Der Lehre Jesu nach bedeutet Selbsterkenntnis etwas ganz Konkretes, nämlich aufrichtig geübte Einsicht in die Schwäche und Mangelhaftigkeit unseres menschlichen Daseins.

    Ferner durch geübte Vergebung und Barmherzigkeit gegenüber den Schwächen und Fehlern und Irrtümern unserer Mitmenschen, da wir dieser selbst bedürfen. Und in letzter Konsequenz, durch Selbstlosigkeit und Selbstverleugnung. Ausschließlich in dieser Geisteshaltung werden wir eins mit der Wahrheit – nur auf diese Weise gelangen wir zu Gott. Und in diesem selbstlosen Sinn ist der Anspruch, Jesus zu verstehen:

    Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich.

    Johannes 14,6

    »Durch mich« bedeutet hier, durch die bereitwillige Annahme ausnahmslos aller Wirklichkeit, selbst der ungerechten, leidvollen und bösen, ganz so, wie Jesus es uns vorgelebt hat:

    Da sprach er zu ihnen allen: Wer mir folgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich täglich und folge mir nach. Denn wer sein Leben erhalten will, der wird es verlieren; wer aber sein Leben verliert um meinetwillen, der wird’s erhalten.

    Lukas 9, 23-24

    Dort, wo wir uns Krankheit, Verfolgung oder Feindseligkeiten ausgeliefert sehen und diese Dinge auf uns nehmen, da wir sie als eine Folge der Geisteshaltung Jesu erkennen, dort nehmen wir unser Kreuz im Sinne Jesu auf uns. Mit anderen Worten: Wir sollen das Elend unserer menschlichen Wirklichkeit um der Wahrheit willen wollen – um jener Wahrheit willen, die alle Dinge wirkt, um die Welt zu überwinden. Und diese Wahrheit ist Gott selbst. Ja, selbst wenn es zu unserem äußeren Nachteil oder Schaden sein sollte, sollen wir es dennoch wollen und lieben. In diesem Sinne schrieb die jüdische Philosophin Simone Weil:

    Einzig der Widerspruch lässt uns erfahren, dass wir nicht alles sind. Der Widerspruch ist unser Elend, und das Gefühl für unser Elend ist das Gefühl für die Wirklichkeit. Denn unser Elend stellen wir nicht her. Es ist wahr. Deshalb muss man es lieben. Alles andere ist imaginär.

    Aus “Schwerkraft und Gnade” Simone Weil

    Warum ist alles andere imaginär? Weil jenes Elend, das wir bereit sind nach dem Willen Gottes auf uns zu nehmen, uns mit Gott eint. In seiner Passion lehrt uns Jesus, dass alles Elend, das ein Mensch nach dem Willen Gottes auf sich nimmt, in seinem Geist überwunden wird. Denn wer selbst in Unrecht, Leid und Tod eins wird mit Gott, der hat auch Anteil an allem was Gott in Jesus Christus vermag und was aus ihm fließt: Trost, Überwindung, Liebe, Leben, Geist und Sinn.

    Sind wir eins mit der Wahrheit, die Gott selbst ist, so werden wir dadurch auch zu Teilhabern Gottes, der alles um seiner selbst willen wirkt. Und außerhalb Gottes existiert nichts und wirkt nichts.

    Aber dort, wo wir um der Wahrheit willen Krankheit, Spott und Schaden erleiden, leiden wir nicht mehr um unsertwillen, sondern um Gottes Willen. Leiden wir aber um Gottes Willen, so leiden nicht wir, sondern Gott selbst leidet Krankheit, Spott und Schaden. Da aber Gott weder Krankheit, Spott noch Schaden leiden kann, muss er Krankheit, Spott und Schaden in Heil, in Ehre und in Freude verwandeln:

    Amen, amen ich sage euch: ihr werdet weinen und wehklagen, die Welt aber wird sich freuen; ihr werdet traurig sein, doch eure Traurigkeit wird in Freude verwandelt werden.

    Johannes 16,20

    In Jesus Christus hat er das getan und sein Geist tut dies auch in uns. Auf diesem geistigen Prinzip beruht die Überwindung der Welt, die Jesus in seiner Weisheitslehre verkündet und konsequent gelebt hat.

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    Die Theodizeefrage
    Für uns gestorben
    Meister Eckhart

  • Die Überwindung der Welt

    Die Überwindung der Welt

    Wie kann die Welt überhaupt überwunden werden, wenn sie doch augenscheinlich obsiegt? Erfreut sich Gott etwa am Leid des Menschen? Um diese Aspekte der Botschaft Jesu soll es in dem folgenden Beitrag gehen.

    Was bedeutet Überwindung?

    In seiner Passion zeigte er auf wie der Mensch den beschwerlichen und leidvollen Seiten seines Menschseins begegnen soll, damit sie verstanden, getragen und letztlich geistig überwunden werden können. Dabei besteht der Weg Jesu in einer außerordentlichen, inneren Einstellung den ungerechten, beschwerlichen und leidvollen Geschehnissen gegenüber. Wir sehen in Jesus Christus den Allerersten, dem es durch unerschütterliches Vertrauen in alle Lebensumstände gegeben war, den Willen Gottes durch Unrecht, Leid und Tod hindurch zu erkennen. Diese Geisteshaltung hat ihn frei gemacht von Gedanken der Schuld, der Anklage und der Vergeltung gegenüber seinen Feinden. Durch sein unerschütterliches Vertrauen und sein Wissen um den Sinn (Gott) im Sinnlosen (Gottlosen) war er davor bewahrt, an den schicksalhaften Geschehnissen seines Leidens und Sterbens zu zerbrechen, sodass er sterbend am Kreuz rufen konnte:

    „Vater vergib ihnen denn sie wissen nicht, was sie tun!“ Luk 23, 34

    Leidend und sterbend am Kreuz machte Jesus deutlich, dass dieses neue Lebensverständnis, selbst von Geschehnissen, die äußerlichen Schaden und sogar den Tod bedeuten, unberührt und somit unzerstörbar bleibt.

    Überwindung der Welt bedeutet im Sinne Jesu, die geistige Fähigkeit zu erlangen, frei von jeglicher, menschlicher Befangenheit, denken und handeln zu können. Auf dieser unbestechlichen Handlungsweise in vollkommener Freiheit, beruht die Verherrlichung Gottes – beruht die Verklärung des Geistes, wie Jesus es vor seiner Verhaftung gegenüber seinen Jüngern verdeutlichte:

    „Ich habe dich (Vater) verherrlicht auf Erden und vollendet das Werk, das du mir gegeben hast, dass ich’s tun sollte. Und nun verkläre mich du, Vater, bei dir selbst mit der Klarheit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war.“  Joh 17,5

    Eben, weil Jesus sich der transzendenten Bedeutung seines Lebens bewusst war, konnte er sein Leben bereitwillig hingeben und konnte in seiner Passion konsequent im Sinne seiner Botschaft handeln, die er zuvor lehrte: „Liebet eure Feinde…“ Mat 5, 44

    Metanoia – Ändert euren Sinn

    Ein weiterer, essentieller Gedanke liegt der Lehre von der Überwindung der Welt zu Grunde und dieser beruht auf der Änderung der Gesinnung unserem Leben gegenüber. Mit dem Aufruf zur Änderung unserer Sichtweise knüpfte Jesus nahtlos an die Predigt Johannes des Täufers an, der den Menschen zurief: Metanoia!  „Ändert euren Sinn!“ Ein Wort, das in den meisten Bibeln etwas einseitig mit „Tuet Buße“ wiedergegeben wird.

    Metanoia bedeutet aber, dass wir unser gesamtes Leben auf völlig neue Weise betrachten und bewerten sollen, nicht dem äußeren Augenschein nach, sondern nach dem Verständnis der Lehre Jesu. Dieses Verständnis besagt folgendes:

    Alles, was in dieser Welt mit uns und um uns geschieht hat das Potential, im Einklang mit dem Willen Gottes zu stehen, sofern wir bereit sind nach dem Sinn und der Bedeutung leidvoller Geschehnisse zu suchen – sofern wir bereit sind, den Willen Gottes darin zu suchen.

    Denn der Wille Gottes ist untrennbar verbunden mit Geist und Sinn:

    Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan. Denn wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan.… Mat 7,7

    Was nicht im Einklang mit dem Willen Gottes steht, das muss unser Dasein  behindern, beschädigen und vernichten. Gott aber ist das Leben selbst. Würde das Leben sich selbst behindern, beschädigen oder vernichten, so könnte es nicht existieren. Leben ist aber geradezu ein Synonym für Existenz, Realität, Wirklichkeit und Wahrheit.

    In der Natur und in Wahrheit existiert kein sinnloses Unterliegen, Niedergehen und Sterben; alles Sterben dient neuem Leben. Daher, indem unser eigenes Sterben Sinn erfährt, ist der Tod überwunden denn Leben ist ein Synonym für Sinn und Bedeutung.

    In Christus und das bedeutet, in unserer Suche nach dem Sinn im Sinnlosen, werden Leid und Tod – wird die Welt überwunden.

    Ob also im Ungerechten, Beschwerlichen und Leidvollen der Wille Gottes an uns geschieht oder nicht, das hängt durch Jesus Christus nun nicht mehr von den Geschehnissen an sich ab, sondern es hängt allein ab von unserer inneren Haltung diesen Geschehnissen gegenüber – es hängt ab von unserer Einwilligung in den Willen Gottes. In Jesus Christus offenbart sich Gott als jene universelle Kraft, die ihre Herrlichkeit mit jeder Kreatur teilt, die seinen Willen in allen Geschehnissen sucht und findet. So gelangen wir durch Jesus Christus zu dem tiefen Verständnis, dass der Wille Gottes, sofern er zu unserem Besten geschehen soll, vollkommen abhängig ist, von unserer persönlichen Einwilligung in den Willen Gottes. Diese Theologie steht in vollkommener Übereinstimmung mit der Auffassung Jesu, der vor seiner Verhaftung bat:

    Und ging hin ein wenig, fiel nieder auf sein Angesicht und betete und sprach: Mein Vater, ist’s möglich, so gehe dieser Kelch von mir; doch nicht, wie ich will, sondern wie du willst!“  Mat 26,39

    „Dein Reich komme. Dein Wille geschehe…“ Mat 6,10

    In Jesus Christus sind wir aufgefordert den Willen Gottes in allen Geschehnissen zu suchen, wodurch allein er gefunden werden kann und muss. In seiner Passion lehrte er die Überwindung der Welt durch die vertrauensvolle Erkenntnis des göttlichen Willens in ausnahmslos allen Geschehnissen.

    In der Welt habt ihr Angstaber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“ Joh. 16, 33


  • Die Heilung durch den Geist

    Die Heilung durch den Geist

    Über den Wert und die Bedeutung der Heilhandlungen Jesu

    Die wissenschaftliche Medizin betrachtet den Kranken und seine Krankheit als Objekt und weist ihm beinahe verächtlich die Rolle absoluter Passivität zu; er hat nichts zu fragen und nichts zu sagen, nichts zu tun, als den Anordnungen des Arztes gehorsam und sogar gedankenlos zu folgen und sich selbst möglichst aus der Behandlung auszuschalten. In diesem Wort >>Behandlung<< liegt der Schlüssel. Denn während in der wissenschaftlichen Medizin der Kranke als Objekt >>behandelt<< wird, verlangt die seelische Heilkur vom Kranken vor allem, dass er selbst seelisch handle, dass er als Subjekt, als Träger und Hauptvollbringer der Kur, die höchste ihm mögliche Aktivität gegen die Krankheit entfalte. In diesem Aufruf an den Kranken, sich selbst seelisch aufzuraffen, sich zur Willenseinheit zusammenzufassen und diese Ganzheit seines Wesens der Ganzheit der Krankheit entgegenzuwerfen, besteht das eigentliche und einzige Medikament aller psychischen Kuren, und meist beschränkt sich der Hilfsakt ihrer Meister auf nichts anderes als auf das gesprochene Wort.“

    Stefan Zweig


    Dieser Text aus Stefan Zweigs Schrift: „Die Heilung durch den Geist“ scheint heute aktueller denn je und ist mir so aus dem Herzen gesprochen, dass ich hier die Personen, die er in seinem Buch exemplarisch als geistige Heiler porträtiert, um eine Person erweitern möchte: Jesus Christus.

    Privileg des Krankseins

    Die Gesundheit ist für uns Menschen das Gute und das Richtige, Krankheit hingegen das Falsche und Schlechte. Der Lehre Jesu nach, kommt aber gerade der Krankheit eine wichtige Bedeutung zu. Ist es doch gerade die Krankheit, die es vermag, uns innehalten zu lassen, die wir als stumme Aufforderung verstehen können, unsere bisherige Lebensweise zu hinterfragen und die uns so ein transzendentes Denken ermöglichen kann.

    Ich sage ganz bewusst „kann“ weil eben dieses Potential, das im Zustand der Krankheit liegt, oft nicht als solches erkannt wird. Tatsächlich wurde Jesus von der Mehrheit seiner Zeitgenossen eher als Arzt betrachtet und weniger als spiritueller Lehrer. Das zeigt u. a. die Kritik von jüdischer Seite, er würde den Sabbat missachten, weil er am Feiertag seiner Arbeit nachgehe bzw.  Menschen am Sabbat gesund mache.

    Jesus selbst verwendet den Begriff Krankheit aber immer im doppelten Sinne; nämlich als körperliches und als seelisches Gebrechen. So antwortet er auf den Vorwurf, er würde mit Sündern und Volksverrätern Umgang pflegen: „Die Gesunden bedürfen des Arztes nicht, sondern die Kranken!“ Dabei versuchte er deutlich zu machen, dass die geistige Gesundheit an erster Stelle stehen muss.

    Steht der Mensch in seiner geistigen Gesundheit, so überwindet er jede Mangelsituation und alle menschlichen Gebrechen – durch den Geist überwindet er die Krankheit der Welt.

    Glaube macht Krankheit


    Jesus zeigte auf, dass das, was wir für krank bzw. schlecht oder für gesund bzw. gut halten, seinen Ursprung in unserem persönlichen Urteil den Dingen und den Geschehnissen gegenüber hat. von Natur aus sind jedoch die Dinge weder gut noch schlecht. Daher liegt nicht in den Dingen oder Geschehnissen selbst, sondern in unserem persönlichen Urteil, unserer Einschätzung den Geschehnissen gegenüber, die Ursache für unser Heil oder Unheil.  Was uns ungerecht, leidvoll und beschwerlich erscheint, betrachten wir gewöhnlich als schlecht, das Stärkende, Fördernde und Angenehme hingegen als gut. Jesus aber verleiht den Dingen eine völlig neue Bedeutung: Der Reiche, Wohlhabende und Mächtige ist in die vielen Dinge dieser Welt verstrickt und so warnt er:

    Eher geht ein Ankertau durch ein Nadelöhr als ein Reicher in Gottes neue Welt.“

    Hingegen aus der Gruppe der Armen, Schwachen und Kranken, derer, denen Unrecht widerfahren ist, die am Rande der Gesellschaft stehen, die nichts zu verlieren haben, erwächst die Sehnsucht nach Heilung, nach Erleichterung und nach ausgleichender Gerechtigkeit. Und weil eben diese Sehnsucht genau dem entspricht, was Jesus zu geben hat, verkündet er:

    „So werden die Letzten die Ersten sein und die Ersten die Letzten“

    Die Heilung, die Jesus an den Menschen vollbringt, ist immer eine geistige, auch wenn er „nur“ ihre körperlichen Gebrechen heilt. Immer wieder erklärt er den Geheilten, dass ihr Glaube und ihre feste Überzeugung, er (Jesus) könne ihre Gebrechen heilen, ihre Gesundung letztlich bewirkt hat:

    Dein Glaube hat dir geholfen“ – „Dein Glaube hat dich gerettet“, – „Dein Glaube hat dich gesund gemacht“, sind dann seine Worte.

    Auch hier steht die feste innere Überzeugung – nämlich die geistige Stärke über den Zustand der Krankheit hinaus zu denken – über der Krankheit selbst. Nur diese eine Einsicht, nämlich, dass alle äußere und sichtbare Welt auf einer geistigen Grundlage besteht, wird den Glauben an eine Heilung durch den Geist rechtfertigen können. Oder wie Aristoteles sagte:

    „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“.

    Besteht aber unsere äußere Erscheinungswelt auf Grundlage des Geistes, so liegt in allen äußeren Erscheinungen auch ein tiefer Sinn und eine Bedeutung verborgen. Dass sich uns Sinn und Bedeutung des Leidvollen, des Beschwerlichen und des Umstandes, dass wir sterben müssen, erschließen, dass wir den Grund aller Dinge, die uns widerfahren erkennen und verstehen, will ersehnt, gesucht und gefunden werden. Denn der Begriff „Geist“ ist ein Synonym für eine Sinnhaftigkeit, die über die rein äußere Erscheinung der Dinge hinausgeht. Somit ist die Suche nach dem Sinn, ist die Suche nach Geist, ist die Suche nach Gott, letztlich die Suche nach unserer heilen, eigentlichen und zeitlosen Existenz. Unsere Sehnsucht nach dem Geist ist dabei die Grundlage dieser Heilung:

    „Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan. Denn wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan.…“ Lukas 11,9

    Die Heilung durch den Geist vermag viel mehr, als „nur“ die Heilung von körperlichen Gebrechen, denn sie fußt auf der Erkenntnis, dass jede Heilung, alles Gute, ja dass das Leben selbst auf einer geistigen Basis ruht. Kraft dieser Erkenntnis, betreten wir diese Basis und vermögen damit alles, was auch der Geist vermag, der Ursprung und Ursache aller äußeren Erscheinungen ist. In dieser Erkenntnis sehen wir uns aber auch in der Lage, alle äußeren Dinge zu entbehren, da wir die Grundlage des Lebens auf seiner geistigen Basis erkannt und gefunden haben. Dieser Fund macht uns zu Teilhabern des Geistes, der uns wiederum mit allem notwendig Äußerem bedenkt.

    Eine weitere, grundlegende Aussage, die uns insbesondere die Passion Jesu lehrt, ist diese: Alle Krankheit, alles Beschwerliche, ja selbst erlittenes Unrecht, Leid und Tod werden einen persönlichen und individuellen Sinn erfahren, wo wir beginnen, ihren Ursprung im Geist, also in Gott zu suchen. Weil alle Erscheinungen ihren Ursprung im Geist haben, muss ihnen auch Sinn und Bedeutung innewohnen. Doch dieser Sinn ist uns in dem Moment, wo wir erschrecken, dunkel und verborgen, er will aber von uns gesucht und gefunden werden, denn dieser Sinn ist Gott selbst.   Daher das immer wiederkehrende Postulat Jesu:  „suchet, so werdet ihr finden…“

    Ohne Sehnsucht keine Heilung

    Die Überwindung des Leidvollen und vermeintlich Sinnlosen durch den Sinn geschieht, indem wir das Beschwerliche in der Geisteshaltung Jesu vertrauensvoll auf uns nehmen, so wie auch er bewusst Unrecht, Leid und Tod auf sich genommen und getragen hat, in der Gewissheit, dass auch in diesen Bereichen Gott wirken wird, sofern er von uns darin gesucht wird. Wer auf diese Weise Gott in allen Erscheinungen sucht, der wird ihn in allen Dingen finden – selbst im eigenen Tod. Unser unerschütterliches, kindliches Vertrauen in den Geist veranlasst Gott zur Sinnschöpfung über das Starre und Leblose hinaus, denn alle Schöpfung Gottes ist die Kreation von Geist und Sinn alles bis dahin Geist- und Sinnlosen. Insofern liegt bereits ein grundlegender Sinn in unseren äußeren Gebrechen, denn sie fördern unsere Sehnsucht nach Geist. Die Heilung durch den Geist geschieht dabei in jeder gewonnenen Einsicht, in der wir uns der grundlegenden Bedeutung der Botschaft Jesu bewusst werden. Erst wenn wir nichts anderes mehr wünschen und begehren, als die Hinwendung zu den geistigen Belangen unseres Daseins, jenen, welche die Grundlage unserer inneren Vollkommenheit und somit auch die unserer äußeren Unversehrtheit sind, können und werden wir die grundlegendste aller Heilungen überhaupt erfahren: Unsterblichkeit.

    Jesus spricht zu ihr: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, selbst wenn er stirbt. Und wer da lebt und an mich glaubt, wird unsterblich.   Johannes. 11, 25

    Wer die geistigen Belange über alles Äußere stellt, gewinnt dadurch die Grundlage allen Lebens und somit alle äußerlich notwendige Unversehrtheit hinzu.

    Überwindung der Geistlosigkeit – die grundlegendste Krankheit der Welt


    Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch alles andere zufallen.“ Matthäus 6, 33

    Jesus ist gekommen, damit wir durch diese Botschaft auf unserer geistigen, d. h. auf einer zeitlosen Basis Heilung erfahren, also jener, die alles äußerlich Notwendige in sich einschließt. Unsere innere Heilung, durch die wir zu unsere zeitlose Existenz finden, ist die eigentliche Heilung im Sinne Jesu. Durch die Heilung von körperlichen Gebrechen hat Jesus die Kraft des Geistes für uns nur sichtbar gemacht, denn eine Heilung von körperlichen Krankheiten, muss nicht zwingend die geistige Heilung des Menschen einschließen.

    Jesus Christus ist gekommen, damit wir Zugang zu grundlegender Heilung und Unversehrtheit finden können, und diese liegt im Gewinn unserer zeitlosen Existenz, die in Gott liegt. In unserer zeitlosen Existenz sind wir unsterblich. In unserer zeitlosen Unversehrtheit, der des Geistes, werden wir fähig, alles Äußere zu entbehren, so wie Jesus in der Lage war, alle Dinge zu entbehren sei es Anerkennung, Gesundheit, Freiheit, Ehre und Leben. Durch sein Vorbild und Beispiel wollte er aufzeigen, dass all das, was wir in seiner Geisteshaltung willig preisgeben und verlieren, in Gott wiedergefunden werden muss, da es hierin einen tiefen Sinn erfährt. Wird uns im Geiste Jesu die äußere Unversehrtheit genommen, so werden wir auch in das Schicksalhafte und das Leidvolle einwilligen können, ohne daran zu zerbrechen.

    Somit liegt die grundlegendste Heilung aller unserer Gebrechen im Bewußtwerden unserer zeitlosen Existenz.

    In unserer geistigen Existenz sind wir zeitlos, unverwundbar und unzerstörbar. In unserer zeitlosen Existenz sind wir ewige Geschöpfe und das bedeutet wir waren bereits, bevor wir hier in diesem Leben wurden. Diese Grundwahrheit versuchte Jesus den Menschen zu verdeutlichen – oftmals vergebends:

    Amen, amen, ich sage euch: Wer mein Wort hält, der wird den Tod nicht sehen in Ewigkeit. Da sprachen die Juden zu ihm: Jetzt erkennen wir, dass du verrückt bist. Abraham ist gestorben und die Propheten, und du sagst: Wer mein Wort hält, der wird den Tod nicht schmecken in Ewigkeit. Bist du etwa mehr als unser Vater Abraham, der gestorben ist? Und selbst die Propheten sind gestorben. Was machst du hier aus dir selbst? Jesus antwortete: Wenn ich mich selber ehre, so ist meine Ehre nichts. Es ist aber mein Vater, der mich ehrt, von dem ihr sagt: Er ist unser Gott. Und ihr kennt ihn nicht, ich aber kenne ihn. Und wenn ich sagen würde: Ich kenne ihn nicht, wäre ich ein Lügner wie ihr. Aber ich kenne ihn und halte sein Wort. Abraham, euer Vater, wurde froh, dass er meinen Tag sehen sollte, und er sah ihn und freute sich. Da sprachen die Juden zu ihm: Du bist noch nicht mal fünfzig Jahre alt und willst Abraham gesehen haben? Jesus sprach zu ihnen: Amen, amen, ich sage euch: Ehe Abraham wurde, bin ich. Da hoben sie Steine auf, um sie auf ihn zu werfen. Aber Jesus verbarg sich und ging zum Tempel hinaus.                Johannes. 8, 52-58

    Eine Vertiefung dieser Aussage Jesu findet sich bei Meister Eckhart:

    In jenem Sein Gottes nämlich, wo Gott über allem Sein und über aller Unterschiedenheit ist, dort war ich selber, da wollte ich mich selber und erkannte mich selber, (willens) diesen Menschen zu schaffen. Und darum bin ich Ursache meiner selbst meinem Sein nach, das ewig ist, nicht aber meinem Werden nach, das zeitlich ist. Und darum bin ich ungeboren, und nach der Weise meiner Ungeborenheit kann ich niemals sterben. Nach der Weise meiner Ungeborenheit bin ich ewig gewesen und bin ich jetzt und werde ich ewiglich bleiben. Was ich nach meiner hiesigen Geborenheit nach bin, das wird sterben und zunichte werden, denn es ist sterblich; darum muss es (zusammen) mit der Zeit verderben. In meiner (ewigen) Geburt aber wurden alle Dinge geboren, und ich war die Ursache meiner selbst und aller Dinge, und hätte ich gewollt, so wäre weder ich noch wären alle Dinge, wäre aber ich nicht, so wäre auch Gott nicht: Dass Gott, Gott ist, dafür bin ich die Ursache; wäre ich nicht so wäre Gott nicht Gott.                Meister Eckhart  Predigt 52

  • Das Gleichnis vom Turmbau

    Das Gleichnis vom Turmbau

    Denn wer ist unter euch, der einen Turm bauen will und setzt sich nicht zuvor hin und überschlägt die Kosten, ob er genug habe, um es auszuführen, – damit nicht, wenn er den Grund gelegt hat und kann’s nicht ausführen, alle, die es sehen, anfangen, über ihn zu spotten, und sagen: Dieser Mensch hat angefangen zu bauen und kann’s nicht ausführen?    Lukas 14, 28-30

    Ausdruck des Lebens ist das Streben nach „oben“. Im Streben nach oben versuchen wir uns „Freiräume“ zu verschaffen, in denen uns nichts „Niedriges“ mehr berühren kann. Mit dem Gleichnis vom Turmbau, drückt Jesus das menschliche Verlangen nach Erhabenheit aus, den Wunsch, sich über die beschwerlichen und feindlichen Seiten dieses Daseins zu erheben.

    Einen Turm bauen wollen, bedeutet im Sinne des Gleichnisses, die Dinge von einer höheren Warte aus – die Welt mit Distanz betrachten zu wollen. Damit steht der Turm als ein Gleichnis für Erhabenheit, für den Wunsch nach Ruhe, Sicherheit, Unerreichbarkeit und Unberührbarkeit. So ist jeder auf seine eigene Weise bemüht, sich einen Ort zu schaffen, an dem ihm das Leid dieser Welt nichts mehr anhaben kann.

    So symbolisiert der Turmbau unser Streben nach Individualität und Erhabenheit, aber auch nach Entzug und Rückzug. Der Wunsch nach Erhabenheit ist nichts Schlechtes an sich, er wird jedoch auf ganz unterschiedliche Weise umgesetzt: Aus rein menschlicher und vordergründiger Sicht läuft es meist darauf hinaus, sich den Status des „Turmes“ durch Äußerlichkeiten zu verschaffen – beispielsweise durch Familienbande, durch Beziehungen, durch Geld, durch Besitz, durch den gesunden oder den schönen Körper, durch materielle Absicherung, durch persönlichen Erfolg, durch gesellschaftliche Anerkennung, durch Machtausübung, durch Unterdrückung anderer, aber auch durch Drogenkonsum und durch Todessehnsucht.

    Wie auch immer, man möchte unerreichbar und unberührbar sein gegenüber dem Leid der Welt, möchte in „Sicherheit“ leben und über das Unkalkulierbare herrschen.  Im Gleichnis vom Turmbau gibt Jesus zu bedenken, dass alle Versuche, das Unkalkulierbare und Unangenehme abzuwenden, immer unzureichend sein werden, solange sie auf irgendwelche Äußerlichkeiten d. h. solange sie auf Vordergründigem basieren, denn alles Äußerliche – wie es auch heißen mag – unterliegt der Schwächung, dem Verfall, und in allem Hiesigen liegt bereits der Niedergang. Das Unkalkulierbare jedoch ist das Unabwendbare. Es ist Leid, Tod, Niederlage, Schmach, Verrat und Verlust. Diese Dinge nicht in seine Lebensplanung einzukalkulieren, bedeutet, sich zu verkalkulieren.